Lange wurde darauf gewartet, nun liegt der Referentenentwurf des Zweiten Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung (2. Betriebsrentenstärkungsgesetz – BRSG II) endlich vor. Es folgt ein erster Überblick. In den nächsten Tagen werden wir auf www.bavheute.de noch tiefergehende Analysen veröffentlichen – stay tuned.
1. Weitere Verbesserung der Sozialpartnermodelle
Wie Andrea Nahles 2018 legt auch Hubertus Heil den Schwerpunkt der Novellierung auf die Förderung der sogenannten Sozialpartnermodelle, die nur mit Beteiligung der Gewerkschaft tarifvertraglich gestaltet werden können.
Hier soll es in § 21 ff. BetrAVG zwei Änderungen geben, die für eine Ausweitung in der Fläche sorgen sollen:
- Die Anwendung einer nicht einschlägigen tariflichen Regelung über ein Sozialpartnermodell können Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit Zustimmung der das Sozialpartnermodell tragenden Tarifvertragsparteien vereinbaren, wenn entweder ein für das Arbeitsverhältnis einschlägiger Tarifvertrag dies eröffnet oder wenn die das Sozialpartnermodell tragende Gewerkschaft nach ihrer Satzung für das Arbeitsverhältnis tarifzuständig ist (Beispiel: KfZ-Handel gehört in den Organisationsbereich von ver.di, dann können diese Betriebe z.B. im Sozialpartnermodell des BVV, dem Versicherungsverein des Bankgewerbes, das von ver.di getragen wird, mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien des Sozialpartnermodells BVV die Versorgung ihrer Mitarbeiter organisieren).
- Bei einem sogenannten Andocken von Tarifvertragsparteien an schon bestehende Sozialpartnermodelle (1:1 Übernahme des Modells durch einen anderen Tarifvertrag), entfällt die Pflicht der andockenden Sozialpartner zur Beteiligung an der Durchführung und Steuerung, wenn der Tarifvertrag vorsieht, die Organisations- und Durchführungsstrukturen eines bestehenden Sozialpartnermodells zu nutzen.
Nachdem 2018 die Durchführung und Steuerung durch die Sozialpartner als eine Art Richtigkeitsgarant eingeführt wurde, wird nun neu geregelt, dass eine mangelhafte Beteiligung nicht zur Unwirksamkeit der reinen Beitragszusage führt (§ 21 BetrAVG). Im Aufsichtsrecht werden für Sozialpartnermodelle die Möglichkeiten zur Pufferbildung verbessert, so dass Handlungsspielräume für offensivere Anlagestrategien geöffnet werden, ohne dass die Auszahlungen größeren Schwankungen unterliegen (§ 35 PFAV).
2. Opting-Out-Systemen zur automatischen Entgeltumwandlung auf Betriebsebene:
Bisher konnte das Opting-Out nur durch Tarifverträge eingeführt werden. Dies ist nun auch durch Betriebsvereinbarungen auf Betriebsebene möglich, allerdings nur, wenn sich Arbeitgeber mit mindestens 20% Arbeitgeberzuschuss finanziell beteiligen (§ 21 BetrAVG). Mit den 20% ist auch der Arbeitgeberzuschuss nach § 1a (1a) BetrAVG abgegolten. Damit bleiben weiterhin Betriebe – insbes. kleinere mittelständische Betriebe – ohne Betriebsrat außen vor.
3. Vorzeitige Inanspruchnahme der Betriebsrente
Bisher hatte der Arbeitnehmer nur bei Bezug einer Vollrente wegen Alters einen Anspruch auf den (vorzeitigen) Bezug der Betriebsrente. Künftig sollen Arbeitnehmer auch dann vorzeitig eine Betriebsrente in Anspruch nehmen können, wenn sie eine Teilrente aus der gesetzlichen Rente beziehen (§ 6 BetrAVG). Das ist dann weiterhin regelmäßig mit Abschlägen gemäß der Versorgungsordnung verbunden.
