Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge Management, über die schwierige Rolle des Maklers im Sozialpartnermodell und warum auch Opting-Out kein Selbstläufer für die bAV ist.
bAVheute: Das Betriebsrentenstärkungsgesetz scheint in trockenen Tüchern und verabschiedungsreif. Rechnen Sie noch mit Nachbesserungen?
Dr. Meissner: Ich glaube nicht, dass es noch große Änderungen am Sozialpartnermodell geben wird. Denn es bildet das Kernstück des Gesetzes und jede Änderung würde das gesamte Paket wieder aufschnüren. Und der großen Koalition ist sehr daran gelegen, das Gesetz noch vor der Sommerpause durchzubringen.
bAVheute: Stichwort Sozialpartnermodell. Die darin enthaltene reine Beitragszusage enthaftet Arbeitgeber und beseitigt aus Regierungssicht eines der größten Hemmnisse auf Arbeitgeberseite. Sind Sie genauso positiv gestimmt?
Dr. Meissner: Nein. Die reine Beitragszusage wälzt lediglich das Risiko vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer ab. Hemmnisse, die auf der einen Seite vielleicht abgebaut werden, erzeugen neue auf der anderen Seite. Auch die Gewerkschaften fordern in ihren Stellungnahmen Sicherungselemente. Es bleibt abzuwarten, ob in der Rentenphase nicht die Expertise von Versicherern gebraucht wird, um lebenslange Renten kalkulieren und abbilden zu können. Wer nur auf die Kapitalanlage schaut, vernachlässigt das biometrische Risiko der Langlebigkeit.
bAVheute: Was ist – wenn nicht die Haftung – dann das Hemmnis der Arbeitgeber, das es zu beseitigen gilt?
Dr. Meissner: Die Frage wird sein, wie man es schafft, die rund drei Millionen klein- und mittelständischen Unternehmen anzusprechen. Wir haben bei der betrieblichen Altersversorgung hauptsächlich ein Informations- und weniger ein Haftungsdefizit.
bAVheute: Mit der Zielrente ist ein Sicherungselement vorgesehen. Ist die Verschiebung von Garantie auf Kapitalanlage nicht genau die richtige Antwort in Zeiten niedriger Zinsen?
Dr. Meissner: Mit der Zielrente werden die Folgen des Niedrigzinses nun auch in der bAV auf den Sparer abgeladen. Sicher wird sich kein Anleger – auch kein Versicherer – gegen mehr Flexibilität in der Kapitalanlage wehren. Doch aus einer Garantiewelt kommend jetzt eine Vollbremsung zu machen und gänzlich auf Garantien zu verzichten, ist ein gewaltiger Schritt. Hier hätte ich mir eine stufenweise Reduzierung der Garantien gewünscht. Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, mit Blick auf die Renditen der Vergangenheit, auch automatisch eine Mehrrendite in Zukunft erzielen zu können.
bAVheute: Falsche Erwartungen sollten direkt im Beratungsgespräch vermieden werden. Wie sehen Sie die Rolle des Maklers im Sozialpartnermodell?
Dr. Meissner: Schwierig. Einzig die Sozialpartner dürfen die zukünftige Leistungen und Standards der Beratung definieren und vorgeben. Manche werden sicherlich weiterhin die Beratung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber einfordern. Andere vielleicht nur die für Arbeitgeber. Und es wird auch Konstellationen geben, die keine Beratung wünschen und nur auf das Opting-Out setzen.
bAVheute: Mit „Opting-Out“ nennen Sie einen großen Hoffnungsträger, die Durchdringungsquoten spürbar zu erhöhen. Ist diese Hoffnung berechtigt?
Dr. Meissner: Opting-Out ist kein Selbstläufer. Mal davon abgesehen, dass es laut Betriebsrentenstärkungsgesetz tarifgebunden ist und der Effekt daher im Mittelstand kaum ankommt. Als Vorbild wird oft Großbritannien genannt. Doch dort wurde das Thema der betrieblichen Altersversorgung insgesamt ganz anders angegangen. Durch eine nachhaltige Aufklärung und Kommunikation wurden Informationsdefizite über Jahre abgebaut. Und an diesem Punkt sind wir in Deutschland noch nicht.