Die Babyboomer gehen in Rente. Nicht nur die gesetzliche Rentenversicherung, auch bei Betriebsrenten werden Leistungen fällig. Und das sind manchmal auch Kapitalleistungen. Doch sind insbes. Einmalkapitalzahlungen auch vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters geschützt? Greift hier überhaupt ein Pfändungsschutz? Wenn ja, welche Vorschrift ist anzuwenden und wie viel Schutz ist zu gewähren? Im Falle eines Geschäftsführers hatte der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 29. April 2021, IX ZB 25/50) zu entscheiden.
Diese Entscheidung passt weder dem ehemaligen GGF noch dem Insolvenzverwalter. Beide legten Beschwerde ein. Das Beschwerdegericht wies den Antrag des ehemaligen GGF auf Pfändungsschutz insgesamt zurück. Dann landete der Fall vor dem Bundesgerichtshof.
Der BGH setzt folgende Maßstäbe für den Pfändungsschutz:
- Grundsätzlicher Pfändungsschutz: Nach § 850i Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht dem Schuldner, wenn sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, gepfändet werden, auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde, soweit dies erforderlich ist, damit dem Schuldner ein unpfändbares Einkommen in Höhe der von § 850c Abs. 1, Abs. 2a ZPO bestimmten Beträge gegebenenfalls in Verbindung mit §§ 850e, 850f Abs. 1 ZPO verbleibt.
- Schutzzweck: Die Regelung soll gewährleisten, dass der Schuldner seinen Lebensunterhalt in angemessenem Umfang mit eigenen Mitteln bestreiten kann und hierfür nicht auf staatliche Leistungen angewiesen ist
- Schutzumfang: Die Regelung will vornehmlich Einkünfte Selbständiger und generell solche aus nicht abhängiger Tätigkeit einem Pfändungsschutz zuführen. Unter die Vorschrift fallen auch Einkünfte aus kapitalistischer Tätigkeit, etwa Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung, auch Werklohnansprüche und aus der Verwertung von Eigentum des Schuldners resultierende Forderungen, unabhängig davon, ob das zur Entstehung der Forderung verwertete Kapital erarbeitet wurde, solange die Einkünfte nur selbst erzielt sind
- Ausnahmen vom Schutz als Einkünfte i. S. des § 850i ZPO sind Geldforderungen, die der Schuldner nicht aufgrund wirtschaftlicher Betätigung erwirbt, z. B. Geschenke, Lottogewinne und erbrechtliche Ansprüche.
Nach diesem Maßstab handelt es sich bei den Ansprüchen des Schuldners/ehemaligen GGF aus den ihm verpfändeten Rückdeckungsversicherungen um selbst erwirtschaftete Einkünfte. Die dem Schuldner erteilte Pensionszusage hat nämlich nicht nur Versorgungs-, sondern auch Entgeltcharakter und steht damit der Leistung des Schuldners auch als Gegenleistung aus dem Dienstverhältnis gegenüber. Diese Pensionszusage wurde durch die verpfändeten Rückdeckungsversicherungen abgesichert. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist die Pensionszusage als Teil der Vergütung des Schuldners zu sehen, die durch ihn selbst erwirtschaftet worden ist. In der Folge sind die Ansprüche des Schuldners aus den ihm verpfändeten Rückdeckungsversicherungen vollstreckungsrechtlich wie von ihm selbst erwirtschaftete Einkünfte zu behandeln.
Zusätzlich stellen die obersten Richter klar, dass dem Pfändungsschutz nach § 850i ZPO nicht entgegensteht, dass die Ansprüche aus den Versicherungen nicht oder nicht alle Anforderungen an eine nach § 851c ZPO geschützte Altersvorsorge erfüllen. Denn der Zweck des § 850i ZPO ist es, Schutzlücken für Selbständige zu schließen.
Das Insolvenzgericht muss den Zeitraum, für den Pfändungsschutz beansprucht werden kann, unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach freiem Ermessen bestimmen. Dabei ist vorausschauend auch die künftige Einnahmesituation des Schuldners zu berücksichtigen. Die Belange von Schuldner und Gläubiger müssen abgewogen werden.