Hintergrund der gemeinsamen Aufsichtsmitteilung der Finanzaufsicht und der IHK vom 3.7.2023 ist das Urteil des EuGH vom 29. September 2022 (C-633/20), wonach juristische Personen Versicherungsvermittler sein können, die ihren Kunden echte Gruppenversicherungsverträge anbieten für die sie eine, auch nicht finanzielle, Vergütung erhalten.
Dem Urteil ging eine Vorlage des BGH voraus (Beschluss vom 15.10.2020; I ZR 8/19) dem folgender Sachverhalt zugrunde lag.
Der Fall vor dem BGH
Eine GmbH hatte mit einem Versicherungsunternehmen einen „echten“ Gruppenversicherungsvertrag über eine Auslandsreisekrankenversicherung abgeschlossen und beauftragte eine Werbeagentur damit, die Kunden der GmbH als Mitglieder des Gruppenversicherungsvertrags zu werben. Die Kunden sollten als Versicherte Personen im Leistungsfall Anspruch auf Erstattung der Kosten für medizinisch notwendige Heilbehandlungen und Krankentransporte erhalten und zahlten dafür an die GmbH eine Vergütung. Versicherungsnehmerin war die GmbH.
Echter Gruppenversicherungsvertrag
Eine „echte Gruppenversicherung“ liegt vor, wenn
- ein einheitlicher, eine Personengruppe erfassender Versicherungsvertrag besteht,
- der Versicherungsschutz gegen ein einheitliches in den Gruppenmitgliedern sich verwirklichendes Risiko bietet.
- das einzelne Gruppenmitglied ohne eine Beitrittserklärung (oder durch eine ggf. annahmebedürftige Beitrittserklärung) in diesen Gruppenversicherungsvertrag einbezogen werden kann
- das Kriterium für die Einbeziehung des Gruppenmitglieds seine Gruppenzugehörigkeit ist
- die „Gruppenspitze“ (im konkreten Fall die GmbH) selbst Versicherungsnehmerin, und
- das Gruppenmitglied Versicherte Person wird.
Bisher wurde bei „echten“ Gruppenversicherungsverträgen davon ausgegangen, dass es sich um keine nach § 34d Abs. 1 S. 1 GewO erlaubnispflichtige Versicherungsvermittlung handelte. Das sah der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände anders und klagte. Der BGH legt die Frage die Frage dem EuGH zur Entscheidung vor, der dann im Urteil vom 2022 (C-633/20) feststellte, dass
- die Eigenschaft „Versicherungsvermittler“ nicht daran scheitert, dass die geworbenen Kunden „nur“ dem Gruppenversicherungsvertrag beitreten und somit nicht selbst Versicherungsnehmer sondern Versicherte Person werden.
- Versicherungsvermittler eine Vergütung erhalten müssen. Der Begriff der Vergütung ist weit auszulegen und umfasst neben jegliche Art von finanziellen auch nicht finanzielle Vorteilen für die Vermittlung.
Fazit:
Der EuGH beantwortet also die Fragen des BGH, ob im konkreten Fall von einer erlaubnispflichtigen Vermittlungstätigkeit auszugehen ist, mit “ja”.
Und was bedeutet das für die Direktversicherung?
Der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer und der Arbeitnehmer als Versicherte Person? Das ist doch die Konstellation einer Direktversicherung. Und wenn bei einer Vergütung auch nicht finanzielle Vorteile ausreichen, wäre es dann denkbar, dass der nicht finanzielle Vorteil in der Attraktivität als Arbeitgeber zu sehen ist? Wenn beides mit „ja“ zu beantworten wäre, hätte das enorme Auswirkungen für den Arbeitgeber, denn dieser muss dann z. B.
- die Anforderungen der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) erfüllen, was z. B. auch eine verpflichtende Fortbildung nach sich zieht, und
- bei der zuständigen Industrie- und Handelskammer eine Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung einholen und sich registrieren lassen. Erfolgreich ist das natürlich nur, wenn ein Sachkundenachweis vorliegt.
Beide Fragen beantwortet die Aufsichtsmitteilung mit „nein“.
Diese stellt klar, dass
- bei Direktversicherungen in der betrieblichen Altersvorsorge keine Tätigkeit des Arbeitgebers als Versicherungsvermittler vorliegt, weil in der Regel keine echten Gruppenversicherungsverträge sondern lediglich Rahmenverträge vereinbart sind.
- Aber selbst wenn ein echten Gruppenversicherungsvertrag vorliegen würde, steht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers regelmäßig im Vordergrund. Es fehlt somit an einem eigenen wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers. Nur mittelbare Vorteile durch die Versicherung, wie zum Beispiel die Attraktivität als Arbeitgeber ändern nichts am fehlendem eigenen wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers.