Am 30.9.2024 wurde der lang erwartete Referentenentwurf aus dem Bundesfinanzministerium zur Stellungnahme an die Verbände gesandt. Mit dem Rentenpaket II und dem BRSG II – beide aus dem Bundesarbeitsministerium – ist damit die Trias der Altersvorsorge, die noch in dieser Legislatur verabschiedet werden soll, vollständig. Das pAV-Reformgesetz erstreckt sich auch auf die bAV.
Das Baukastenmodell der neuen geförderten Altersvorsorge
Wie im Baukastensystem soll es drei Modelle in der Anwartschaftsphase und drei Modelle in der Rentenphase geben, die sich nach Kundenwunsch miteinander kombinieren lassen. In der Anwartschaftsphase kann sogar alle fünf Jahre kostenfrei der Anbieter (und damit das Modell) gewechselt werden – nicht geregelt ist, ob der neue Anbieter Zusatzkosten z. B. in Form einer Courtage oder eines Agios erheben darf. Bis drei Monate vor Beginn der Rentenphase kann sich der Kunde für „sein“ Rentenmodell entscheiden. Die Liste und Definition der alten und neuen Möglichkeiten der geförderten Altersvorsorge finden sich im § 1 Altersvorsogeverträge-Zertifizierungsgesetz-E (AltZertG).
Nicht alle Anbieter müssen dabei jede Option anbieten, sondern durch die Wechseloption kann der Kunde eine Option, die der aktuelle Anbieter nicht bietet, bei einem anderen Anbieter realisieren.
Die 3,5 Möglichkeiten in der Anwartschaftsphase:
- Produktkategorie 1 „Garantieprodukt“
- Garantieprodukt mit 100 % Garantie mit hoher nominaler Sicherheit
- Garantieprodukt mit 80 % Garantie mit mehr Renditechance und moderatem Risiko für den Zulageberechtigten
- Produktkategorie 2 „Altersvorsorgedepot ohne Garantie“
- Ein Altersvorsorgedepot ohne jegliche Garantie. Mit einem abschließenden Positivkatalog an Anlagemöglichkeiten.
- Das Altersvorsorgedepot in der besonderen Ausprägung als Referenzdepot, das ein einfach strukturiertes Altersvorsorgedepot mit OGAW- Investmentfonds darstellt und einschränkende Vorgaben zu den Risikoklassen der Fonds enthält, d. h. ein einfacher Sparplan mit reduzierten Wahlrechten. Der Entwurf geht davon aus, dass das Referenzdepot sich inbes. für den (beratungsarmen) Online-Abschluss eignet.
Das Altersvorsorgedepot kann auch von Lebensversicherern als fondsgebundene Lebensversicherung angeboten werden.
Die drei Möglichkeiten der Rentenphase sind:
- Eine klassische Rente mit gleichbleibenden und gegebenenfalls steigenden Renten,
- Eine Rente, bei der nur 80 % des Kapitals klassisch verrentet werden (Sockelrente), und der Rest am Kapitalmarkt angelegt wird und dadurch eine variable lebenslange Zahlung hinzukommt.
- Ein Auszahlplan bis zum 85. Lebensjahr (ohne Restverrentung. Mit 85 ist Schluss!)
Es bleibt dabei, dass max. 30 % des gebildeten Kapitals zu Beginn der Auszahlungsphase ausgezahlt werden können.
Weitere Produktmerkmale
Anhebung der Altersgrenze von 62 auf 65 Jahre.
Alle Produkte werden nur auf die Altersvorsorge fokussiert. Also keine Absicherung bei Berufs- oder Erwerbsminderung, keine Hinterbliebenenversorgung. Nur eine 10-jährige Rentengarantiezeit für Ehegatten und kindergeldberechtigte Kinder ist noch möglich. Das soll der Standardisierung und damit der Vergleichbarkeit dienen.
Wohnriester wird optional und umfangreich überarbeitet und gestrafft.
Der Zulageberechtigte darf gleichzeitig maximal zwei Verträge besparen. Die beiden Verträge dürfen nicht der gleichen Produktkategorie angehören, also ein Altersvorsorgedepot und ein Garantieprodukt.
Wer und wieviel?