4. Höhere Abfindungsgrenzen
Die Abfindungsgrenzen in § 3 BetrAVG werden erweitert. Die Abfindungsgrenzen verdoppeln sich, wenn der Abfindungsbetrag mit Zustimmung des Arbeitnehmers in die gesetzliche Rentenversicherung fließt.
5. Verbesserung der Niedrigverdienerförderung
Die Einkommensgrenze nach § 100 EStG soll dynamisiert werden und beträgt künftig 3% der BBG (2024: 2.718 Euro statt 2.575 Euro). Es bleibt bei der prozentualen Förderung von 30%. Durch die Anhebung des maximal förderfähigen Beitrags von 960 auf 1.200 Euro erhöht sich bei gleicher Förderquote der Förderhöchstbetrag auf 360 Euro. Durch die Dynamisierung soll ein Herausfallen aus der Förderung im Zeitverlauf aufgrund normaler Lohn- und Gehaltszuwächse verhindert werden, Arbeitgeber erhalten Planungssicherheit für entsprechende Betriebsrentenzusagen.
6. Wiederinkraftsetzen von Lebenversicherungen nach entgeltlosen Zeiten
Der § 212 VVG, der bisher nur für die Elternzeit galt, wird auf alle entgeltlosen Zeiten bei Lebensversicherungen, die im Rahmen einer Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG abgeschlossen wurden, erweitert. Nach Ende der entgeltlosen Zeit kann der Arbeitnehmer innerhalb von drei Monaten nach der Beendigung der entgeltlosen Zeit verlangen, dass die Versicherung zu den vor der Umwandlung vereinbarten Bedingungen fortgesetzt wird.
7. Veränderungen bei Pensionskassen
- Die finanzaufsichtsrechtliche Definition der Pensionskassen soll im Gleichlauf mit dem Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen in der GRV so angepasst werden, dass künftig auch bei teilweisem Wegfall des Erwerbseinkommens bzw. dem Bezug einer Teilrente eine Leistung gezahlt werden kann. Damit können höhere Zahlungen bei vorzeitigem Leistungsbezug zu vereinbart werden (§ 232 VAG).
- Die Bedeckungsvorschriften für Pensionskassen sollen so flexibilisiert werden, dass unter bestimmten Bedingungen temporäre Unterdeckungen möglich sein sollen (§ 234j VAG). Voraussetzung ist u.a. ein mit der BaFin vereinbarter Sicherungsvermögensplan mit Zusagen u.a. der Arbeitgeber zur Verfügungstellung von Finanzmitteln. Eine Kürzung der Leistung muss weiter in der Satzung vorgesehen sein. Die Vermögensanlage soll dadurch stärker auf die Endfälligkeit der Leistung ausgerichtet werden, anstatt permanent eine Mindesthöhe einhalten zu müssen.
- Pensionskassen sollen mehr Spielraum in der Kapitalanlage erhalten. Es soll insbesondere die Risikokapitalquote angehoben werden und Infrastrukturprojekte gefördert werden (§§ 2, 3 AnlageV).
8. Neue Option bei Pensionsfonds
Pensionsfonds sollen künftig auch Ratenzahlungen erbringen dürfen (§ 236 VAG).
9. Wertguthaben und vorgezogene Altersrente
Auch im Wertguthabenrecht wird die Neuregelung des Hinzuverdienstrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung nachgezeichnet (§ 7c SGB IV); künftig können Wertguthaben auch bei Bezug vorgezogener Altersrenten bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch genommen werden.
10. Digitalisierung
Der PSV kann künftig seine Beitragsbescheide vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen, sofern weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum besteht (§ 10 BetrAVG).
Wie geht es weiter?
Das Zweite Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (2. Betriebsrentenstärkungsgesetz) geht am 27.6.2024 zur Stellungnahme an die Verbände. Es soll Ende August in das Kabinett gehen und dann in das parlamentarische Verfahren. Das Gesetz ist zustimmungspflichtig im Bundesrat.
Der Referentenentwurf findet sich auf der Webseite des BMAS.