Das Urteil versucht die Quadratur des Kreises, und geht schlussendlich zu Lasten der Arbeitgeber aus.
Das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung liegt niedrig, die Stärkung der privaten und vor allem betrieblichen Altersversorgung ist aus politischer Sicht dringend notwendig. Doch immer wieder wird die betriebliche Altersversorgung durch Gesetze, Regulierung und Urteile mit weiteren Kosten belastet.
So auch am 1.9.2009: Es trat die Neuregelung des Versorgungsausgleichs in Kraft und per Federstrich mussten nun alle Arbeitgeber und Versorgungsträger hohe Aufwände aufbringen, um das Gesetz umzusetzen und bei jeder Scheidung am Prozess mit der Berechnung und Teilung der Betriebsrenten beteiligt zu sein. Wohl dem, der nur Mönche und Nonnen beschäftigte!
Gerade für die zwei aufwändigsten Durchführungswege, Pensionszusage und Unterstützungskasse, war den Arbeitgebern als Ausgleich für die hohen Mehraufwände die Option zur sogenannten externen Teilung versprochen worden. Betriebsrentenanrechte, deren Wert die Beitragsbemessungsgrenze GRV (2020: 82.800) nicht überschreiten, konnten gemäß § 17 VersAusglG durch eine entsprechende Zahlung an einen externen Versorgungsträger, z. B. die Versorgungsausgleichskasse, die genau für diesen Zweck geschaffen wurde, extern abgefunden werden.
Das heißt, der Arbeitgeber leistete zwar für den ausgleichsberechtigten Ehepartner eine Zahlung, musste aber nicht einen zweiten, betriebsfremden Betriebsrentenanwärter oder Betriebsrentner in sein System aufnehmen. Denn diese Aufnahme ist, z. B. bei Pensionszusagen zusätzlich mit hohen Verwaltungskosten, etwa für die jährlichen mathematischen Gutachten oder die Versteuerung und Verbeitragung der Renten, verbunden. Bei einer Scheidungsquote in Deutschland zwischen 30 und 50 % pro Jahr summieren sich da schnell die Kosten auf. Diese Kosten werden bisher von den Familiengerichten nur unzureichend bei interner Teilung berücksichtigt.
„Pferdefuß“ bei externer Teilung
Doch für die vielfach präferierte externe Teilung gibt es einen „Pferdefuß“: Die Arbeitgeber müssen für die auszugleichende Betriebsrente einen Kapitalwert berechnen. Diese Berechnung erfolgt gemäß versicherungsmathematischen Grundsätzen und der Bundesgerichtshof hat dazu entsprechende „Anwendungs“-Urteile gefällt.
Dieser Kapitalwert wird dann in eine neue Versorgung eingebracht, deren aktuelle Rechnungsgrundlagen (z. B. 0,9 % Rechnungszins und DAV-Sterbetafeln) zu teilweise deutlich niedrigeren Zielrenten im Vergleich zur Ausgangsrente führen. Genau um diese Differenz zwischen der geteilten internen Rente (Ausgangsversorgung) und der extern begründeten Ausgleichsrente (Zielversorgung) ging es nun in einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Es hatte zu entscheiden, ob die externe Teilung gemäß § 17 VersAusglG und der häufig damit verbundene „Transferverlust“ verfassungskonform sind (Urteil vom 26.5.2020,1 BvL 5/18). Und da häufig Frauen ausgleichsberechtigt sind, ging es auch um die mittelbare Benachteiligung von Frauen.
Urteil zu Lasten der Arbeitgeber
Das Urteil versucht die Quadratur des Kreises, und geht schlussendlich zu Lasten der Arbeitgeber aus.
Das Bundesverfassungsgericht urteilt zwar, dass die Regelung in § 17 VersAusglG nicht verfassungswidrig ist. Die Regelung diene dem verfassungsrechtlich legitimen Zweck, Arbeitgeber davor zu schützen, weitere Personen in ihre Versorgung aufnehmen zu müssen, die sie nicht selbst als Vertragspartner ausgewählt haben. Mittelbar diene dies der Förderung der betrieblichen Altersversorgung.
Dem berechtigten Interesse der Arbeitgeber stehen auf der anderen Seite die Interessen der ausgleichsberechtigen Person – die in der überwiegenden Zahl der Fälle weiblich ist – gegenüber, die keine unangemessene Verringerung ihrer Versorgungsleistungen hinnehmen dürfen.
Den Ausgleich dieser zwei gegenläufigen Interessen weist nun das Bundesverfassungsgericht den Familiengerichten zu. Sie haben die Aufgabe und den Entscheidungsspielraum, den Ausgleichswert bei der externen Teilung so zu bestimmen, dass die ausgleichsberechtigte Person keine unangemessene Verringerung ihrer Versorgungsleistung zu erwarten hat.
Das vorlegende Oberlandesgericht Hamm hatte die Grenze bei einer Abweichung der Zielversorgung von der Ausgangsversorgung von mehr als 10 % gesehen. Das sei, so die Richter des Bundesverfassungsgerichts, verfassungsrechtlich in Ordnung. Damit wird absehbar für die Gerichtsbarkeit eine 10 %-Grenze als Prüfmaßstab gesetzt.
Die Festsetzung des maximalen Transferverlustes i.H.v. 10 % kann dazu führen, dass die Familiengerichte höhere Ausgleichswerte, die vom Berechnungsvorschlag des Arbeitgebers abweichen, festsetzen. Das heißt, der Arbeitgeber kann nicht mehr aufwandsneutral an den Zielversorger leisten. Diese Mehrkosten der externen Teilung könne dann der Arbeitgeber vermeiden, wenn er die interne Teilung wähle. Diese Option der internen Teilung müsse im Versorgungsausgleichsverfahren sichergestellt werden.
Leitsätze des Urteils
- Der Versorgungsausgleich kann verfassungswidrig sein, wenn bei der verpflichteten Person eine Kürzung des Anrechts erfolgt, ohne dass sich dies entsprechend im Erwerb eines selbständigen Anrechts für die berechtigte Person auswirkt. Transferverluste aufgrund externer Teilung können zur Zweckverfehlung der Kürzung des Anrechts und damit zu deren Verfassungswidrigkeit führen (Klarstellung zu BVerfGE 53, 257 <302 f.>; 136, 152 <169 ff. Rn. 40 ff.>).
- Art. 14 Abs. 1 GG schützt beim Versorgungsausgleich, neben der ausgleichspflichtigen Person, auch die ausgleichsberechtigte Person selbst. Transferverluste aufgrund externer Teilung sind auch an ihrem Eigentumsgrundrecht zu messen.
- Bei der gerichtlichen Festsetzung des für die externe Teilung nach § 17 VersAusglG maßgeblichen Ausgleichswerts ist neben den Grundrechten der ausgleichsberechtigten und der ausgleichspflichtigen Person das Interesse des Arbeitgebers in die Abwägung einzustellen, extern teilen zu können, zugleich aber im Rahmen der externen Teilung lediglich aufwandsneutralen Kapitalabfluss hinnehmen zu müssen.
- Das Grundgesetz steht auch solchen Regelungen entgegen, die neutral formuliert und auch nicht verdeckt auf Benachteiligung ausgerichtet sind, jedoch tatsächlich ganz überwiegend Frauen benachteiligen. Von nachteiligen Effekten externer Teilung sind wegen der überwiegenden Aufteilung von familienbezogener und berufsbezogener Tätigkeit zwischen den Ehepartnern weit mehr Frauen als Männer betroffen. Solche faktischen Benachteiligungen können nur gerechtfertigt werden, wenn dafür hinreichend gewichtige Gründe bestehen.
- Es ist Aufgabe der Gerichte, bei Durchführung des Versorgungsausgleichs im Wege externer Teilung nach § 17 VersAusglG den als Kapitalbetrag zu zahlenden Ausgleichswert so festzusetzen, dass die Grundrechte aller beteiligten Personen gewahrt sind.