Es war durch ein Urteil des OLG Köln (20 U 75/18) aus 2019 schon zu vermuten, dass der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO sehr weitreichend und nahezu umfassend ist. Das dies so ist, wurde jetzt durch ein Urteil des BGH vom 15.6.2021 (VI ZR 576/19) bestätigt.
Der Kläger schloss 1997 eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab. Diesen Vertrag wollte der Kläger rückabwickeln und legte im Januar 2016 Widerspruch gegen das Zustandekommen ein und wollte die Rückzahlung der Prämien in Höhe von 3.080,93 Euro erreichen. Das Versicherungsunternehmen wies diesen Widerspruch zurück worauf der Kläger den Auskunftsanspruch (damals noch gestützt auf § 34 Bundesdatenschutzgesetz) geltend machte, worauf der Versicherer dem Kläger eine entsprechende „Datenübersicht nach § 34 BDSG“ übersandte.
Dem Kläger genügte dies nicht. Er hielt die Auskunft für unvollständig und verlangte Auskunft, nach den nunmehr geltenden Art. 15 Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO), insbesondere über:
- sämtliche bei der Beklagten tatsächlich über den Kläger vorhandene Daten.
- einschließlich der internen Daten zur Person des Klägers und
- der mit ihm gewechselten Korrespondenz (einschließlich E-Mails),
- der internen Telefon- und Gesprächsnotizen und sonstigen internen Vermerke und
- der internen Bewertungen der Beklagten zu den Ansprüchen des Klägers aus der Versicherungspolice.
Auch dem Anspruchsberechtigten bekannte Informationen sind vom Auskunftsanspruch umfasst
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs umfasst der Auskunftsanspruch auch diejenigen Informationen, die dem Anspruchsberechtigten bekannt sind wie zum Beispiel
- Zweitschriften,
- Nachträge zum Versicherungsschein oder
- Prämienzahlungen.
Ausnahmen bei Provisionszahlungen und interner rechtlicher Bewertung des Versicherers
Die Grenze zieht der BGH allerdings bei Provisionszahlungen des Versicherers und auch bei der Beurteilung der Rechtslage durch den Versicherer in einem Streitfall. In beiden Fällen sieht er diese Informationen nicht durch den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO mitumfasst und begründet seine Auffassung in diesen beiden Fällen mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
Dieser geht bei rechtlichen Analysen zwar davon aus, dass diese personenbezogene Daten enthalten können. Die auf der Grundlage dieser personenbezogenen Daten vorgenommene Beurteilung der Rechtslage selbst sei aber keine Information über den Betroffenen und damit kein personenbezogenes Datum.
Ebenso verhält es sich bei den Provisionszahlungen des Versicherers. Auch hier verneint der Bundesgerichtshof einen Auskunftsanspruch aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
Fazit:
- Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass es so gut wie keine Informationen gibt, die vom Auskunftsanspruch nach Art. 15 Datenschutzgrundverordnung verschont bleiben. Das bedeutet, dass alles – auch und vor allem interne Notizen – durch den Datenschutzauskunftsanspruch zutage gefördert werden kann. Es sollte also spätestens jetzt sehr streng darauf geachtet werden, was alles und in welcher Form dokumentiert wird.
- Der Auskunftsanspruch wird immer mehr zum Standard, um Beweise für die Vorbereitung einer Klage „zu sichern“.
- Es ist in diesem Zusammenhang auch keine Lösung eine Information nicht zu liefern, weil man glaubt, dass diese sich später nachteilig auswirkt. Diese nichtgelieferte Information ist dann nämlich für den weiteren Verlauf eines Gerichtsprozesses „verbrannt“.
- Im aktuell entschiedenen Fall ging es um eine Klage des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer im Privatbereich. Das Urteil ist aber auch ohne Abstriche für Verträge zur betrieblichen Altersversorgung, insbes. Datenschutzauskünfte des Arbeitnehmers (= Versicherte Person) gültig. Darüberhinaus entfaltet das Urteil für alle Auskunftsansprüche, egal in welcher Branche, Wirkung.
- Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist das Urteil damit nicht nur für Versicherer, sondern auch für Versicherungsmakler/Vermittler und Arbeitgeber von hoher Bedeutung.