Dass sich das oberste Finanzgericht gegen die Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) stellt, ist nicht selten. Auch der BFH-Beschluss vom 4.9.2024 (XI R 25/2) ist ein Beispiel hierfür. Ausgangspunkt ist das BMF-Schreiben vom 17.12.2002 (IV A 6 – S 2176 – 47/02) zu Rückstellungen nach § 6a EStG bei wertpapiergebundenen Pensionszusagen.
Darin heißt es: „Der über die garantierte Mindestleistung hinausgehende Wert der Wertpapiere stellt darüber hinaus eine ungewisse Erhöhung des Pensionsanspruchs im Sinne des § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG dar. Eine Pensionsrückstellung kann folglich nur insofern gebildet werden, als der Versorgungsanspruch auf die garantierte Mindestleistung entfällt.“
Folge: Damit entfällt die Bildung einer Pensionsrückstellung, wenn es keine der Höhe nach garantierte Mindestleistung gibt. Was, verkürzt gesprochen, dem BFH-Beschluss zugrunde lag.
Der Fall vor dem BFH:
Geklagt hatte eine GmbH, die zwischen 2009 und 2012 ihren beiden Geschäftsführern und leitenden Angestellten wertpapiergebundene beitragsorientierte Versorgungszusagen erteilt hatte, die teilweise durch Entgeltumwandlung zustande kam, teilweise rein arbeitgeberfinanziert waren.
Die an den Versorgungsträger geleisteten Beiträge wurden als Anlagebetrag in Anlagefonds investiert. Die Versicherungsleistung bestand in einer lebenslang zu zahlenden Rente oder einer einmaligen Kapitalauszahlung, deren Höhe sich aus dem Fondswert bei Eintritt des Versorgungsfalls ergeben sollte. Der Fondswert entsprach dem Wert der auf die jeweilige Versicherung entfallenden Fondsanteile, die keinen Mindestwert garantiert und womit auch die Möglichkeit des Totalausfalls bestand. In den Versorgungszusagen war ausdrücklich festgelegt, dass bis zum Beginn der Versorgung das Kapitalanlagerisiko für das Deckungskapital allein beim Mitarbeiter lag.
Zu den Bilanzstichtagen 30.6.2011 und 30.6.2012 aktivierte die GmbH die Ansprüche aus den Rückdeckungslebensversicherungen und bildete in gleicher Höhe eine Pensionsrückstellung.
Und dann kam die Außenprüfung
Eine Pensionsrückstellung dürfe nur gebildet werden, wenn und soweit der Pensionsberechtigte einen Rechtsanspruch auf eine laufende oder einmalige Pensionsleistung habe. Das wäre zwar dem Grunde nach zu bejahen, es fehle jedoch an einem Rechtsanspruch der Höhe nach. Die Versorgungsleistungen hingen in vollem Umfang von dem Wert der Fonds ab. Folgerichtige änderte das Finanzamt die Bescheide zur Körperschaftsteuer zum Nachteil der GmbH ab. Dagegen wehrte sich die GmbH vor dem Finanzgericht und war damit teilweise erfolgreich, was wiederum das Finanzamt dazu brachte, den Streit zum BFH zu tragen.
Die Auffassung des BFH
Bildung einer Rückstellung dem Grunde nach – keine Mindestleistung erforderlich
Der BFH geht davon aus, dass die Annahme einer Pensionsverpflichtung i.S.v § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht erfordere, dass der aus der Versorgungszusage folgende Rechtsanspruch bereits im Zeitpunkt der Zusage eine bestimmte (Mindest-)Versorgung garantiert.
Begründung: Ein Rechtsanspruch auf eine einmalige oder laufende Pensionsleistung i.S.v § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG besteht auch bei wertpapiergebundenen Pensionsverpflichtungen ohne garantierte (Mindest-)Versorgung, wenn und soweit der Umfang dieser Verpflichtungen unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass sich die Höhe der zugesagten Leistungen nach dem bis zum Versorgungsbeginn ungewissen Wert der Fondsanteile bzw. Rückdeckungslebensversicherung richtet.
Bildung einer Rückstellung dem Grunde nach – arbeitsrechtlich zulässige beitragsorientierte Leistungszusage ist keine Voraussetzung von § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG
Die von der GmbH erteilten Zusagen enthielten keine Mindestleistung, und waren somit völlig volatil. Eine Ablaufleistung von 0 € wäre somit, auch für die durch Entgeltumwandlung finanzierten Zusagen, grundsätzlich möglich gewesen. Das steht der Definition einer beitragsorientierten Leistungszusage entgegen, deren Garantieniveau bereits zum Zeitpunkt der Umwandlung unmittelbar feststehen muss. Das war im Sachverhalt zwar nicht gegeben, hinderte aber die Bildung einer Rückstellung dem Grunde nach nicht, denn § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG stellt nicht auf das BetrAVG ab.
