Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat mit Beschluss vom 28. Juli 2023 (2 BvL 22/17) die Richtervorlage des FG Köln zur Verfassungswidrigkeit des Abzinsungssatzes für Pensionsrückstellungen nach § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG als unzulässig abgewiesen.
Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts lag folgende Konstellation des Finanzgerichts Köln vor:
Zum 31.12.2015 beliefen sich bei einer GmbH die gebildeten Pensionsverpflichtungen gemäß § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB auf etwa elf Millionen Euro.
Unterschiedlich hoher Ansatz der Rückstellung in der Handels- und Steuerbilanz
Die Rückstellung wurde in der Handelsbilanz nach nicht ergebniswirksamer Einbeziehung von saldierungs-fähigem Deckungsvermögen mit knapp 10 Millionen Euro angesetzt.
Steuerbilanziell ergab sich ein Wertansatz von nur 7,5 Millionen Euro.
Die unterschiedliche Höhe resultierte daraus, dass Pensionsrückstellungen in der Handelsbilanz unter Ansatz des sogenannten atmenden Rechnungszinsfußes von 3,89 % (2015) bewertet wurden, während für steuerbilanzielle Zwecke der feste Rechnungszinsfuß von 6 % anzusetzen war.
Als Folge lag das zu versteuernde Einkommen aufgrund der Steuerbilanz gegenüber dem handels-rechtlichen Jahresüberschuss um knapp 500.000 Euro höher. Die GmbH gab ihre Körperschaft-steuererklärung für 2015 unter Ansatz des Rechnungszinsfußes von 6 % ab. Gegen den darauf ergangenen Körperschaftsteuerbescheid legte sie Klage vor dem Finanzgericht Köln ein, welches das Verfahren aussetzte und sich per Vorlagebeschluss vom 12. Oktober 2017 (10 K 977/17) an das Bundesverfassungsgericht wandte.
Das Finanzgericht Köln hält § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG insoweit für verfassungswidrig, als darin ein Rechnungszinsfuß von 6 % angeordnet wird.
- Argument des FG-Köln: Ungleichbehandlung von Unternehmen, die Pensionsrückstellungen bilden, mit Unternehmen die sich an das Realisationsprinzip halten müssen
Das Realisationsprinzip gehört nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz HGB zu den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). So sind z.B. Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind.
Unternehmen die Pensionsrückstellungen bilden und durch die Abzinsung nach § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG nicht die vollen Aufwendungen ansetzen können, sind gegenüber allen übrigen Unternehmen, die ihre sonstigen Aufwendungen nach dem Realisationsprinzip vollständig geltend machen können im Nachteil
Dies wiegt um so schwerer, als dass § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG nicht nur sichere, quasi garantierte Zinserträge antizipiere, sondern unrealistisch hohe zukünftige Zinserträge zugrunde lege, die nur durch besonders riskante Kapitalanlagen erzielbar seien.
- Argument des FG Köln: der starre Rechnungszinsfuß von 6 % führt zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen.
Der starre Rechnungszinsfuß behandelt Steuerpflichtige unabhängig von der individuellen Rendite beziehungsweise den Verschuldungskonditionen gleich, so dass es zu einer Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem kommt, da der Zinsvorteil der späteren Steuerzahlung einheitlich mit 6 % typisiert wird.
Eine Typisierung ist nur dann hinnehmbar, wenn sich diese an marktüblichen Zinsen orientiert, weil diese von jedem betroffenen Unternehmen am Kapitalmarkt erwirtschaftet werden könnte. Zentrale Voraussetzung verfassungskonformer Typisierung ist somit die Realitätsgerechtigkeit. Dieses Gebot ist verletzt, da der Rechnungszinsfuß von 6 % bereits seit Jahren nicht mehr der Realität entspricht. Damit verstößt der starre Rechnungszinsfuß von 6% gegen das Willkürverbot.
Und so urteilte das Bundesverfassungsgericht (BverfG)
Das BVerfG bescheinigte der Vorlage des FG Köln die Unzulässigkeit. Und dies deutlich.
Hinsichtlich des 1. Arguments des FG Köln konnte das BVerfG das Vergleichspaar (Unternehmen die Rückstellungen nach § 6 a EStG bilden vs. Unternehmen, die ihren übrigen Aufwand gemäß dem Realisationsprinzip bilanzieren) nicht nachvollziehen und weist u.a. darauf hin, dass in der Handelsbilanz vorgenommene Rückstellungen keine zwingenden Vorgaben für die Steuerbilanz begründen.
Auch das 2. Argument des FG Kölns lies der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts nicht gelten.
Denn der Gesetzgeber darf generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen.
Auch die Höhe des Zinses begründet keine Verfassungswidrigkeit. Es liege im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ein ursprünglich verfolgtes rechtspolitisches Ziel (Anreiz zum Abschluss von Pensionszusagen) aus haushaltspolitischen Notwendigkeiten aufzugeben oder einzuschränken.
Und noch was gab das Bundesverfassungsgericht dem Finanzgericht auf den Weg. Aus der Entscheidung vom 8. Juli 2021 zur Verfassungswidrigkeit des Nachzahlungs- und Erstattungszinssatzes können für für den Zinssatz nach § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG keine Rückschlüsse gezogen werden. Dies liegt schlicht daran, dass es sich um eine nicht vergleichbare Konstellation handelte.