In der neuen bAVheute-Serie „PraxisKolumne“ nehmen wir unsere Leser mit hinter die Kulissen der Vertriebsunterstützung. Welche Anfragen bekommen wir, welche Probleme beschäftigen bAV-Berater? Der erste Teil ist gleich ein besonderer Knackpunkt: der ungezillmerte Versicherungstarif.
Vor einigen Tagen klingelte bei uns in der Stuttgarter Vertriebsunterstützung bAV das Telefon. Der Anrufer: ein aufgeregter Versicherungsmakler. Er begann das Telefonat mit der Befürchtung: „Ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht!“
Was war geschehen? Der bAV-Berater hatte von einem seiner Firmenkunden den Auftrag erhalten, für eine Mitarbeiterin eine arbeitgeberfinanzierte Direktversicherung zu installieren. Gesagt – getan.
Drei Monate später setzte sich der Steuerberater des Firmenkunden mit dem Versicherungsmakler in Verbindung. Der Steuerberater fragte nach, ob der eingerichtete Direktversicherungsvertrag die Fördervoraussetzungen nach § 100 EStG erfüllt. Denn bei der Mitarbeiterin handelt es sich um eine Teilzeitkraft, deren Einkommen innerhalb der Grenze von 2.200 € monatlich liegt. Für diese Gruppe von Beschäftigten kommt diese neue staatliche Förderung grundsätzlich in Betracht.
Die neue Förderung für Niedrigverdiener aus dem BRSG – nur wer sie kennt, kann sie nutzen
Der Förderbetrag nach § 100 EStG steht allen Arbeitgebern seit 01.01.2018 zur Verfügung. Sind alle Bedingungen erfüllt, so erhält der Arbeitgeber 30 % seiner Investition vom Staat zurück. Eine weitere Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Förderbetrages ist die Verwendung eines ungezillmerten Versicherungstarifes. Das heißt, die Vertriebskosten sind produktseitig im selben Prozentsatz über die Beitragszahlung bzw. über die Beiträge zu verteilen.
Ein Fehler auf Kosten des Arbeitgebers
Und hier liegt in diesem Fall nun das Problem. Der Versicherungsmakler hatte für die Arbeitnehmerin – wie bisher üblich – einen gezillmerten Direktversicherungsvertrag installiert. Das Ergebnis seiner Handlung: Der Arbeitgeber kann den Förderbetrag nach § 100 EStG nicht in Anspruch nehmen. Und das dauerhaft.
Bei Verwendung eines ungezillmerten Tarifes hätte der Arbeitgeber 30% vom geförderten Höchstbeitrag (480 € p.a.) als steuerliche Förderung erhalten. Pro Jahr sind das immerhin 144 € für diese eine Arbeitnehmerin. Dabei spielt es keine Rolle, dass der tatsächlich vom Arbeitgeber gezahlte Beitrag oberhalb des Höchstbetrages liegt.
Der Gang nach Canossa folgt
Der Versicherungsmakler musste nun den Gang nach Canossa antreten und seinem Firmenkunden offenbaren, dass er den neuen Förderbetrag nach § 100 EStG noch nicht gekannt hatte.
Kurz um: Es liegt ein Beratungsfehler vor, der dem Arbeitgeber bares Geld kostet und der für den Makler eine Haftung auslösen kann.
Hinweis für die Praxis: Die Steuerberater und die Lohnbuchhaltung werden künftig in Fällen, bei denen aufgrund des Einkommens eine Förderung nach § 100 EStG infrage kommt, diesen Sachverhalt ansprechen. BAV-Berater sollten keine Zeit verlieren, denn es besteht dringender Handlungsbedarf. Der Auftrag lautet: Klärung mit den Unternehmen, ob weiterhin – wie vielfach praktiziert – gezillmerte Tarife oder künftig ungezillmerte Tarife verwendet werden sollen. Dies ist für bestehende und neue arbeitgeberfinanzierte Versorgungswerke relevant. Die Entscheidung sollte dokumentiert und an die Lohnbuchhaltung weitergeleitet werden.
Eine ausführliche Erläuterung der Stolperfallen des § 100 EStG finden Sie auch hier.