Der Freibetrag für die Anrechnung von freiwilliger Altersversorgung ist für die Versorgung von Niedrigverdienern tatsächlich ein großer Wurf. Rentenberater und Makler können sich dieses Potenzial mit entsprechender Anpassung ihres Beratungsverfahrens zunutze machen.
Zur Erinnerung: Für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie bei der Hilfe zum Lebensunterhalt gibt es seit 01.01.2018 Freibeträge für die freiwillige Altersversorgung:
- Ein Sockelfreibetrag i. H. v. 100 EUR, der nicht dynamisch ist.
- Ein erweiterter Freibetrag. Er umfasst 30 % des Betrages einer zusätzlichen freiwilligen Altersversorgung, die über 100 EUR hinausgeht.
- Sockelfreibetrag und erweiterter Freibetrag sind auf 50 % der Regelbedarfsstufe gedeckelt (seit 01.01.2018: 416 EUR). Dieser „Deckel“ ist dynamisch an die Regelbedarfsstufe 1 gekoppelt.
Der Freibetrag erhöht die Attraktivität der Eigenvorsorge: Der Sockelfreibetrag gilt für jede Art der privaten und betrieblichen Altersversorgung sowie für echte freiwillige Beiträge in der GRV.
Wichtiger Hinweis: Vor Beantragung der Grundsicherung müssen Kapitalwahlrechte ausgeschlossen werden und es sollte eine regelmäßige monatliche Rente vereinbart sein. Da der Erwerb der Anwartschaft vor Erreichen der Regelaltersgrenze erfolgen muss, rät es sich bei flexiblen Endaltern des Versicherungsvertrages das Endalter vor die Regelaltersgrenze zu ziehen. Dazu sollte rechtzeitig der Versorgungsträger/Versicherer kontaktiert werden. Der erweiterte Freibetrag gilt sowohl für Selbständige wie für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Hinweis für die Praxis:Wie erfahren Leistungsbezieher eigentlich von dieser Neuregelung? Zumindest in Berlin gibt es die Arbeitsanweisung (Rundschreiben Soz Nr. 07/2017 vom 11.12.2017), dass alle Leistungsberechtigten von Amts wegen nach dem 3. und 4. Kapitel SGB XII umgehend über die neue Rechtslage zu informieren und im eigenen Interesse um Mitteilung zu bitten sind, ob sie vor Erreichen der Regelaltersgrenze auf Grundlage freiwillig entrichteter Beiträge Ansprüche aus der GRV oder diesen gleichgestellten Zeiten erworben haben oder ob sie laufende Zahlungen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge erhalten. Als Nachweis für das letztere genügen die Vorlage des Versicherungsvertrages und der regelmäßige Eingang der Zahlung auf das Konto der leistungsberechtigten Person. Sind die Einkünfte der Behörde schon bekannt, so ist der Freibetrag ohne Weiteres zu gewähren. Die Versicherer müssen nicht gesondert angeschrieben werden, da – anders als bei der GRV – hier keine Anteile herauszurechnen sind.
Ein besonderer Aspekt der Neuregelung ist, dass auch freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden. Das ist gerade bei Selbstständigen gar nicht so selten.
Mit Datum vom 14.11.2017 gibt es dazu ein Rundschreiben (2017/2) „Einsatz des Einkommens und Vermögens Bundesauftragsverwaltung Viertes Kapitel SGB XII des Bundesarbeitsministeriums für Arbeit und Soziales“, in dem detailliert dargelegt wird, wie mit Rentenansprüchen, die auf freiwilliger Grundlage erworben wurden, zu verfahren ist. Einzelne Städte haben jeweils für ihre „Arbeitshilfen“ herausgegeben und in den Neufassungen dieses Rundschreiben berücksichtigt, z.B. Berlin oder Hamburg.
Welche Leistungen der GRV beruhen auf freiwilligen Beiträgen?
Jetzige und künftige Leistungsempfänger sind bei der Beantragung von Grundsicherungsleistungen zu befragen, ob ein Teil ihrer gesetzlichen Rente auf Ansprüchen beruht, die auf freiwilliger Grundlage erworben wurde. Der Freibetrag gilt auch für Witwen-/Witwerrenten, die vom verstorbenen Versicherten auf freiwilliger Grundlage erworben wurden und nun dem Anspruchsberechtigten zugutekommen.
