Interview mit Ralf Berndt, Vorstand Vertrieb, Marketing und Kooperationsvertrieb und Dr. Guido Bader, Vorstand Lebensversicherung und Kapitalanlage der Stuttgarter Lebensversicherung a.G.
Die Stuttgarter bietet seit 2013 eine grüne Rentenversicherung an und sieht in der nachhaltigen Altersvorsorge kein Nischenprodukt mehr. Kunden und Vermittler gehen diesen Weg immer öfter mit. Herausfordernd bleibt die Lage auf der Kapitalanlagenseite.
Herr Berndt, Herr Dr. Bader, Nachhaltigkeit findet ja zunächst einmal jeder gut, beim Handeln sieht es dann aber oft anders aus. Warum glauben Sie, dass sich nachhaltige Altersvorsorge durchsetzen wird?
Ralf Berndt: Wir glauben daran, weil wir seit Jahren eine wachsende Sensibilisierung für das Thema bemerken. Vermittler und Kunden achten neben Renditechancen, Sicherheit und Flexibilität zunehmend auch auf die Nachhaltigkeit von Altersvorsorgeprodukten. Und sie stellen fest, dass eine nachhaltige Altersvorsorge zudem genau das Gleiche kann wie eine „konventionelle“. Bei unserer GrüneRente zum Beispiel gelten die gleichen Kostensätze oder Flexibilitäten. Bei fondsgebundenen Tarifen bieten wir eine große Auswahl an Fonds.
Sie sind wie angesprochen mit einem grünen Altersvorsorgeprodukt seit einigen Jahren auf dem Markt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Dr. Guido Bader: Mit der vertrieblichen Bilanz unserer GrüneRente sind wir sehr zufrieden. Sie hat sich seit ihrem Marktstart 2013 zu einem echten Erfolgsmodell entwickelt. Vertriebspartner und Kunden fragen mittlerweile gezielt danach.
RB: Der Erfolg lässt sich auch an den aktuellen Zahlen der GrüneRente ablesen. Ihr Anteil am Neugeschäft lag vor drei Jahren noch bei etwa 4 %. Stand heute liegt der Anteil bei rund 17 %, und bis zum Jahresende wird er wohl auf 20 % steigen. Wir haben mit der GrüneRente eine erfreuliche Erfahrung machen dürfen: dass es uns gelungen ist, das Thema nachhaltige Altersvorsorge aus der Nische zu befreien.
Welche Vermittler und welche Kunden oder auch Firmen sind besonders an der grünen Rentenversicherung interessiert?

RB: Auf Kundenseite sind besonders Menschen daran interessiert, denen eine zuverlässige Altersvorsorge wichtig ist und die ihr Geld gleichzeitig umwelt- und sozialverträglich investiert sehen möchten. Auf Vermittlerseite wächst der Anteil derjenigen, die diese Entwicklung erkannt haben und auch unter diesem Aspekt gut beraten wollen.
GB: Bei Firmen kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Sie können mit der Integration einer grünen Betriebsrente in ihre Unternehmensstrategie ökologische, soziale und ethische Verantwortung zeigen – für die Gesellschaft, für die Umwelt und für ihre Beschäftigten. Das macht Arbeitgeber im härter werdenden Wettbewerb um begehrte Fachkräfte noch attraktiver.
„Wir bemerken seit Jahren eine wachsende Sensibilisierung für das Thema. Vermittler und Kunden achten neben Renditechancen, Sicherheit und Flexibilität zunehmend auch auf die Nachhaltigkeit von Altersvorsorgeprodukten.“
Ralf Berndt
Die Bundesregierung arbeitet an einer „Sustainable-Finance-Strategie“. Herr Dr. Bader, Sie vertreten dort die Versicherungswirtschaft. Was genau passiert da?
GB: Ziel der Sustainable-Finance-Strategie der Bundesregierung ist es, mit möglichst konkreten Maßnahmen die Kräfte der Finanzmärkte optimal für den Transformationsprozess hin zu nachhaltigem Wirtschaften zu nutzen. Dabei ist zu bedenken, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen in einen gesamteuropäischen Regulierungsrahmen passen müssen. Zentral sind dabei die vorgeschlagenen umfassenden Offenlegungspflichten für die Real- wie für die Finanzwirtschaft. Sie werden ab März 2021 gelten. Nur ein informierter Investor kann auch Entscheidungen treffen, die seinen Vorstellungen nachhaltigen Investierens entsprechen.
Zudem will auch ein EU-Aktionsplan ein nachhaltiges Finanzwesen schaffen. Versicherer müssen dann ihre Kapitalanlagen entsprechend steuern. Wie geht Ihr Haus damit um?
RB: Zusätzliche Regulierungsvorhaben sind eine herausfordernde Aufgabe, der wir uns immer stellen. Wir sehen darin aber auch eine Chance, um eine wachsende Kundengruppe zu erschließen und gleichzeitig einen Beitrag zum Erhalt unseres Planeten zu leisten.