Bildung einer Rückstellung dem Grunde nach – künftiger Wert der Fondsanteile als Abhängigkeit der späteren Leistungen von künftigen gewinnabhängigen Bezügen?
Zwar darf nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 EStG für eine Pensionsverpflichtung nur dann eine Pensionsrückstellung gebildet werden, wenn die Pensionszusage keine Pensionsleistungen in Abhängigkeit von künftigen gewinnabhängigen Bezügen vorsieht. Zwar hängt die Höhe der Leistungen, bis zum Eintritt des Versorgungsfalls von der ungewissen weiteren Wertentwicklung der zugrunde liegenden Wertpapiere, die der Rückdeckung der erteilten Leistungszusage dienen, ab. Das ist aber nach Auffassung des BFH nicht der Fall, den § 6a Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 EStG meint. Die Vorschrift zielt auf gewinnabhängige Bezüge (zukünftige Tantiemen, Boni) ab und meint gerade nicht eine Gewinnabhängigkeit externer Quellen (Wertpapiere, Fondsanteile, Aktien).
Bildung einer Rückstellung dem Grunde nach – eindeutige Angabe zur Höhe trotz volatiler Ablaufleistung?
Die Bildung einer Pensionsrückstellung setzt voraus, dass die Pensionszusage schriftlich erteilt wird und eindeutige Angaben zu Art, Form, Voraussetzungen und Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen enthält. Auch diese Kriterien bejahte der BFH. Hinsichtlich der (ungewissen) Höhe der Leistungen, müsse diese nicht beziffert sein, sondern es sei ausreichend, das Volumen der Leistungen genau festzulegen –entweder als festen Betrag oder abhängig von definierten Bemessungsgrundlagen.
Abstriche bei der Bildung einer Pensionsrückstellung der Höhe nach
Der BFH macht aber Abstriche bei der Pensionsrückstellung der Höhe nach und formuliert, dass es nicht nur auf den Rechtsanspruch an sich, sondern auch auf dessen Umfang ankommt, was sich aus der Formulierung in § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG „wenn und soweit“ ergibt.
Neben der steuerlichen Nichtanerkennung und der steuerlichen (Voll-)Anerkennung kann es folglich auch zu einer steuerlichen Teilanerkennung von Pensionszusagen kommen, also einem in der Höhe beschränkten Ansatz der Rückstellung. Das ist zum Beispiel dann möglich, wenn unterschiedliche künftige Leistungen in Aussicht gestellt werden, etwa eine Altersversorgung, eine Hinterbliebenenversorgung und/oder eine Versorgung im Fall der Invalidität, und die in § 6a Abs. 1 EStG aufgezählten Voraussetzungen nicht in Bezug auf jedes (Teil-)Leistungsversprechen erfüllt sind. Auch „innerhalb“ eines bestimmten Leistungsversprechens ist eine Teilbarkeit vorstellbar und mit dem Wortlaut des Gesetzes zu vereinbaren. Zum Thema „Teilanerkennung“ wurde auf bAVheute schon berichtet.
Eine Pensionsrückstellung darf nach § 6a Abs. 3 Satz 1 EStG höchstens mit dem Teilwert der Pensionsverpflichtung angesetzt werden. Nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG gilt als Teilwert der Pensionsverpflichtung grundsätzlich der Barwert der künftigen Pensionsleistungen am Schluss des Wirtschaftsjahres abzüglich des sich auf denselben Zeitpunkt ergebenden Barwerts betragsmäßig gleich bleibender Jahresbeträge.
Bei wertpapiergebundenen Zusagen (Abhängigkeit der Versorgungsleistungen von künftigen ungewissen Ereignissen) sind für die Bestimmung der „künftigen Pensionsleistungen“ die zum Bilanzstichtag bestehenden Wertverhältnisse (Marktwert der Wertpapiere am Bilanzstichtag) zugrunde zu legen, die geringer ausfielen als von der GmbH erklärt.
Fazit
Der Beschluss des BFH ist in seiner Formulierung sehr allgemein gehalten, und kann bzw. sollte auch für andere Konstellationen einer wertpapiergebundenen Pensionszusage beachtet werden. Dadurch, dass der BFH bei der Höhe der zu bildenden Rückstellung anders als das BMF nicht vom garantierten Wert, sondern vom Marktwert am Bilanzstichtag ausgeht, dürfte das im Ergebnis in einigen Fällen zu höheren Rückstellungen führen.