Der Personenkreis, der gefördert wird, sind inländisch in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte. Ihnen gleichgestellt sind aus europarechtlichen Gründen auch Pflichtmitglieder in einem ausländischen gesetzlichen Alterssicherungssystem (also z. B. Grenzgänger), die im Beitragsjahr unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig sind oder so behandelt werden. Es bleibt bei der mittelbaren Zulageberechtigung von Ehegatten nach § 79 Satz 2 EStG. Selbständige bleiben mit Blick auf die geplante Reform (Pflichtversicherung) außen vor.
Die maximale Förderhöhe beträgt:
- 2026–2029 bis zu 3.000 Euro
- ab 2030 bis zu 3.500 Euro
Dieser Höchstbetrag für den Sonderausgabenabzug gilt künftig nur für die Eigenbeiträge. Der Zulagenanspruch erhöht den Höchstbetrag entsprechend. Der Eigenbeitrag beträgt künftig 120 Euro pro Jahr (statt 60 Euro).
Es gibt verschiedene Zulagen, die kumuliert werden können:
- Die Grundzulage beträgt 20 % des Höchstförderbetrags.
- Zulageberechtigte, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, bekommen einen Zuschlag von 200 Euro auf die Grundzulage für max. drei Beitragsjahre.
- Für Zulageberechtigte, die im Beitragsjahr nicht mehr als 26.250 Euro verdienen, erhöht sich die Grundzulage um 175 Euro.
- Die Kinderzulage beträgt für jedes Kind des Zulageberechtigten 25 % des Höchstförderbetrags, maximal 300 Euro pro Kind.
Beispiel:
Teilzeitbeschäftigte, Alter 22, die 24.000 Euro pro Jahr verdient, mit zwei Kindern, für die das Kindergeld für sie festgesetzt wurde, erhält und 1.200 Euro in einen geförderten Vertrag einbringt:
- 1.200 Euro Eigenbeitrag
- 1.040 Euro Förderung:
- 20 % = 240 Euro
- 200 Euro für die ersten 3 Jahre
- 600 Euro für beide Kinder
Der Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG bleibt weiterhin. Er wird aus der Summe der Eigenbeiträge und der zustehenden Zulagen berechnet. Es bleibt bei der Günstigerprüfung zwischen Zulagenförderung und Sonderausgabenabzug.
Kosten, Produktinformationsblatt und digitale Vergleichsplattform
Die Kosten stehen im Fokus der Neuregelung: Um die Vergleichbarkeit hinsichtlich der Kosten zu erhöhen, wird der Fokus zukünftig auf die Höhe der gesamten Kosten in der Ansparphase gelegt. Dazu müssen Anbieter die Effektivkosten nach europäischen Vorgaben ermitteln. Damit wird auch eine Vergleichbarkeit mit Vorsorgeverträgen ermöglicht, die nicht steuerlich gefördert werden. Ab Beginn der Auszahlungsphase müssen Anbieter Kosten wie bisher als Prozentsatz der gezahlten Leistung ausweisen.
Das Produktinformationsblatt (PIB) für Altersvorsorgeverträge wird neu geregelt. Sie gelten zukünftig nur noch für geförderte Altersvorsorgeverträge, nicht mehr für Basisrenten, für die die sonstigen vorvertraglichen Informationspflichten zum Tragen kommen. Das neue Produktinformationsblatt soll sich auf die wesentlichen Vertragsinformationen beschränken und durch die Aushändigung des individuellen PIB soll die Transparenz für die Kunden erhöht werden. Auch die jährlichen Informationspflichten werden der neuen Produktwelt angepasst.
Es wird für die Kunden eine kostenlos zugängliche, unabhängige, digitale Vergleichsplattform aufgebaut. Alle Anbieter neuer förderfähiger Produkte sind anbindungspflichtig. Die Plattform wird von der BaFin betrieben und letztlich von den Anbietern finanziert.
Als Datenbasis dienen die für die Anbieter ohnehin verpflichtenden vorvertraglichen Informationen vor allem zu den Kosten und Risiken der Produkte. Durch die Filter-, Sortier- und Suchfunktionen auf der Plattform gewinnen diese Informationen gegenüber der bisherigen dezentralen Bereitstellung an Aussagekraft und Entscheidungsrelevanz. Die Vergleichsplattform kann künftig auch für Beratungen zur zusätzlichen Altersvorsorge genutzt werden. Bereits vorhandene Angebote wie die kostenlose Beratung der Deutschen Rentenversicherung Bund, die Digitale Rentenübersicht für bereits erworbene individuelle Vorsorgeansprüche oder Beratungen der Verbraucherzentralen können durch die Plattform ergänzt und erleichtert werden.
