Nach dem Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) vor Jahresfrist, üben nun auch die Aktuare deutliche Kritik am derzeitigen volatilen handelsrechtlichen Zinsansatz und fordern einen festen Zins in Höhe von 3,25 %.
Nachdem das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) vor Jahresfrist mit der Forderung eines fixen Diskontierungszinssatzes an das Bundesministerium der Justiz herangetreten ist, kommt jetzt ein neuer Vorstoß der Aktuare.
Worum geht es?
Für den Bilanzansatz von Pensionsrückstellungen ist gemäß § 253 Abs. 2 S. 1 HGB der 10-Jahres-Durchschnittszinssatz von Umlaufrenditen von Unternehmensanleihen mit „hochklassiger Bonitätseinstufung“ maßgeblich. In einer Nebenrechnung ist eine Bewertung mit dem 7-Jahres-Durchschnittszins vorzunehmen. Die Zinssätze werden von der Bundesbank monatlich festgelegt und veröffentlicht.
Zuletzt mehren sich Berichte und Hinweise auf voraussichtlich weiter hohe Aufwendungen für Altersversorgungsverpflichtungen in HGB-Abschlüssen. Hintergrund sind zum einen die stark gestiegenen Inflationsraten und zum anderen ein voraussichtlich weiter geringer HGB-Diskontierungssatz. Insgesamt sind auch in Zukunft hohe handelsrechtliche Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen zu erwarten.
Das in letzter Zeit steigende Zinsniveau wirkt sich aufgrund der gebotenen Durchschnittsberechnung über 10 Jahre im Diskontierungszinssatz nur verzögert aus. Der nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB anzuwendende Zinssatz beträgt zum 31.12.2024 voraussichtlich lediglich 1,9 %. Die daraus vielfach resultierende erhöhte Bewertung von Pensionsrückstellungen führt zu einer Ergebnis- und Eigenkapitalbelastung in den betroffenen Abschlüssen und verkleinert damit die Handlungsspielräume der Unternehmen.
Die Forderung der Aktuare
Das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V. (IVS) hat ein Positionspapier „Handelsrechtliche Abzinsung bei Pensionsverpflichtungen“ veröffentlicht, in dem die Aktuare einen festen Zinssatz in Höhe von 3,25 % für die handelsrechtliche Bewertung von Pensionsverpflichtungen fordern. Auf über 20 Seiten wird dieser Zins ausführlich hergeleitet und begründet. Sogar ein Vorschlag zur Änderung des HGB und EGHGB findet sich im Anhang des Papiers.
Die Aktuare empfehlen, bei der Festlegung des Rechnungszinssatzes für die Bewertung von Pensionsrückstellungen einen „Zwei-Komponenten-Ansatz“: Als Maßstab wird in einer ersten Komponente das langfristige Inflationsziel der EZB in Höhe von 2 % p. a. zu Grunde gelegt. Die zweite Komponente orientiert sich an der langfristigen realen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts innerhalb einer Bandbreite von 1 % bis 1,5 %. Beide Komponenten zusammen führen zu dem vorgeschlagenen Zins in Höhe von 3,25 %.
Geprüft wurden auch weitere Alternativen wie die Orientierung an Gesamtkapitalrenditen, Renditen hochwertiger Unternehmensanleihen und ein risikoloser Zins. Diese Ansätze führen nach Auffassung der Aktuare allerdings nicht zu sachgerechten Ergebnissen.
Ausdrücklich raten die Aktuare von einer gesetzlichen Definition eines neuen Automatismus zur langjährigen Zinsanpassung ab und sprechen sich für einen festen Zinssatz aus. Der Umfang und die Auswirkungen externer Krisen oder gesamtwirtschaftlicher Strukturbrüche entziehen sich einer vorab objektivierbaren Regelung. Es sollte in der Entscheidungsgewalt des künftigen Gesetzgebers liegen, ob, wann und wie er auf solche Einflussfaktoren reagieren wird.
Auswirkungen in der Praxis
Die handelsbilanziellen Auswirkungen unterschiedlicher Zinssätze zeigt das folgende Beispiel. Versorgungsberechtigte Person ist eine am 1.10.1971 geborene Geschäftsführerin. Diensteintritt 1.8.1992. Zusagezeitpunkt 1.10.2000. Rentenbeginn 67. Lebensjahr. Zugesagte monatliche Altersrente 5.000 Euro. Bilanzstichtag 31.12.2024.
Beitragsorientierte Leistungszusagen mit kongruenten Rückdeckungsversicherungen sind übrigens von den anhaltenden Diskussionen über den „richtigen“ Rechnungszins nicht betroffen.
Bei Leistungszusagen mit Rückdeckungsversicherungen unter Berücksichtigung der Neuregelungen des IDW (RH FAB 1.021) hat der garantierte Rechnungszins der Versicherung maßgeblichen Einfluss auf die Höhe der Pensionsrückstellung, sofern ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen Zusage und Rückdeckungsversicherung besteht.
Wie geht es weiter?
Die wiederholten Forderungen der Aktuare und Wirtschaftsprüfer einer Anpassung des Rechnungszinses für die Berechnung von Pensionsrückstellungen in der Handelsbilanz sind bisher in der Politik nicht auf fruchtbaren Boden gefallen. Eine kurzfristige Änderung des HGB ist aus Zeit- und Verfahrensgründen eher unwahrscheinlich. Ob die Politik sich langfristig mit dem Thema näher beschäftigt, hängt von vielen Faktoren ab. In erster Linie von zukünftigen Regierungskonstellationen. Aber auch die wirtschaftliche Lage der Unternehmen und das allgemeine Zinsniveau werden in den weiteren Diskussionen eine Rolle spielen. Dass es bei einer möglichen Änderung in der Handelsbilanz auch zu einem Gleichklang mit den steuerlichen Vorgaben kommt, ist eher nicht zu erwarten.
Wo auch immer die weitere Reise zur handelsrechtlichen Bewertung von Pensionsverpflichtungen hingeht, auf bAVheute halten wir Sie informiert.