Es geht um einen ehemaligen Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) einer GmbH, der eine gesetzliche Altersrente bezieht. Die GmbH hatte ihm eine Versorgungszusage erteilt, nach der er ab Erreichen des 65. Lebensjahres eine Pension von monatlich 3.000 DM, wahlweise eine Kapitalabfindung beanspruchen konnte. Zur Sicherung des Versorgungsanspruchs aufgrund der Pensionszusage verpfändete die GmbH dem GGF zwei von ihr bei der A. AG als Rückdeckungsversicherungen abgeschlossene Lebensversicherungen mit Kapitalwahlrecht.
2015 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des ehemaligen GGF (Schuldner) eröffnet (Privatinsolvenz). Die Versicherungszeiträume der verpfändeten Rückdeckungsversicherungen waren zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners abgelaufen. Die Ablaufleistungen der Versicherungen betrugen 129.297,70 Euro und 144.508,92 Euro. Die Versicherungsleistungen wurden am 21. März 2018 einem von dem Insolvenzverwalter eingerichteten Anderkonto gutgeschrieben.
Nun stritt man sich darum, ob und in welcher Höhe dem ehemaligen GGF als Schuldner Ansprüche zuständen:
Der ehemalige GGF beantragte 2018, ihm einen Betrag von 647,22 Euro monatlich pfandfrei zu belassen und den Insolvenzverwalter anzuweisen, zur Sicherung der Unterhaltsrente einen Betrag von 140.000 Euro nicht für die Masse zu verwerten
Der Insolvenzverwalter wies das zurück und vertrat insbesondere die Auffassung, § 850i ZPO sei nicht mehr anwendbar, weil die Versicherungsleistungen vor Stellung des Pfändungsschutzantrags ausbezahlt worden seien.
Das Insolvenzgericht hat angeordnet, dem Schuldner insgesamt einen Teilbetrag von 6.922,40 Euro nach § 850i ZPO pfandfrei zu belassen, wobei es nach Würdigung von Bedarf und Einkommen eine monatliche Unterdeckung in Höhe von 173,06 Euro angenommen und als angemessenen Zeitraum im Sinne des § 850i Abs. 1 Satz 1 ZPO – entsprechend der Zeitspanne zwischen Antragstellung und Ablauf der Abtretungserklärung – 40 Monate zugrunde gelegt hat.
Diese Entscheidung passt weder dem ehemaligen GGF noch dem Insolvenzverwalter. Beide legten Beschwerde ein. Das Beschwerdegericht wies den Antrag des ehemaligen GGF auf Pfändungsschutz insgesamt zurück. Dann landete der Fall vor dem Bundesgerichtshof.
Der ehemalige GGF und Schuldner hatte Erfolg. Die Leitsätze der Entscheidung lauten:
Erhält der Schuldner aus einer Kapitallebensversicherung, die ihm zur Sicherung für Ansprüche aus einer für seine Tätigkeit als Geschäftsführer erteilten Pensionszusage wirksam verpfändet ist, nach Pfandreife eine Einmalleistung, kann er hierfür Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte geltend machen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Voraussetzungen des besonderen Pfändungsschutzes bei Altersrenten nicht gegeben sind.
Der BGH setzt folgende Maßstäbe für den Pfändungsschutz:
- Grundsätzlicher Pfändungsschutz: Nach § 850i Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht dem Schuldner, wenn sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, gepfändet werden, auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde, soweit dies erforderlich ist, damit dem Schuldner ein unpfändbares Einkommen in Höhe der von § 850c Abs. 1, Abs. 2a ZPO bestimmten Beträge gegebenenfalls in Verbindung mit §§ 850e, 850f Abs. 1 ZPO verbleibt.
- Schutzzweck: Die Regelung soll gewährleisten, dass der Schuldner seinen Lebensunterhalt in angemessenem Umfang mit eigenen Mitteln bestreiten kann und hierfür nicht auf staatliche Leistungen angewiesen ist
- Schutzumfang: Die Regelung will vornehmlich Einkünfte Selbständiger und generell solche aus nicht abhängiger Tätigkeit einem Pfändungsschutz zuführen. Unter die Vorschrift fallen auch Einkünfte aus kapitalistischer Tätigkeit, etwa Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung, auch Werklohnansprüche und aus der Verwertung von Eigentum des Schuldners resultierende Forderungen, unabhängig davon, ob das zur Entstehung der Forderung verwertete Kapital erarbeitet wurde, solange die Einkünfte nur selbst erzielt sind
- Ausnahmen vom Schutz als Einkünfte i. S. des § 850i ZPO sind Geldforderungen, die der Schuldner nicht aufgrund wirtschaftlicher Betätigung erwirbt, z. B. Geschenke, Lottogewinne und erbrechtliche Ansprüche.
Nach diesem Maßstab handelt es sich bei den Ansprüchen des Schuldners/ehemaligen GGF aus den ihm verpfändeten Rückdeckungsversicherungen um selbst erwirtschaftete Einkünfte. Die dem Schuldner erteilte Pensionszusage hat nämlich nicht nur Versorgungs-, sondern auch Entgeltcharakter und steht damit der Leistung des Schuldners auch als Gegenleistung aus dem Dienstverhältnis gegenüber. Diese Pensionszusage wurde durch die verpfändeten Rückdeckungsversicherungen abgesichert. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist die Pensionszusage als Teil der Vergütung des Schuldners zu sehen, die durch ihn selbst erwirtschaftet worden ist. In der Folge sind die Ansprüche des Schuldners aus den ihm verpfändeten Rückdeckungsversicherungen vollstreckungsrechtlich wie von ihm selbst erwirtschaftete Einkünfte zu behandeln.
Zusätzlich stellen die obersten Richter klar, dass dem Pfändungsschutz nach § 850i ZPO nicht entgegensteht, dass die Ansprüche aus den Versicherungen nicht oder nicht alle Anforderungen an eine nach § 851c ZPO geschützte Altersvorsorge erfüllen. Denn der Zweck des § 850i ZPO ist es, Schutzlücken für Selbständige zu schließen.
Das Insolvenzgericht muss den Zeitraum, für den Pfändungsschutz beansprucht werden kann, unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach freiem Ermessen bestimmen. Dabei ist vorausschauend auch die künftige Einnahmesituation des Schuldners zu berücksichtigen. Die Belange von Schuldner und Gläubiger müssen abgewogen werden.
Der BGH gewährt mit einer weiten Auslegung auch im Falle von Kapitalzahlungen im Falle einer Privatinsolvenz Selbständigen mehr Pfändungsschutz. Das ist ein positives Signal. Allerdings muss der Pfändungsschutz beim zuständigen Insolvenzgericht beantragt und begründet werden. Die Maßstäbe, nach denen Insolvenzgericht zukünftig entscheiden müssen, hat der BGH jetzt vorgegeben.