Wie sich Firmen mit Vorsorgekonzepten Vorteile im „War for Talent“ verschaffen, erklärt Dr. Henriette Meissner, Expertin für betriebliche Altersversorgung bei der Stuttgarter.
Betriebliche Altersversorgung (bAV) muss für den Mittelstand nicht teuer sein, betont Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management. Die bAV-Expertin über Gesetzesänderungen und neue Fördermöglichkeiten.
DUB UNTERNEHMER-Magazin: Seit Jahresbeginn gilt das Betriebsrentenstärkungsgesetz. Erwarten Sie dadurch mehr Versicherte in der bAV?
Henriette Meissner: Das Betriebsrentenstärkungsgesetz bietet hervorragende Ansätze, damit Beschäftigte besser vorsorgen und vom Arbeitgeber versorgt werden können. Richtig umgesetzt, ist es eine Antwort auf den Fachkräftemangel. Jedes Unternehmen muss sich mit der Frage beschäftigen, wie es Fachkräfte gewinnen und binden kann. Dazu gehört auch eine attraktive Betriebsrente, die voll im Trend liegt. Die große Frage ist allerdings, wie die Unternehmer von
diesen neuen Chancen erfahren.
Ist die bAV tatsächlich ein probates Mittel im „War for Talent“?
Meissner: Ja, die Betriebsrente spielt immer eine Rolle für die Mitarbeitergewinnung und bindung. Das belegt etwa die Studie „bAV zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ von Deloitte aus dem Jahr 2017. Ich kann zum Beispiel aus unserem eigenen Unternehmen berichten, dass mir immer wieder gespiegelt wird, wie positiv es neue Mitarbeiter finden, dass wir eine großzügige Altersversorgung anbieten. Die meisten wissen ja doch sehr genau, dass die gesetzliche Versorgung nicht mehr ausreicht.
Viele Unternehmen scheuen bislang die Einführung einer bAV aufgrund des administrativen Aufwands. Reduziert sich dieser durch die Digitalisierung?
Meissner: In der Tat bietet die Digitalisierung gute Unterstützung, zum Beispiel durch Arbeitgeberportale. Damit kann die Personalseite die unternehmens eigenen Betriebsrenten sehr gut administrieren.
Welche zusätzlichen Anreize wurden für Mittelständler durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz geschaffen, eine bAV anzubieten?
Meissner: Aus unserer Sicht ist hier vor allem die doppelte Förderung für vom Arbeitgeber finanzierte Betriebsrenten zu nennen. Wird der Arbeitgeber von sich aus tätig, dann hat dieser durch die neue Förderung für Geringverdiener plus der steuerlichen Abzugsfähigkeit als Betriebsausgabenabzug eine Förderquote von bis zu 51 Prozent für seine Betriebsrente. Da machen Sozialleistungen Spaß.
Mit vier anderen Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit hat sich die Stuttgarter zum Bündnis „Das Rentenwerk“ zusammengeschlossen, um als Bindeglied zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften im Rahmen der bAV Tarifrenten nach dem Sozialpartnermodell anzubieten. Warum die Zusammenarbeit?
Meissner: Das Sozialpartnermodell wird aufgrund von Flächentarifverträgen entweder in ganzen Branchen oder größeren Firmen per Haustarifvertrag zur Anwendung kommen. Um Skaleneffekte realisieren zu können, haben wir uns zusammengeschlossen. Die beteiligten Versicherer sind im Lager der Versicherungsvereine angesiedelt und damit seit Jahrzehnten quasigenossenschaftlich nur ihren Mitgliedern verpflichtet. Das sorgt für Stabilität. Und so ein Modell muss zwei bis drei Generationen stabil bleiben können.
In der Diskussion um das Sozialpartnermodell wurde insbesondere die Abkehr von Garantien für Mitarbeiter kritisiert, es wurde sogar von „Poker-Rente“ gesprochen. Zu Recht?
Meissner: Es ist richtig, dass das neue Sozialpartnermodell stärker an den Entwicklungen der Kapitalmärkte, insbesondere am Produktivkapital, durch eine höhere Aktienquote partizipieren kann. Die Kehrseite davon ist, dass keine Garantien ausgesprochen werden dürfen. Das würde diese chancenreichere Art der Geldanlage konterkarieren. Es liegt in der Verantwortung der Kapitalanleger, dass sie nicht im negativen Sinne pokern, sondern mit Chancen und Risiken verantwortungsvoll umgehen. Sicherheit lässt sich auch am Kapitalmarkt generieren, wie Lebensversicherer seit Jahrzehnten zeigen. Wir sehen uns hier gut aufgestellt. Im Übrigen wäre es schön, wenn Kapitalmärkte so gut mathematisch berechenbar wären wie ein Pokerspiel. Dann könnten wir den „Jackpot“ quasi garantieren.
Ab 2019 müssen viele neue Verträge mit einer Zuschusspflicht des Arbeitgebers von 15 Prozent des umgewandelten Entgelts versehen werden. Wie schätzen Sie diese Regelung ein?
Meissner: Der Arbeitgeber investiert per Gesetz die Lohnnebenkostenersparnis in die bAV. Dies ist ein weiterer Anreiz, damit Mitarbeiter selbst vorsorgen. Dem Arbeitgeber verbleibt immer noch ein Teil der Lohnnebenkostenersparnis. Das ist eine WinwinSitutation. Wir empfehlen Arbeitgebern, das proaktiv anzugehen und positiv im Unternehmen und im Bewusstsein der Mitarbeiter zu verankern. Wir sehen erste Firmen, die sogar mehr geben, weil sie ihre Mitarbeiter schätzen und binden wollen. Damit ist diese Regelung ein positiver Impuls für die Verbreitung der Betriebsrenten.
Sie haben auch die auf Nachhaltigkeit zielende „GrüneRente“ im Angebot. Was ist darunter zu verstehen?
Meissner: Es ist eine Altersvorsorge, die ökologische, soziale und ethische Aspekte berücksichtigt. Bei klassischen Produkten mit Rechnungszins investieren wir mindestens in Höhe des Sparanteils der eingezahlten Beiträge in nachhaltige Kapitalanlagen. Bei fondsgebundenen Produkten steht eine Reihe von „grünen“ Fonds zur Auswahl. Beides ist in der bAV möglich. Viele Firmen haben Nachhaltigkeitsstrategien. Dort sollte auch die Betriebsrente einbezogen werden.
Das Interview „Voll im Trend“ ist erschienen im DUB UNTERNEHMER-Magazin 5/2018, S. 6-7, 12.10.18. Ausgabe erhältlich unter dub.de/epaper.
Bild: Fotograf Robert Schlossnickel