Wir sollten jedoch auch an den Nutzen für die Kunden denken. Nur eine weitere Flut von Papieren überfordert und bringt nicht immer die gewünschten Ergebnisse. Wir halten einen ganzheitlichen Ansatz für sinnvoll, das heißt das Thema aufseiten der Anbieter, der Vermittler und der Kunden präsenter werden zu lassen.
Werden dann nicht alle Tarife automatisch nachhaltig?
RB: Einen Automatismus gibt es hier nicht. Es wird auch weiterhin „konventionelle“ Tarife geben und innerhalb der nachhaltigen Produkte wird es auch Abstufungen geben. Die Entscheidung, ob Kunden ihre Altersvorsorge nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalten möchten, liegt schließlich bei ihnen.

„Wir setzen bei unserer Kapitalanlage seit jeher verstärkt auf Aktien und Substanzwerte. Dies steigert die Renditechancen unserer Kapitalanlage und damit unserer Versicherungsnehmer.“
Dr. Guido Bader
Verbunden ist die Entwicklung auch mit neuen Verpflichtungen in der Beratung. Vermittler müssen über Nachhaltigkeitsaspekte informieren. Wie soll das aussehen?
RB: Ganz konkret werden Vermittler in Zukunft verpflichtet, bei ihren Kunden ausdrücklich deren Nachhaltigkeitspräferenzen abzufragen. Zusätzlich müssen Vermittler mit mindestens drei Mitarbeitern inklusive des Inhabers ihre Beratungsstrategie zum Thema Nachhaltigkeit veröffentlichen.
Letztlich werden aber auch Nachhaltigkeitsstrategien die Kritik an der Lebensversicherung für die Altersvorsorge nicht verstummen lassen. Der Rechnungszins könnte auch noch einmal gesenkt werden. Wie sehr lohnt sich eine Lebensversicherung noch?
RB: Rentenversicherungen lohnen sich nach wie vor, wenn es sich um moderne, kapitalmarktorientierte Produkte handelt. Sehen Sie, es gibt neben der Rentenversicherung noch immer kein anderes Altersvorsorgeprodukt mit vergleichbarer Sicherheit, das Monat für Monat eine Rente bis zum Lebensende garantiert.
GB: Natürlich brauchen wir angesichts des anhaltenden Zinstiefs ein stärkeres Umdenken hin zu fondsgebundenen Lösungen. Bei langen Laufzeiten von mehreren Jahrzehnten, wie in der Altersvorsorge üblich, ist das Risiko, dass sich Kapitalmarktschwankungen negativ auswirken, begrenzt.
Fitch Rating hat gerade das Finanzstärkerating der Stuttgarter herabgestuft. Ist der Grund in der Corona-Pandemie zu suchen?
RB: Fitch attestiert der Stuttgarter nach wie vor eine starke Finanzkraft mit stabilem Ausblick. Das Rating spiegelt also weiterhin unsere starke Kapitalausstattung sowie unsere gute Profitabilität wider. Die geringfügige Senkung von bisher „A“ auf „A-“ begründet Fitch in der Tat primär mit den Folgen der Corona-Krise in Verbindung mit dem weiter sinkenden Zinsniveau. Weitere risikoerhöhende Faktoren sieht Fitch in der Fokussierung der Stuttgarter auf den deutschen Markt sowie in der im Marktvergleich deutlich höheren Aktienquote im Sicherungsvermögen.
GB: Wir setzen bei unserer Kapitalanlage seit jeher verstärkt auf Aktien und Substanzwerte. Dies steigert die Renditechancen unserer Kapitalanlage und damit unserer Versicherungsnehmer. Die von Fitch kritisch bewertete „höhere Anfälligkeit gegenüber Schwankungen am Aktienmarkt“ nehmen wir im Sinne unserer Kunden bewusst in Kauf und managen sie risikotechnisch aktiv durch eine breite Diversifikation, eine hohe Eigenkapitalquote sowie hohe stille Reserven.
Einfacher wird es nicht, wie werden sich in dem heutigen Umfeld Renditen erzielen lassen?
GB: Unabhängig von der Corona-Pandemie beobachten wir schon seit Jahren einen kontinuierlichen Zinsrückgang. Mittlerweile müssen wir davon ausgehen, dass die Krise die Zeit der niedrigen Zinsen um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte verlängert, sodass sie vorerst auf dem heutigen Niveau verharren dürften.
Die klassische Lebensversicherung wird wahrscheinlich immer weiter vom Markt verschwinden, denn die Überschussbeteiligung dürfte branchenweit mittelfristig weiter sinken. Um auch im aktuellen Umfeld Renditen zu erzielen, sind zeitgemäße, das heißt kapitalmarktorientierte Produkte erforderlich. Das sind in zunehmendem Maße fondsgebundene Policen mit und ohne Garantie, zum Beispiel unsere Anlagekonzepte performance-safe, index-safe oder invest. Daran führt in Zukunft kein Weg vorbei.
Das Interview ist im Original erschienen als Sonderdruck in der AssCompact.