Kommenden Montag im Kabinett: Spahn will 60 % der Betriebsrentner bei der Beitragszahlung zum 1.1.2020 entlasten.
Kommenden Montag im Kabinett: Spahn will 60 % der Betriebsrentner bei der Beitragszahlung zum 1.1.2020 entlasten
Es rumort seit langem laut und lauter bei den Betriebsrentnerinnen und -rentnern: Seit 1.1.2004 wurden nach einer Einigung zwischen Ulla Schmidt und Horst Seehofer Betriebsrenten gesetzlich Versicherter plötzlich sehr stark mit Krankenkassenbeiträgen belastet. Seitdem beschäftigt das die Gerichte und die Politik, bei denen die Betroffenen lautstark vorstellig werden. Nun soll Abhilfe geschaffen werden.
Ziel der Änderung: Mit dem Gesetzentwurf wird ab dem 1.1.2020 für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zusätzlich ein Freibetrag eingeführt. Versicherungspflichtige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung werden dadurch ganz oder teilweise von Beiträgen befreit. Insgesamt summiert sich die Entlastung auf rund 1,2 Milliarden Euro jährlich. Für rund 60 % der betroffenen Betriebsrentnerinnen und -rentner bedeutet dies, dass sie künftig maximal die Hälfte des bisherigen Krankenversicherungsbeitrags leisten müssen. Auch die übrigen rund 40 % der Rentnerinnen und Rentner mit Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge profitieren ebenfalls von dem Freibetrag. Sie werden jährlich um rund 300 Euro entlastet. In der Pflegeversicherung findet weiterhin ausschließlich die bisherige Freigrenze zur Anwendung.
Was genau wird gemacht?
Dem § 226 Absatz 2 soll folgender Satz angefügt werden:
„Überschreiten die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 die Freigrenze nach Satz 1, ist von den monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 ein Freibetrag in Höhe von einem Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches abzuziehen; der abzuziehende Freibetrag ist der Höhe nach begrenzt auf die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5.“
Die Mechanik ist also wie folgt:
- Zuerst greift (wie bisher) die Freigrenze. Die Freigrenze umfasst neben Versorgungsbezügen z. B. auch Arbeitseinkommen, also Gewinne aus nebenberuflich selbständiger Tätigkeit, z. B. aus Photovoltaik oder Nebenerwerbslandwirtschaft.
- Wird die Freigrenze überschritten und entfällt daher, greift nur für Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge i.S.d. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ein Freibetrag, der genauso hoch ist, wie die bisherige Freigrenze (1/20 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV = 159,25 Euro für 2020). Der Freibetrag ist der Höhe nach begrenzt auf monatliche beitragspflichtige Betriebsrentenleistungen (bei Kapitalleistungen: 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag für maximal 10 Jahre).
Der neue Freibetrag ist damit dynamisch und verändert sich jährlich mit der Änderung der Bezugsgröße.
Auswirkungen: Für rund 60 % der betroffenen Betriebsrentnerinnen und -rentner (ca. 4 Mio.) bedeutet dies, dass ihre Krankenversicherungsbeiträge durch den Freibetrag mindestens halbiert werden, da ihre Einnahmen aus Betriebsrenten maximal 320 Euro im Monat betragen.
Betriebsrentnerinnen und -rentner mit Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von derzeit mehr als 320 Euro monatlich profitieren ebenfalls von dem Freibetrag. Sie werden jährlich um rund 300 Euro entlastet. Dabei reduziert sich mit steigender betrieblicher Rente der prozentuale Entlastungsbetrag.
Vor dem Hintergrund, dass die Mindereinnahmen von allen übrigen gesetzlich Krankenversicherten zu finanzieren sind, ist eine Begrenzung des Entlastungsvolumens bei Rentnerinnen und Rentnern mit hohen Betriebsrenten mit Blick auf die Verteilungsgerechtigkeit gleichwohl sachgerecht.
Wie wird das gegenfinanziert? Die Gegenfinanzierung erfolgt durch Entnahmen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. Infolge der Einführung eines Freibetrages entstehen den Krankenkassen ab dem Jahr 2020 jährliche Mindereinnahmen von 1,2 Milliarden Euro. Im Jahr 2020 werden diese Mindereinnahmen auf Basis des geltenden Rechts in vollem Umfang aus Mitteln der Liquiditätsreserve ausgeglichen, da die Zuweisungen, die die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, bereits festgesetzt wurden. Das Risiko für Beitragsmindereinnahmen wird demnach durch den Gesundheitsfonds getragen. Um die Mehrbelastungen in den Folgejahren teilweise zu kompensieren und die Belastungen der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler vorübergehend zu begrenzen, werden den Einnahmen des Gesundheitsfonds im Jahr 2021 – 900 Millionen Euro, im Jahr 2022 – 600 Millionen Euro und im Jahr 2023 – 300 Millionen Euro aus der Liquiditätsreserve zugeführt, die damit für höhere Zuweisungen an die Krankenkassen zur Verfügung stehen.
Die gesetzlich vorgesehene Mindestreserve des Gesundheitsfonds wird von 25 % auf 20 % einer Monatsausgabe abgesenkt. Diese Höhe reicht aus, um die unterjährigen Einnahmeschwankungen des Gesundheitsfonds abzusichern. Mit dieser Maßnahme soll erreicht werden, dass ausreichend liquide Mittel im Gesundheitsfonds zur Verfügung stehen, um die Entnahmen aus der Liquiditätsreserve zur Kompensation der Mehrbelastungen der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zu finanzieren.
Umsetzung: In der Wirtschaft sind die aktuell rund 46.000 in der Zahlstellendatei des GKV-Spitzenverbandes registrierten Zahlstellen von Betriebsrenten von der Änderung betroffen. Sie übernehmen in der Regel die Beitragsberechnung und Abführung für alle Versicherungspflichtigen. Zusätzlich zur bisher schon durchgeführten Prüfung, ob die Freigrenze überschritten ist, muss zukünftig auch die Anrechnung des Freibetrags vorgenommen werden. Dies führt zu einem einmaligen Erfüllungsaufwand durch Anpassung der Softwareprogramme, des maschinellen Meldeverfahrens mit den Krankenkassen und durch die Umstellung der aktuellen Bestände.
Eine Herausforderung wird für die Zahlstellen und die Krankenkassen die kurzfristige Umsetzung der neuen Regelung zum 1.1.2020.