Bei der Frage, ob der Rückkaufswert aus einer Direktversicherung bei einer Privatinsolvenz vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters sicher ist, kommt es darauf an wer die Beiträge geleistet hat.
Die Frage, ob und inwieweit ein Insolvenzverwalter Zugriff auf (zukünftige) Leistungen aus einer Direktversicherung hat, war in der Vergangenheit schon mehrmals Thema bei den obersten deutschen Gerichten.
So hat der BGH in seinem wirklich lesenswerten Beschluss (BGH, Beschluss 20.12.2018, IX ZB 8/17) diesbezüglich ein Prüfschema entwickelt, über das auf bAVheute ausführlich berichtet wurde.
Der BGH ging dabei davon aus, dass ein Anspruch immer dann in die Insolvenzmasse fällt, wenn dieser dem (ehemaligen) Arbeitnehmer „gehört“. Diese Frage entscheidet sich auf der Ebene des Versicherungsrechts, also an der Frage, wie das Bezugsrecht ausgestaltet ist, bzw. ob der ehemalige Arbeitnehmer Versicherungsnehmer geworden ist. Steht dem Arbeitnehmer das Bezugsrecht unwiderruflich zu oder ist er Versicherungsnehmer geworden, ist der (zukünftige) Anspruch auf Leistungen aus einer Direktversicherung der Insolvenzmasse zuzuordnen.
Das OLG geht bei seiner Entscheidung (OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.4.2024, 5 U 73/23, rechtskräftig) noch einen Schritt weiter und stellt darüber hinaus darauf ab, wer die Beiträge geleistet hat.
Das Urteil ist insbesondere für Versicherer wichtig, da es zeigt, dass man sich nicht immer auf die Unkenntnis eines laufenden Privatinsolvenzverfahrens berufen kann und eine Auszahlung, trotz Unkenntnis, nicht befreiend wirkt und, wie im Fall des OLG, nochmals gezahlt werden muss.
Der Fall vor dem OLG
Dem Urteil lag – verkürzt – folgender Sachverhalt zugrunde.
1.2.2012: Für den ehemaligen Arbeitnehmer wurde als VP eine arbeitgeberfinanzierte Direktversicherung abgeschlossen. Für alle Leistungen aus dem Vertrag war der ehemalige Arbeitnehmer sowohl für den Erlebens- als auch für den Todesfall sofort unwiderruflich bezugsberechtigt.
1.2.2017: Übernahme der VN-Eigenschaft durch den ehemaligen Arbeitnehmer. Die Anwartschaft war zu dieser Zeit unverfallbar.
30.4.2020: Antrag auf Beitragsfreistellung für die Zeit vom 1. Februar 2020 bis 1. Juni 2020.
1.6.2020: Eröffnung des Privat-Insolvenzverfahrens über das Vermögen des ehemaligen Arbeitnehmers
24.2.2021: Antrag auf erneute Beitragsfreistellung ab dem 1. März 2021
5. 8.2021: Kündigung des Versicherungsvertragsvertrags mit Bitte um Auszahlung des Rückkaufswerts. Der ehemalige Arbeitnehmer benannte der Versicherung für die Auszahlung das Konto seiner Ehefrau.
12.8.2021: Auszahlung des Rückkaufswerts einschließlich Überschussbeteiligung in Höhe von 33.760,44 Euro an den ehemaligen Arbeitnehmer, aber auf das Konto seiner Ehefrau. Dabei beruhten 15.261,41 Euro auf Beiträgen des Arbeitgebers und 18.499,03 Euro auf Beiträgen des Arbeitnehmers. Von der Privatinsolvenz hatte der Versicherer keine Kenntnis.
Die Entscheidungsgründe
Das OLG prüft, wie im Übrigen auch der BGH in seinem Beschluss vom 20.12.2018, ob der Anspruch auf den Rückkaufswert dem ehemaligen Arbeitnehmer „gehört“. Das wurde durch das OLG bejaht, denn der ehemalige Arbeitnehmer war Inhaber eines unwiderruflichen Bezugsrechts auf die Leistung, bevor er 2017 Versicherungsnehmer wurde.
Das OLG trifft aber eine weitere Unterscheidung dahingehend, indem es darauf abstellt, wer die Beiträge zur Direktversicherung geleistet hat.
Soweit der Rückkaufswert auf Beiträgen des Arbeitgebers (15.261,41 Euro) beruht, gelten die Verfügungsbeschränkungen des § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BetrAVG mit der Folge, dass dieser Betrag vom Insolvenzverwalters nicht für die Masse beansprucht werden kann.
Das gilt nicht für den Teil des Rückkaufwertes, der auf Beiträgen des ehemaligen Arbeitnehmers beruhen (18.499,03 Euro). Denn der Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BetrAVG bezieht sich nur auf Beitragszahlungen des Arbeitgebers.
Folge: Der Teil des Rückkaufwertes, der auf Beiträgen des Arbeitnehmers beruht, kann für die Insolvenzmasse beansprucht werden. Der Versicherer wurde folgerichtig vom OLG dazu verurteilt diesen Teil an den Insolvenzverwalter noch einmal, nebst Zinsen, zu zahlen.
Keine Rettungsanker für den Versicherer – Unkenntnis vom laufenden Privatinsolvenzverfahren unerheblich.
Der Versicherer konnte sich auch nicht auf die Unkenntnis des Privatinsolvenzverfahrens berufen. Zwar gibt es für Fälle, bei denen trotz Privatinsolvenzverfahrens ausgezahlt wird in § 82 Satz 1 InsO eine Art Schutz des guten Glaubens, und die Zahlung wirkt dann doch befreiend. Aber der Versicherer hätte nicht auf das Konto der Ehefrau auszahlen dürfen, weil der ehemalige Arbeitnehmer bedingt durch die Insolvenz diese Zahlungsanweisung gar nicht wirksam hat abgeben können.
Fazit
Auszahlungen von Versicherern sind nicht nur im Rahmen des Geldwäschegesetzes relevant. Bei abweichenden Konten sollte auch vor dem Hintergrund, ob an den richtigen Empfänger befreiend gezahlt wird, sehr genau hingeschaut werden.