In der betrieblichen Altersversorgung (bAV) bedeuten die andauernde Niedrigzinsphase und die Absenkung des Höchstrechnungszins auf 0,25 % den Abgesang der Beitragszusage mit Mindestleistung. Denn die Beitragsgarantie ist – wie Teil 1 dieser Artikelreihe zeigt in den versicherungsförmigen Durchführungswegen aktuariell nicht mehr darstellbar.
Damit wird die beitragsorientierte Leistungszusage (BoLz) nun zur wichtigsten Zusageform. Denn Gesetz und Rechtsprechung kennen für die BoLz keine garantierte Mindestleistung oder eine garantierte Mindestverzinsung.
Wann eine BoLz vorliegt
Die beitragsorientierte Leistungszusage ist nach dem Betriebsrentengesetz (§ 1 Absatz 2 Nummer 1 BetrAVG) eine Umwandlung von (zugesagten) Beiträgen in eine (zugesagte) Leistung. Die Rechtsprechung (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.8.2016, 3 AZR 361/15) hat genauer ausgelotet, wann eine beitragsorientierte Leistungszusage vorliegt.
Für die Praxis hat der Arbeitsrechtler Dr. Uwe Langohr-Plato dies in einem Fachbuch analysiert und aufbereitet.
- Es reicht nicht aus, eine Zusage „beitragsorientierte Leistungszusage“ zu nennen. Das Gesetz stellt auch „inhaltliche“ Anforderungen.
- Es muss nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts bereits bei der Umwandlung der Beiträge in eine bAV-Anwartschaft unmittelbar feststehen, welche Anwartschaft auf künftige Versorgungsleistungen ein Arbeitnehmer durch die Umwandlung der Beiträge im Versorgungsfall mindestens hat (Unmittelbarkeits-Erfordernis).
- Zur Mindestleistung, zu deren Höhe das Bundesarbeitsgericht keine Aussage trifft, dürfen „on top“ in den versicherungsförmigen Durchführungswegen, die unter Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht (BaFin) stehen, noch Erträge und Überschüsse kommen.
- Die Altersvorsorge muss bei einer beitragsorientierten Leistungszusage für den Arbeitnehmer planbar sein. Dazu gehört, dass er bei der BoLz unmittelbar seine Mindestleistung im Versorgungsfall kennt und das Anlagerisiko dadurch nicht vollständig auf ihn übertragen wird.
- Direktversicherungen und bAV-Produkte mit einer abgesenkten Beitragsgarantie können zur Finanzierung einer bAV in Form einer BoLz verwendet werden. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen stimmen:
- In der Zusage und in den damit zusammenhängenden versicherungs-vertraglichen Dokumenten (Direktversicherung) sollte inhaltlich sehr deutlich gemacht werden, dass es auf die Umwandlung von Beiträgen in eine Leistung ankommt. Die Mindestleistung, zum Beispiel in Form der garantierten Mindestrente, wird ausgewiesen und steht im Vordergrund.
- Langohr-Plato weist auch darauf hin, dass der Versicherungsvertrag, mit dem die Zusage letztlich kongruent ausfinanziert wird, auch „störfalltauglich“ sein muss. Auch bei einer vorzeitigen Beitragsfreistellung („Störfall“) darf die Garantie nicht vollständig entfallen. Das zeige auch das sogenannte Zillmerurteil von 2009 (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.9.2009, 3 AZR 17/09).
- Je geringer die garantierte Versicherungsleistung ist, desto höher ist die Gefahr, dass die Arbeitsgerichtsbarkeit dies beanstandet. Aufgrund der aktuellen Kapitalmarktsituation ist eine Mindestrente, deren Berechnung auf einem garantierten Beitragserhalt von 70 bis 90 % der Beiträge beruht – so Langohr-Plato – angemessen.
Auch ein negativer Kalkulationszins kann angemessen sein
Die Deutsche Aktuarvereinigung e. V. (DAV) weist in einem Ergebnisbericht zu Garantien in der bAV im Niedrigzinsumfeld darauf hin, dass mit dem ab 1.1.2022 geltenden Rechnungszins von 0,25 % eine Beitragszusage mit Mindestleistung nicht mehr kalkulierbar ist. Zusätzlich gelten aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Tarifkalkulation insbesondere in den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds. Die Aktuare kommen daher zu dem Schluss, dass auch ein negativer Kalkulationszins angemessen sein kann, wenn er zur dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aktuariell erforderlich ist.
Dass die Aktuare den Garantiezins sehr vorsichtig ansetzen müssen, bestätigt die BaFin, die zum Beispiel bereits im März 2020 im BaFin-Journal titelte: „Verantwortung ernst nehmen“. Die Aufsichtsbehörde rief die verantwortlichen Aktuare auf, den Höchstrechnungszins nicht „unreflektiert“ als Garantiezins ins Neugeschäft zu übernehmen.
Produktgeber kann nur noch sehr vorsichtig kalkulieren
Zusammenfassend lässt sich sagen: Aktuariell kann und darf der Produktgeber im jetzigen Zinsumfeld nur noch sehr vorsichtig kalkulieren. Dadurch sinkt letztlich die mögliche garantierte Leistung unter das Niveau des Bruttobeitragserhalts. Arbeitsrechtlich kann das bei einer – richtig gemachten – beitragsorientierten Leistungszusage zulässig sein. Für den Kunden kann das – wie Teil 1 des Beitrags gezeigt hat – bedarfsgerecht sein, auch dann, wenn der Kunde sicherheitsorientiert ist.
Teil 1 dieser Artikelreihe beschäftigte sich mit aufsichtsrechtlichen Aspekten der Absenkung des Rechnungszinses. Dargestellt wurde, dass mit einem Höchstrechnungszins von unter 0,9 % ein Beitragserhalt, selbst wenn die Abschluss-Vertriebskosten wegfallen, nicht mehr möglich ist.
Teil 3 behandelt arbeitsrechtliche Implikationen der Entwicklung. Erörtert werden die Frage der Wertgleichheit und Informationspflichten gegenüber den Beschäftigten.
Dieser Artikel ist im Original im VersicherungsJournal erschienen und wurde für bAVGenau! an die zwischenzeitliche Entwicklung bzgl. des Höchstrechungszins angepasst.