Die Übergangsfrist des § 26a BetrAVG ist zum 1.1.2022 abgelaufen. Ab sofort sind Arbeitgeber, deren Mitarbeiter Entgelt zu Gunsten einer betrieblichen Altersversorgung umwandeln, verpflichtet, Sozialversicherungsersparnisse weiterzugeben. Doch was bedeutet das für den Arbeitgeber genau?
Der durch das Betriebsrentengesetz eingeführte verpflichtende gesetzliche Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG bestimmt, dass der Arbeitgeber 15 % des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten muss, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart. Der Gesetzgeber hat Arbeitgebern, die Zusagen vor dem 1.1.2019 erteilt haben, durch die Übergangsvorschrift § 26a BetrAVG Zeit bis 1.1.2022 eingeräumt. Diese Schonfrist ist jetzt abgelaufen.
Wo kein Kläger, da kein Richter? – Ignorieren ist keine Option!
Die sicherlich schlechteste Idee eines Arbeitgebers darauf zu reagieren ist die gesetzliche Verpflichtung einfach zu ignorieren. Das hat nämlich nicht nur arbeits-, sondern auch zivilrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und ggfs. auch strafrechtliche Konsequenzen.
1. Arbeitsrechtliche Konsequenzen
Arbeitsrechtlich führt das Ignorieren der gesetzlichen Zuschusspflicht zu einer defizitären Versorgung. Der Arbeitgeber schuldet im Rahmen des § 1a Abs. 1a BetrAVG nämlich kein Gehalt, sondern Versorgungslohn. Das ist im Übrigen auch der Grund, warum Arbeitgeber als „Exit-Strategie“ nicht einfach mehr Gehalt statt dem gesetzlichen Zuschuss zahlen können. Diese „Strategie“ führt letztlich dazu, dass Arbeitnehmer einen Anspruch auf das höhere Gehalt und den gesetzlichen Zuschuss haben.
Zahlt der Arbeitgeber den Zuschuss nicht, gerät er in die sog. Differenzhaftung nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG. Das bedeutet, er steht für das mangels Zuschusszahlung entstandene „Weniger“ der Versorgung ein und zwar mit einer 30-jährigen Verjährungszeit ab Beginn der Leistungsphase.
2. Zivilrechtliche Konsequenzen
Zivilrechtlich trifft den Arbeitgeber bei Ignorieren der gesetzlichen Zuschusspflicht ein Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 280 BGB, wonach Ersatz für den Schaden zu leisten ist, der sich aus einer Pflichtverletzung ergibt. Die Verantwortlichkeit dafür, d. h. der Maßstab, wann Schadensersatz geschuldet wird, regelt § 276 BGB, wonach der Arbeitgeber als Schuldner grundsätzlich Vorsatz, und nichts anderes ist das bewusste Ignorieren der gesetzlichen Zuschusspflicht, zu vertreten hat.
Im Ergebnis ist der Arbeitnehmer dann so zu stellen, wie er bei Erfüllung der gesetzlichen Zuschusspflicht stehen würde. Es ist also eine „was wäre, wenn“-Betrachtung anzustellen, und die Versorgungsleistung mit „gedachtem“ Zuschuss zu ermitteln. Die Differenz zu der Versorgungsleistung ohne den gesetzlichen Zuschuss ist dann durch den Arbeitgeber als Schaden auszugleichen. Also ganz ähnlich wie bei der Differenzhaftung nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG, nur dass der Ersatzanspruch nach § 280 BGB, anders als die Differenzhaftung nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG, nicht PSV-geschützt ist.
Und Fremdgeschäftsführer werden sich bei einer fehlerhaften Umsetzung von ihren Gesellschaftern fragen lassen müssen, warum sie das Gesetz nicht umgesetzt haben. Damit ist auch der Weg zum persönlichen Regress eröffnet und bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit hilft auch keine D&O-Versicherung.
3. Kritische Fragen zum Handelsrecht
Kritische Fragen könnten auch von Seiten des Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers kommen. Kommt es zu einer Erfüllungshaftung nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG oder zu einem zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch, ist dies in der Bilanz auszuweisen. Für die nächste Bilanz sollte daher schon im Anhang ein Vermerk (mit dahinterliegender Dokumentation des Unternehmens) auftauchen, dass der § 1a Abs. 1a BetrAVG umgesetzt wurde. Das wird im Übrigen zukünftig auch Unternehmenskäufer im Rahmen der Due Diligence interessieren. Haben sich hier nicht-gedeckte Ansprüche aufkumuliert, wird das Einfluss auf den Kaufpreis haben.
4. Sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen
Das Ignorieren kann aber auch sozialversicherungsrechtlich relevant sein. Dann nämlich, wenn bei Beachtung der gesetzlichen Zuschusspflicht Sozialversicherungsbeiträge angefallen wären („Phantom-Zuschuss“).
Beispiel
Der Arbeitnehmer wandelte seit 2018 dynamisch begrenzt 4 % der BBG um (2022: 282 Euro p. m.). Ab 1.1.2022 muss der Arbeitgeber diesen Beitrag mit 15 % (42,30 Euro) bezuschussen, mit der Folge, dass in Höhe des Zuschusses Sozialversicherungsbeiträge anfallen würden und abgeführt werden müssten, da der Zuschuss den sozialversicherungsrechtlich flankierten Rahmen von 4 % der BBG verlässt.
Da im Sozialversicherungsrecht das Entstehungsprinzip nach § 22 SGB IV und nicht das steuerliche Zuflussprinzip nach § 11 EStG gilt, kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, dass der Zuschuss nicht gezahlt wurde, sondern dass er hätte gezahlt und folglich darauf auch Sozialversicherungsbeiträge hätten abgeführt werden müssen.
5. Strafrechtliche Konsequenzen
Der Weg vom Sozialversicherungsrecht führt dann ins Strafgesetzbuch und dort zu § 266a Abs. 1 und 2 StGB
„(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber
- der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
- die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.“
Das Strafrecht baut dem Arbeitgeber durch Abs. 6 eine „goldene Brücke“, indem die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur besteht.
„In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich
- die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
- darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft.“
Das deckt sich zwar nicht mit der Korrekturvorschrift den § 28 g SGB IV, wonach der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, bei den nächsten drei Lohn- oder Gehaltszahlungen den unterbliebenen Abzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nachzuholen, folgt aber dem gleichen Gedanken „Heilung durch Nachholung“.
6. Sind Arbeitgeber „frei“, die schon immer einen Zuschuss zur Entgeltumwandlung gewährt haben?
Für Arbeitgeber, die in der Vergangenheit die Entgeltumwandlung bereits bezuschusst haben, stellt sich die Frage, ob dadurch die gesetzlichen Verpflichtungen nach § 1a Abs. 1a BetrAVG auch für die ab 1.1.2022 zu bezuschussenden Entgeltumwandlungen schon erfüllt ist. Dabei muss man zwei Konstellationen unterscheiden:
Weitestgehend unstreitig ist mittlerweile, dass die Verpflichtung nach § 1a Abs. 1a BetrAVG erfüllt ist, wenn der Zuschuss in der Vergangenheit schon als Weitergabe der Sozialversicherungsersparnis deklariert wurde.
Mangels bisher ergangener Rechtsprechung ist aber immer noch nicht geklärt, wie diejenigen Konstellationen zu sehen sind, bei denen das nicht der Fall ist. Genügt eine Anrechnungsklausel? Hält diese Anrechnung? Oder muss darüber hinaus der Zuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG gewährt werden?
Hier heißt es aufgepasst im März 2022: Es besteht durch die Rechtsprechung des Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 31.5.2021, 15 Sa 1096/20B; Parallelentscheidung 15 Sa 1098/20) zumindest die Hoffnung, dass das Bundesarbeitsgericht im Revisionsverfahren am 8.3.2022 (BAG, 3 AZR 361/21 und 362/22) Licht ins Dunkle bringt. Zu entscheiden ist die Frage, ob es für die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung ausreicht, wenn der Arbeitgeber in der Vergangenheit tarifvertraglich schon einen höheren Zuschuss zahlt. Zu hoffen ist, dass das Bundesarbeitsgericht die Gelegenheit nutzt, sich grundsätzlich dazu zu äußern, ob in der Vergangenheit gewährte Zuschüsse die Verpflichtung nach § 1a Abs. 1a BetrAVG erfüllen können und wenn ja unter welchen Bedingungen. Die sehr schnelle Terminierung und der gewählte Termin 8.3.2022 zeigt schon mal, dass die obersten Arbeitsrichter die Dringlichkeit der Frage erkannt haben.
7. Fazit
Als Fazit lässt sich festhalten: Falls der gesetzlich verpflichtende Zuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG noch nicht umgesetzt worden ist, sollte keine Zeit mehr verloren werden. Einfach „Laufenlassen“ ist keine Option und vergrößert nur den Schaden.
Übrigens: Die demografische Entwicklung spricht für die Arbeitnehmer. Vorbei sind die Zeiten, wo Arbeitgeber ungestraft und kleinlich an den Benefits sparen konnten.
Lesen Sie hier Teil 1: Haftungssicherheit für Berater und Vermittler.