Die Praxis ist (hoffentlich!) zurzeit intensiv dabei, für schon bestehende Zusagen in den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss zu installieren. Denn am 1.1.2022 läuft die Übergangsfrist nach § 26a BetrAVG ab. Dann müssen alle bestehenden Entgeltumwandlungen vom Arbeitgeber mit 15 % bezuschusst werden, soweit eine Sozialversicherungsersparnis vorliegt und – und da beginnt die rechtliche Unsicherheit – ein Tarifvertrag nichts Abweichendes regelt.
Leider lässt die gesetzliche Regelung im § 1a Abs. 1a BetrAVG und die Übergangsregelung nach § 26a BetrAVG viele Fragen offen. Eine Frage ist, wann Tarifverträge was regeln können und ob die Regelung älterer Tarifverträge, die gar keinen Zuschuss vorsehen, wirksam ist.
Nun hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 31.5.2021, 15 Sa 1096/20B; Parallelentscheidung 15 Sa 1098/20) einen ersten Fall zu beurteilen, wo der Arbeitnehmer, der schon einen Zuschuss des Arbeitgebers aufgrund einer tarifvertraglichen Regelung bekam, gerne noch zusätzlich den gesetzlichen Zuschuss erhalten wollte. Das sahen die Arbeitsrichter allerdings anders.
Der Fall im Überblick
Der Tarifvertrag aus dem Jahr 2008 sah einen Altersvorsorgegrundbetrag in Form einer Entgeltumwandlung vor. Eine Barauszahlung war nicht möglich. Der Beschäftigte konnte zusätzlich eine Entgeltumwandlung abschließen. Das nahm der Beschäftigte an und wandelte seit 1.1.2019 selbst Entgelt um und bekam zusätzlich den Altersvorsorgebetrag.
Er klagte vor dem Arbeitsgericht, weil er für seine eigene Entgeltumwandlung den gesetzlichen Zuschuss nach § 1a (1a) verlangte. Ein Tarifvertrag, der vor dem In-Kraft-Treten des gesetzlichen Arbeitgeberzuschusses abgeschlossen worden sei, könne nicht zu Ungunsten der Beschäftigten von der der neuen Regelung abweichen. Im Übrigen sei auf den Abschluss der individuellen Entgeltumwandlungsvereinbarung abzustellen – beides Punkte, die rechtlich ungeklärt sind.
Das Landesarbeitsgericht ließ offen, ob ältere Tarifverträge, die vor der gesetzlichen Regelung nach §1a Absatz 1a BetrAVG geschlossen wurden, tatsächlich wirksam den gesetzlichen Zuschuss abbedingen können oder ob auf den Abschluss der individuellen Entgeltumwandlungsvereinbarung abzustellen ist. Es stellte darauf ab, dass der Arbeitgeber tarifvertraglich schon einen – höheren – Zuschuss zahlt. Und das ist so das Gericht dann eben ausreichend.
Der Fall im Detail
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind tarifgebunden. Es findet unter anderem der Tarifvertrag zur Altersversorgung zwischen dem Landesverband Niedersachsen und Bremen Industrie eV und der IG-Metall vom 9.12.2008 (TV AV) Anwendung.
Der TV AV sieht vor, dass jeder Arbeitgeber nach der Probezeit innerhalb von drei Monaten den neu eintretenden Beschäftigten den arbeitgeberfinanzierten Altersvorsorgegrundbetrag anbieten muss. Dieser Altersvorsorgegrundbetrag dient der Entgeltumwandlung. Eine Barzahlung ist ausgeschlossen. Jeder Beschäftigte kann darüber hinaus bis zur steuerlichen Höchstgrenze des § 3 Nr. 63 EStG Entgelt umwandeln.
Der klagende Beschäftigte nutzt seit dem 1.1.2019 die betriebliche Altersversorgung und zahlt monatlich 86,83 Euro im Wege der Entgeltumwandlung in einen Pensionsfonds. In diesem Beitrag ist der Altersvorsorgegrundbetrag i. H. v. 36,83 Euro (2020: 37,79 Euro) enthalten.
