Nach der Einordnung der Änderungen zur Förderung von Niedrigverdienern kommt nun der Blick auf den neuen Rahmen für erlaubte Abfindungsmöglichkeiten für Arbeitgeber bei Ausscheiden von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Was ist neu und wie praktikabel sind die künftigen Möglichkeiten?
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz II (BRSG II) bringt eine überschaubare Anzahl von neuen Regelungen mit sich. Für die Beratungspraxis verdienen sie allesamt einen genauen Blick. Nach den voraussichtlichen Anpassungen zur Förderung von Niedrigverdienern (§ 100 EStG) geht es nun um die Ausweitung der Abfindungsmöglichkeiten betrieblicher Altersversorgung im Rahmen des § 3 BetrAVG.
Die Abfindungsmöglichkeiten – neu ist selten einfacher
Die bisherigen Möglichkeiten für Abfindungen von bAV-Anwartschaften sind überschaubar. In der Praxis relevant ist dabei vor allem das einseitige Abfindungsrecht des Arbeitgebers. Nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis kann er Anwartschaften auf Rente bis zu 39,55 Euro (Wert 2026) bzw. Kapital bis 4.746 Euro (Wert 2026) einseitig – das heißt auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers – abfinden und so die bisherige Versorgungszusage beenden.
Liegen die Werte darüber, und sei es nur um einen Cent, greift das Abfindungsverbot. Eine Abfindung ist dann nichtig, die Zusage auf betriebliche Altersversorgung bleibt bestehen – auch dann noch, wenn eine Zahlung aus dem Versicherungsvertrag erfolgen sollte. Glück für den Arbeitnehmer, der das Geld wohl behalten dürfte. Durch den Verstoß gegen die Verbotsnorm des § 3 BetrAVG ist eine Rückforderung nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen. Der Arbeitgeber bliebe ohne das Finanzierungsinstrument dennoch in der Verpflichtung der einmal erteilten Zusage.
Wunsch der Arbeitgeber nach höheren Abfindungsgrenzen vs. Versorgungsinteresse der Arbeitnehmer
Aus Arbeitgebersicht ist der Wunsch nach höheren Abfindungsmöglichkeiten verständlich. Denn das Mitziehen von sog. Kleinstanwartschaften ist aufwändig. Es kann z.B. im Falle einer Versorgung über eine Unterstützungskasse die Liquidation des Unternehmens verhindern.
Eine Abfindung ohne Begrenzung muss andererseits mit Blick auf den ursprünglichen Versorgungszweck der bAV ausgeschlossen bleiben – insbesondere mit Blick auf die Neigung, die abgefundene Anwartschaft für den Konsum zu verwenden und nicht für die Altersvorsorge. Diese Abwägung spiegelt sich wider in der Formulierung des Regierungsentwurfs: „Eine Abfindung und die damit verbundene vorzeitige Verwertung einer Betriebsrente widersprechen grundsätzlich deren Versorgungszweck. Allerdings sollen Arbeitgeber mit der Verwaltung von Betriebsrenten nicht so stark belastet werden, dass die Attraktivität von Betriebsrentenzusagen schwindet.“
Die Lösung – höhere Abfindungsgrenzen zu Gunsten der GRV
Das BRSG II sieht nun mit dem Abs. 2a eine neue Abfindungsmöglichkeit vor, um das berechtigte Interesse nach Abfindung von Kleinstanwartschaften mehr Rechnung zu tragen. Mit Zustimmung des Arbeitnehmers können künftig Anwartschaften bis maximal 2% der Bezugsgröße (in 2026: 79,10 Euro Rente bzw. 9.792 Euro Kapital) abgefunden werden. Voraussetzung aber: Der Abfindungsbetrag muss unmittelbar vom Arbeitgeber zur Zahlung von Beiträgen zur GRV verwendet werden.
Für die Praxis der Arbeitgeber ergibt sich folgendes:
- 1. Anwartschaften bis 1% der Bezugsgröße (Werte für 2026: Rente bis zu 39,55 Euro bzw. Kapital bis 4.746 Euro):
Hier besteht sowohl das einseitige Abfindungsrecht des Arbeitgebers als auch die Möglichkeit den Betrag einvernehmlich in die GRV abzufinden. - 2. Anwartschaften > 1% der Bezugsgröße (Rente bis zu 39,55 Euro + 1 Cent (Wert 2026) bzw. Kapital bis 4.746 Euro + 1 Cent Euro (Wert 2026):
Hier besteht nur die Möglichkeit den Betrag einvernehmlich in die GRV abzufinden.
Beitragsfreistellung oder Abfindung in die GRV – Arbeitgeber sind gefragt
Für die künftige Praxis lohnt es sich, folgende Überlegungen vorab anzustellen. Es ist gut vorstellbar, dass Arbeitnehmer ihre Zustimmung zur Abfindung in die GRV davon abhängig machen, ob diese gegenüber einer beitragsfreien Fortführung der bAV Vorteile bringt. Ansprechpartner? Der Arbeitgeber!
So formulierte beispielsweise die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in ihrer Stellungnahme zum Kabinettsentwurf zum BRSG II dazu: „Vor diesem Hintergrund könnten Beschäftigte eine entsprechende Beratung durch Arbeitgeber oder Versorgungsträger zum Vergleich der Leistungen vor der Zustimmung zu einer Abfindung erwarten.“
Dieser „Vergleich der Leistungen“ dürfte schwierig sein, denn das Leistungsspektrum zwischen einer bAV ist tarifabhängig nur sehr schwer mit der GRV zu vergleichen.
Allenfalls bei der Berechnung der zu erwartenden Leistung aus der GRV könnte folgendes Beispiel zumindest eine Orientierung geben.
Beispiel: Abfindungsbetrag aus der bAV 9.000 Euro
Berechnung: 9.000 Euro x Umrechnungsfaktor[1] 0,0001064770 = 0,958293 Rentenentgeltpunkte x 40,79 Euro (Wert Rentenentgeltpunk 2025) = 30,08 Euro als zusätzliche Rentenanwartschaft in der GRV.
Wie bereits erwähnt, die Abfindung in die GRV muss einvernehmlich erfolgen. Arbeitgeber, für die eine potentielle Beratung zu aufwändig ist, stimmen einer Abfindung in die GRV einfach nicht zu, sind dann aber in der Situation, Minianwartschaften weiterhin mitziehen zu müssen. Alles hat seinen Preis.
Den ersten Teil finden Sie hier: „Referentenentwurf zum BRSG II im Praxistest“.
[1] Bekanntmachung der Umrechnungsfaktoren für den Versorgungsausgleich in der Rentenversicherung im Jahr 2025 vom 5. Dezember 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 403)


