Die Urteilsgründe des höchsten deutschen Arbeitsgerichts liegen jetzt vor.
Die Frage, ob eine anderweitige Arbeitgeberleistung den gesetzlich verpflichtenden Zuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG erfüllen kann, ist für viele Arbeitgeber wichtig. Dabei kann zwischen der Einzahlung einer anderweitigen Arbeitgeberleistung in die Direktversicherung zur möglichen Erfüllung des gesetzlichen Zuschusses und der Anrechnung der Leistung darauf unterschieden werden. Auf die Urteilsgründe des BAGs zum Verfahren 3 AZR 158/24 wurde mit Spannung gewartet.
Der Fall vor dem BAG
- Die Arbeitnehmerin wandelte seit 1.1.2022 Entgelt in Höhe von 70 Euro zugunsten einer Direktversicherung um.
- Darauf leistete der Arbeitgeber zunächst den Pflichtzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG nicht.
- In einer Betriebsvereinbarung war eine Geldleistung i. H. v. 40 Euro vorgesehen, die unterschiedlich genutzt werden konnte, u. a. auch für vermögenswirksame Leistungen (VL).
- Die Arbeitnehmerin nutzte 2022 die VL.
Im März 2023, und damit rückwirkend zum 1.1.2022, einigten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmerin einvernehmlich, dass diese 40 Euro in eine bAV umgewidmet werden. Die 40 Euro wurden in den gleichen Direktversicherungsvertrag wie die Entgeltumwandlung (70 Euro) eingezahlt und dies dem Versicherer in einer von der Arbeitnehmerin unterzeichneten Änderungsmitteilung vom 14.3.2023 auch mitgeteilt.
Die Arbeitnehmerin wollte erreichen, dass die 70 Euro mit 15 % (10,50 Euro) bezuschusst werden, während der Arbeitgeber der Auffassung war, dass die 40 Euro den Zuschuss bereits (über)erfüllten.
Das Urteil des BAG
Ehemalige Arbeitnehmerin hat einen Anspruch auf 10,50 Euro
Das BAG geht in seiner Urteilsbegründung gewohnt systematisch vor und stellt zunächst fest, dass die ehemalige Arbeitnehmerin einen Anspruch auf den gesetzlichen Zuschuss in Höhe von 15 % ihres umgewandelten Entgelts nach § 1a Abs. 1a BetrAVG hat.
Der Arbeitgeber hat diesen Anspruch durch Zahlung der 40 Euro in die Direktversicherung erfüllt.
Der Anspruch auf die 10,50 Euro (15 % aus 70 Euro) ist gemäß § 362 Abs. 1, Abs. 2 BGB durch Zahlung von 40 Euro als „Arbeitgeberzuschuss 36,4 %“ in die Direktversicherung der ehemaligen Arbeitnehmerin erloschen.
Bei der Frage, wann und unter welchen Umständen der Anspruch eines Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Zuschuss durch den Arbeitgeber erfüllt wird, stellt das BAG auf rein objektive Kriterien ab. Es reicht, wenn der vom Arbeitgeber geschuldete Betrag in die Direktversicherung eingezahlt wird. Die Erfüllung des Anspruchs tritt dann als objektive Folge der Leistungsbewirkung ein.
Keine Vereinbarung notwendig
Wird die Leistung durch die zuvor beschriebene Einzahlung bewirkt und tritt damit Erfüllung ein, so ist nach Auffassung des BAGs keine darüber hinausgehende Vereinbarung notwendig. Aus § 1a Abs. 1a BetrAVG ergibt sich nichts anderes. Die Norm verpflichtet den Arbeitgeber lediglich zur „Weiterleitung“ des ersparten Arbeitgeberanteils an den Sozialversicherungsbeiträgen an die durchführende Versorgungseinrichtung.
Zahlung in die Direktversicherung zur Erfüllung eines anderen Anspruchs der ehemaligen Arbeitnehmerin erfüllt den Anspruch nach § 1a Abs. 1a BetrAVG
Der Eignung der überwiesenen Beträge zur Erfüllung des Anspruchs der ehemaligen Arbeitnehmerin aus § 1a Abs. 1a BetrAVG steht nicht entgegen, dass sie zur Erfüllung eines anderen Anspruchs (VL) erbracht worden wären. Es kommt auf die Einzahlung in die Direktversicherung an. Die Erfüllung des Anspruchs tritt dann als objektive Folge der Leistungsbewirkung ein. Dies gilt auch für einen Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG.
Anrechnung anderweitig erbrachter Leistungen auf § 1a Abs. 1a BetrAVG bleibt offen
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen anderweitige Leistungen des Arbeitgebers auf den Anspruch aus § 1a Abs. 1a BetrAVG „angerechnet“ werden können, hat das BAG aber bewusst offengelassen. Das BAG konnte dies auch offenlassen, weil es auf die Frage insofern nicht ankam, als eine Zahlung in die Direktversicherung tatsächlich erfolgt war. Schade ist das aber schon, weil die Meinung des BAGs zur „Anrechenbarkeit“ wichtig gewesen wäre.
Übererfüllung des Anspruchs nach § 1a Abs. 1a BetrAVG ist unerheblich – 10,50 Euro stecken in 40 Euro drin
Für die Frage, ob es darauf ankommen kann, dass mit der Zahlung von 40 Euro der verpflichtende Zuschuss von 10,50 Euro nicht exakt getroffen wurde, und es damit sein könnte, dass dadurch keine Erfüllung eingetreten sein könnte, meinte das BAG lediglich: unerheblich. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, zusätzliche Zuschüsse zu erbringen. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen gehen immer.
Änderungsmitteilung bezeichnete die umgewidmete VL als „Arbeitgeberzuschuss“
Schon in der mündlichen Verhandlung stellte der Senat auf den Inhalt der Änderungsmitteilung an den Versicherer vom 14.3.2023 zur Umwidmung der VL in eine bAV ab, die im Übrigen von der ehemaligen Arbeitnehmerin auch unterschrieben worden war.
Das BAG stellt in den Urteilsgründen nochmals fest, dass die 40 Euro in der Änderungsmitteilung ausdrücklich als Arbeitgeberzuschuss bezeichnet worden sind. Damit lässt sich für die 70 Euro monatlich übersteigenden Zahlungen in die Direktversicherung keine andere Leistungsbestimmung entnehmen als die Zahlung als Arbeitgeberzuschuss. Anhaltspunkte dafür, dass ein anderer Leistungszweck gemeint war, gibt es nicht.