Der Beschäftigte verlangt, dass er für den Betrag, der den Altersvorsorgegrundbetrag übersteigt einen Zuschuss gemäß § 1a Abs. 1a BetrAVG in Höhe von 15 % des umgewandelten Entgelts erhält.
Das Arbeitsgericht Osnabrück war der Argumentation des Arbeitgebers gefolgt, dass nach der Übergangsvorschrift des § 26a BetrAVG ein Zuschuss frühestens ab dem 1.1.2022 verlangt werden könne. Maßgeblich sei, dass der Tarifvertrag vor dem 1.1.2019 abgeschlossen worden sei.
Der klagende Beschäftigte sah allerdings für die Anwendung der Übergangsregelung den Zeitpunkt des Abschlusses der individualrechtlichen Entgeltumwandlungsvereinbarung als maßgeblich an. Er argumentierte, dass der TV AV keine nach § 19 BetrAVG zulässige abweichende Regelung zu § 1a Abs. 1a BetrAVG regeln könne. Von dieser Regelung könne zu Ungunsten der Arbeitnehmer nur durch Tarifverträge abgewichen werden, die nach In-Kraft-Treten des § 1a Abs. 1a BetrAVG geschlossen wurden.
Das Urteil im Detail
Das Landesarbeitsgericht ließ zwei für die Praxis wichtige Fragen offen,
- ob nämlich für die Anwendbarkeit der Übergangsregelung gemäß § 26a BetrAVG auf den Zeitpunkt des Abschlusses des TV AV oder denn des Abschlusses der Individualvereinbarung über die Entgeltumwandlung abzustellen ist und
- ob gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG durch bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung des § 1a Abs. 1a BetrAVG bestehende Tarifverträge zum Nachteil der Arbeitnehmer in den Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Arbeitgeberzuschusses eingegriffen werden kann.
Das Landesarbeitsgericht sah die Zahlung des gesetzlichen Arbeitgeberzuschusses schon durch die Zahlung des Altersvorsorgegrundbetrags als erfüllt an.
Es argumentierte, dass bereits aufgrund eines bestehenden Entgeltumwandlungssystems zu gewährende Zuschüsse auf den Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG anzurechnen seien. Das Wort „soweit“ in § 1a Abs. 1a BetrAVG (und § 23 Abs. 2 BetrAVG) sei bei einer Anspruchskonkurrenz zwischen dem tarifvertraglichen Zuschussanspruch und dem gesetzlichen Zuschuss nach den in § 19 BetrAVG vorgegebenen Regeln aufzulösen.
Denn die Intention der gesetzlichen Zuschussregelung sei ausschlaggebend. Der Zuschussanspruch gemäß § 1a Abs. 1a BetrAVG bestehe nur, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge erspart. Er ist danach verpflichtet diesen Vorteil an den Arbeitnehmer, der Entgeltumwandlung betreibt als zusätzlichen Anreiz weiterzureichen. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung aufgrund einer bereits bestehenden tariflichen Regelung nach, bestehe kein Anlass, ihm weitere Verpflichtungen aufzuerlegen.
Bei dem Altersvorsorgegrundbetrag handelt es sich nach der Überzeugung des Gerichts um einen Arbeitgeberzuschuss zur betrieblichen Altersversorgung. Jede Zahlung, die der Arbeitgeber im Hinblick auf die Verwendung des Entgelts des Arbeitnehmers zum Zwecke der Bildung einer Altersversorgung zusätzlich zahlt, sei ein Arbeitgeberzuschuss.
Der Altersvorsorgegrundbetrag übersteigt auch der Höhe nach die Höhe des gegebenenfalls nach § 1a Abs. 1a BetrAVG geschuldeten Arbeitgeberzuschusses. Denn nach der Berechnung des Klägers beträgt der Zuschuss für 2019 7,50 Euro monatlich und für 2020 7,36 Euro monatlich, wohingegen der Altersvorsorgegrundbetrag für 2019 36,83 und für 2020 37,79 Euro betrage.