Das Bundesarbeitsgericht (Urteile vom 26.1.2021, 3 AZR 139/17 und 3 AZR 878/16 und 20 weitere gleichgelagerte Verfahren, Pressemitteilung) hatte zu entscheiden, inwieweit der Betriebserwerber, der nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine Firma erwirbt, für die Betriebsrenten / Betriebsrentenanwartschaften haftet.
Eine große Frage war, ob es weiterhin zulässig ist, dass in Deutschland bei einer Insolvenz mit anschließendem Betriebsübergang auf einen Betriebserwerber, der Betriebserwerber für Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung erst ab Stichtag der Insolvenz haftet. Der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) hingegen tritt für die bAV bis zum Eintritt der Insolvenz. Oder muss nach europäischen Recht der Betriebserwerber für die komplette Anwartschaft eintreten? Das würde den Betriebserwerb nach Insolvenz – gerade in der Pandemie – deutlich verteuern, bzw. eine Gesetzesänderung des § 613a BGB nötig machen. Die zentrale Frage ist, ob das Bundesarbeitsgericht an seiner Rechtsprechung aus 1980 festhält, das genau diese stichtagsbezogene Teilung in Deutschland institutionalisiert hatte.
In den beiden Streitfällen entschied das Bundesarbeitsgericht folgendermaßen:
Den beiden Klägern sind Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt worden. Nach der Versorgungsordnung berechnet sich ihre Betriebsrente nach der Anzahl der Dienstjahre und dem – zu einem bestimmten Stichtag vor dem Ausscheiden – erzielten Gehalt. Über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin wurde am 1.3.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im April 2009 ging der Betrieb nach § 613a Abs. 1 BGB auf die Beklagte über.
Einer der Kläger erhält seit August 2015 von der Beklagten eine Betriebsrente iHv. ca. 145,00 Euro und vom PSV eine Altersrente iHv. ca. 817,00 Euro. Bei der Berechnung legte die Beklagte zwar die Versorgungsordnung einschließlich des zum maßgeblichen Stichtag vor dem Versorgungsfall bezogenen höheren Gehalts zugrunde, ließ aber den Anteil an der Betriebsrente, der vor der Insolvenz erdient war, außer Betracht. Der PSV setzte dagegen – wie im Betriebsrentengesetz vorgesehen – das zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens maßgebliche niedrigere Gehalt des Klägers an. Der Kläger hält die Beklagte für verpflichtet, ihm eine höhere Betriebsrente zu gewähren. Diese müsse sich nach den Bestimmungen der Versorgungsordnung auf der Basis des höheren Gehalts unter bloßem Abzug des Betrags errechnen, den er vom PSV erhalte.
Das Bundesarbeitsgericht gab in beiden Fällen dem Arbeitgeber Recht
Nach der – im Hinblick auf die besonderen Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts einschränkenden – Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB durch die deutschen Arbeitsgerichte können die Kläger mit ihren Klagebegehren nicht durchdringen. Danach haftet ein Betriebserwerber in der Insolvenz nicht für Betriebsrentenanwartschaften, die im Sinne von § 108 Abs. 3 Insolvenzordnung für die Zeit vor Insolvenzeröffnung entstanden sind. Diese Rechtsprechung ist – wie der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden hat (EuGH 9.10.2020 – C-674/18 und C-675/18 – [TMD Friction]) – mit Unionsrecht vereinbar. Sie rechtfertigt sich nach der allgemeinen Regelung des Art. 3 Abs. 4 Richtlinie 2001/23/EG, der auch neben den nur in der Insolvenz geltenden Bestimmungen in deren Art. 5 anwendbar bleibt. Voraussetzung ist, dass ein Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG entsprechender Mindestschutz gewährt wird. Dieser unionsrechtlich gebotene Mindestschutz wird in der Bundesrepublik Deutschland durch einen unmittelbar aus dem Unionsrecht folgenden und gegen den PSV gerichteten Anspruch gewährleistet. Eine Haftung des Erwerbers scheidet deshalb aus.