Übergangsregelung für Altverträge Riester, die vor dem 1.1.2026 abgeschlossen wurden
Es gelten die bis zum 31.12.2025 geltenden Förderregelungen für Altverträge weiter.
Für Altverträge wird der Sonderausgaben-Höchstbetrag auf 3.500 Euro (bisher: 2.100 Euro) angehoben. Der neue Höchstbetrag soll schon ab dem Veranlagungszeitraum 2025 gelten. Für den Mindesteigenbeitragsberechnung bleibt es hingegen bei 2.100 Euro.
Wechseloptionen von alt nach neu:
- Im Einvernehmen zwischen Anbieter und Zulageberechtigten kann entweder auf die Restverrentung ab dem 85. Lebensjahr verzichtet werden oder eine förderunschädliche Übertragung auf ein Produkt nach neuer Systematik erfolgen.
- Der Zulageberechtigte kann auch in der Anwartschaftsphase einmalig für die Zukunft für die neue Förderung optieren. Dies gilt dann für alle Verträge des Zulageberechtigten. Bei mittelbar Zulageberechtigten müssen beide Ehegatten.
Betriebliche Altersversorgung
Es können Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung gefördert werden, wenn diese den neu zertifizierten Garantieprodukten nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2-4 AltZertG-E entsprechen (80 und 100% Garantie).
Das bedeutet das auch dort künftig Produkt ohne lebenslange Altersleistung abgeschlossen werden können: es können auch in der bAV wahlweise eine lebenslange Rente oder ein Auszahlplan bis zum 85. Lebensjahr angeboten werden.
Übrigens: Sollte der Gesetzgeber in der bAV damit ein Garantieniveau von 80% einführen, hätte dies möglicherweise auch Indizwirkung z.B. für das Garantieniveau einer beitragsorientierten Leistungszusage.
Der Bestandsschutz für Altverträge vor dem 1.1.2026 gilt auch vollumfänglich für die betriebliche Altersversorgung.
Und der Berater / Vermittler?
Der Referentenentwurf enthält keine Einschränkungen z.B. in Form einer Deckelung der Courtage. Der Entwurf adressiert sogar ausdrücklich die Beratung und Beratungsstandards und anerkennt daher die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Beratung.
Der Gesetzentwurf geht dabei davon aus (S. 92), dass schon geltenden Beratungsvorschriften und Sorgfaltspflichten des Anbieters bzw. des Vertriebs ausreichend sind. Je nach Produktart muss der Berater / Vermittler natürlich über eine entsprechende Zulassung verfügen.
Die erste Entscheidung ist die über ein Garantieprodukt oder ein Altersvorsorgedepot. Bei der Durchführung der Vermögensanlage über das neu eingeführten Altersvorsorgedepots kann entweder der Altersvorsorgende die Anlageentscheidung treffen oder er entscheidet sich für einen Anbieter, der das im Rahmen eines gemanagten Portfolios anbietet. Für die Beratung zum Altersvorsorgedepot soll weiter die Geeignetheitsprüfung nach Wertpapierhandelsgesetz gelten. Für Lebensversicherungsprodukte ist durch eine Ergänzung des § 7c VVG-E künftig eine entsprechende Geeignetheitsprüfung in der Beratung vorgeschrieben. Dazu gehört auch nach § 6 Abs. 4 VVG die anlassbezogene Beratungspflicht während der Laufzeit.
Zeitplan und Inkrafttreten
Die Verbände können bis zum 18.10.2024 Stellungnahmen einreichen. Das Kabinett soll am 13.11.2024 den Regierungsentwurf beschließen. Das Gesetz wird voraussichtlich frühestens nach dem BRSG II im Bundestag verabschiedet werden. Damit ist im Mai/Juni – also kurz vor Ende der Legislatur – zu rechnen.
Das Gesetz ist zustimmungspflichtig.
Die Neuordnung der geförderten Altersvorsorge soll zum 1.1.2026 in Kraft treten. Die Änderungen zu „Wohnriester“ und die digitale Vergleichsplattform sollen zum 1.1.2027 kommen mit Rücksicht auf die technischen Möglichkeiten der Finanzverwaltung.