Der Freibetrag nach § 82 SGB XII umfasst auch folgende Ansprüche bei der GRV: | |
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Ansprüche, die auf freiwilliger Basis von einem verstorbenen Versicherten erworben worden sind und über eine Witwen-/Witwerrente der/dem Anspruchsberechtigten zugutekommen; | |
Alle auf freiwilligen Beiträgen beruhenden Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), | |
insbesondere Ansprüche | nach §§ 7, 232 SGB VI sowie Nachzahlungsvorschriften; |
auf freiwilligen Zahlungen nach §§ 187, 187a SGB VI (z.B. Beiträge zum Ausgleich von Rentenabschlägen); | |
auf Höherversicherung (bis Ende 1997). |
Nicht umfasst sind folgende Ansprüche: Leistungen aus Beiträgen im Rahmen einer Versicherungspflicht. Dies gilt auch, wenn die Versicherungspflicht durch den Versicherten selbst herbeigeführt wurde oder hätte vermieden werden können.
Beispiele:
- Ansprüche auf freiwilliger Grundlage, die aus Pflichtbeiträgen aufgrund einer Versicherungspflicht von geringfügig Beschäftigten beruhen, unabhängig davon, ob die Betroffenen auf die Versicherungsfreiheit verzichtet haben (bis Ende 2012) oder die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht nicht genutzt haben.
- Leistungen aus Zeiten einer Versicherungspflicht auf Antrag nach § 4 SGB VI, die ausweislich des expliziten Wortlauts von § 82 Absatz 5 Satz 1 SGB XII nicht von der reibetragsregelung erfasst sind.
Wie ist das Berechnungsverfahren? Wie geht der Grundsicherungsträger vor?
Die gesetzliche Rente wird bisher als Gesamtbetrag ausgewiesen. Die Träger der Sozialhilfe müssen daher den Anteil, der auf freiwilligen Beiträgen beruht, zutreffend ermitteln. Grundsätzlich ist die Berechnung des Anteils der gesetzlichen Rente, der unter die Regelung der § 82 Abs. 5 Satz 1 SGB XII fällt, in Anlehnung an die Praxis nach § 55 Abs. 4 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) vorzunehmen. Danach ergibt sich der Anteil der gesetzlichen Rente, der auf freiwilliger Grundlage erworben wurde, aus dem Verhältnis der Entgeltpunkte aus freiwilligen Beiträgen zu den Gesamtentgeltpunkten der Rente. Dieses Verhältnis ist im Regelfall auf den Bruttobetrag der Rente zu übertragen.
- Schritt: Der zuständige Grundsicherungsträger schickt eine Anfrage an die DRV.
- Schritt: Die Träger der Rentenversicherung nehmen die entsprechende Berechnung vor und weisen den Anteil und den Bruttozahlbetrag der deutschen gesetzlichen Rente, der auf freiwilliger Grundlage erworben wurde, aus.
- Schritt: Anlässlich der jährlichen Rentenanpassung jeweils zum 01.07. eines Jahres kann der zuständige Grundsicherungsträger den vom Rentenversicherungsträger mitgeteilten Verhältniswert auf die angepasste Rente anwenden und damit selbst den Anteil der gesetzlichen Rente bestimmen, der im Sinne § 82 Abs. 5 Satz 1 SGB XII auf freiwilliger Grundlage erworben wurde. Die gesetzliche Rentenversicherung muss also nicht jedes Jahr erneut angeschrieben werden.
Fazit
Für Menschen, die absehbar Leistungen der Grundsicherung beziehen könnten, lohnt sich jetzt eigene Altersversorgung. Das bedeutet auch, dass die entsprechenden Beratungsverfahren und Beratungsdokumentationen, z. B. bei Rentenberatern oder Maklern angepasst werden müssen.
Diese Zielgruppe muss nun deutlich anders beraten werden. Dabei wird vor allem auch bAV-Riester wegen der Zulagen eine große Rolle spielen können. Aus Arbeitgebersicht lohnt es sich über eine Stärkung der bAV z. B. unter „Mitnahme“ des Förderbeitrages nach § 100 EStG für diese Zielgruppen nachzudenken, da diese nun „etwas davon haben“.