Am 20.8.2024 um 10.30 Uhr war Termin beim Bundesarbeitsgericht zum Arbeitgeberzuschuss (3 AZR 285/23, Parallelverfahren 286/23 und 287/23). Der Pensionssenat des Bundesarbeitsgerichtes hatte zum Ausschluss eines Arbeitgeberzuschusses nach § 1a Abs. 1a BetrAVG zur Entgeltumwandlung durch einen Tarifvertrag zu entscheiden. Der Kläger wurde durch den DGB-Rechtsschutz vertreten, die beklagte Firma durch den Landesverband des Arbeitgeberverbandes.
Die großen Fragen vor dem Bundesarbeitsgericht
Es ging um einen „alten“ Tarifvertrag, der schon weit vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung zum Arbeitgeberzuschuss, die Entgeltumwandlung und im System der Entgeltumwandlung einen eigenständigen Arbeitgeberbeitrag regelte.
Die große Frage: Kann ein „alter“ Tarifvertrag ein Abweichen von der gesetzlichen Regelung nach § 1a (1a) BetrAVG regeln – wie das § 19 (1) BetrAVG vorsieht?
Und die zweite Frage: Wie und unter welchen Bedingungen können – vorausgesetzt der Tarifvertrag kann das regeln – bestehende Arbeitgeberzuschüssen angerechnet werden?
Die Fragen des Pensionssenats im Termin
Die vorsitzende Richterin, Frau Rajor, zeigte in ihren Fragen, wie differenziert und ausführlich sich der Pensionssenat mit den zugrundeliegenden Fragen beschäftigt hat.
Hier einige der spannenden Fragestellungen aus der Verhandlung, die den 3. Senat beschäftigten:
- Wie kann überhaupt eine zeitliche Abgrenzung erfolgen, wenn – wie die Gewerkschaftsseite vorträgt – Tarifverträge nur etwas in Kenntnis eines Sachverhalts regeln können: 2017 als die Überlegungen zum AG-Zuschuss bekannt wurden? 2018 mit Inkrafttreten des BRSG? 2019 mit Inkraftreten des AG-Zuschusses?
- Kommt es überhaupt auf eine subjektive Betrachtung an oder ist eine objektive Betrachtung nötig?
- Muss nicht der Gesetzesbegründung zum §1a (1a) BetrAVG, die ausdrücklich auf die Gültigkeit bestehender Tarifverträge hinweist, und damit außergewöhnlich explizit ist, ein hohes Gewicht auch aus verfassungsrechtlicher Sicht eingeräumt werden?
- Gesetzt den Fall, der „alte“ Tarifvertrag kann Abweichendes regeln, liegt eine solche Abweichung im konkreten Fall vor? Welche Bedingungen sind dafür zu erfüllen? Reicht ein Regelungssystem zur Entgeltumwandlung? Wo genau liegt die Grenze einer Abweichung? Muss der Tarifvertrag ausdrücklich regeln, dass kein Arbeitgeberzuschuss gewollt ist?
- Wenn eine Abweichung im Sinne des § 19 (1) BetrAVG vorliegt, wie kann dann angerechnet werden?
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: Alte Tarifverträge können vom § 1a (1a) BetrAVG abweichen
Die Revision des Klägers war vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Der Dritte Senat (Pressemitteilung vom 20.8.2024) entschied, dass von den gesetzlichen Regelungen zur Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG) einschließlich des Anspruchs auf einen Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG auch in Tarifverträgen abgewichen werden kann, die bereits vor Inkrafttreten des ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 1. Januar 2018 geschlossen wurden.
Die Auslegung von § 19 Abs. 1 BetrAVG ergibt, dass von § 1a BetrAVG abweichende Regelungen auch in vor dem Inkrafttreten des ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes geschlossenen Tarifverträgen enthalten sein können. Mit den Regelungen des strittigen Tarifvertrags liegt eine solche von § 1a BetrAVG abweichende Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG vor.
Damit bestätigt der 3. Senat das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen.
Der Fall vor dem Bundesarbeitsgericht
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte Arbeitgeber verpflichtet ist, einen Zuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG zu zahlen, oder ob ein hierauf gerichteter Anspruch des Klägers wegen einer abweichenden Regelung in einem vor Inkrafttreten der Bestimmung geschlossenen Tarifvertrag ausgeschlossen ist.
Der klagende Arbeitnehmer ist seit August 1982 als Holzmechaniker bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung unter anderem der Tarifvertrag zur Altersversorgung zwischen dem Landesverband Niedersachsen und Bremen der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie e.V. sowie der IG Metall vom 9. Dezember 2008 (TV AV) Anwendung.
Dieser sieht sowohl einen vom Arbeitgeber zu tragenden Altersvorsorgegrundbetrag zur Entgeltumwandlung zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung vor als auch eine Möglichkeit für die Arbeitnehmer zu verlangen, künftige Entgeltansprüche darüber hinaus zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung umzuwandeln.
Für die Monate Januar bis Juni 2022 betrug der Altersvorsorgegrundbetrag gemäß § 3 TV AV 38,48 Euro monatlich, das darüber hinaus umgewandelte Entgelt des Klägers 48,35 Euro monatlich.
Der klagende Arbeitnehmer begehrt die Zahlung des Arbeitgeberzuschusses iHv. 43,50 Euro (6 x 7,25 Euro) für die Monate Januar bis Juni 2022 für eine näher benannte Pensionsfondvereinbarung.
Er meint, die Beklagte sei verpflichtet, gemäß § 1a Abs. 1a BetrAVG einen Zuschuss iHv. 15 vH des den Altersvorsorgegrundbetrag übersteigenden Betrages des umgewandelten Entgelts, mithin einen Arbeitgeberzuschuss iHv. 7,25 Euro netto monatlich zu zahlen. Mit den Regelungen des TV AV liege keine abweichende Regelung iSd. § 19 Abs. 1 BetrAVG vor.
Ein Ausschluss des Anspruchs aus § 1a Abs. 1a BetrAVG komme nicht in Betracht, weil der TV AV bereits vor Inkrafttreten des § 1a Abs. 1a BetrAVG abgeschlossen worden sei. Ein Anspruch auf Zahlung des Arbeitgeberzuschusses sei durch die Zahlung des Altersvorsorgegrundbetrages nach dem TV AV auch nicht erfüllt. Demgegenüber vertritt die beklagte Arbeitgeberin die Auffassung, der Zuschuss stehe dem Kläger nicht zu, da er bereits aus § 3 TV AV profitiere. Die ersparten Sozialversicherungsbeiträge seien im Regelfall auch geringer als der gezahlte Altersvorsorgegrundbetrag, sodass von ihr durch die Entgeltumwandlung tatsächlich nichts erspart werde.