Wie erfahren gerade kleinere Arbeitgeber von dieser neuen Verpflichtung des „Zuschlags“ für Arbeitnehmer? Und wie kann das schlank umgesetzt werden? Dazu muss schon in 2018 jedes Unternehmen beraten werden. Die Zeit drängt.
Eigentlich sollte alles ganz einfach sein. Wenn schon das Gesundheitsministerium nicht bereit war, die Beitragslast auf Betriebsrenten im Alter (bis auf eine kleine Ausnahme) zu mildern, so sollte – so der Wille der letzten GroKo – die Attraktivität der Betriebsrente dadurch wiederhergestellt werden, dass es in der Anwartschaftsphase einen „Zuschlag“ für die Arbeitnehmer gibt. Dieser Zuschlag soll in vielen Fällen ab dem 01.01.2019 greifen. Spätestens 2022 gilt diese Regelung auch für alle „Altfälle“ und kollektiven Systeme.
Der „Zuschlag“ besteht darin, dass der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist, 15 % seiner Sozialversicherungsersparnis weiterzugeben beziehungsweise – so die offizielle Lesart des Bundesarbeitsministeriums – „soweit“ er Sozialversicherungsbeiträge einspart auch weniger, wenn das nachweislich so ist.
Doch wie erfahren gerade kleinere Arbeitgeber von dieser neuen Verpflichtung? Und wie kann das schlank umgesetzt werden? Dazu muss schon in 2018 jedes Unternehmen beraten werden. Die Zeit drängt. Hier einige Risiken und Nebenwirkungen aus der täglichen Praxis.
1. Wo steht denn das? Oder die digitale Lücke
Der neue § 1a Abs. 1a BetrAVG und die Regelung für Altfälle im § 26a BetrAVG wurde zwar vom Bundestag verabschiedet und im Bundesgesetzblatt ordnungsgemäß verkündet (BGBl. I, 3214 vom 23.08.2017). Doch, wenn der Berater zum Gespräch kommt, wird er gar nicht so selten damit konfrontiert, dass der Arbeitgeber, Personaler, Betriebsrat meint, dass das ja noch gar nicht Gesetz sei.
Des Rätsels Lösung: Wichtige Internetplattformen, wie www.Gesetze-im-Internet.de – immerhin ein gemeinsames Projekt des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und der juris GmbH, www.rechtliches.de oder www.buzer.de haben den § 1a Abs. 1a und § 26a BetrAVG irgendwie „vergessen“.
Maßgeblich ist aber die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt!
2. Schlanke Umsetzung ohne Nebenwirkungen?
Die Formulierung des Gesetzes erlaubt es auch „spitz“ abzurechnen – also centgenau. Das trifft vor allem Personengruppen, die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) Kranken oder der BBG Rente verdienen, aber auch Personengruppen, die – mangels Pflichtversicherung in der GRV – gar nicht unter den neuen § 1a Abs. 1a fallen. Differenzierung bedeutet in der täglichen Lohnabrechnung immer Fehleranfälligkeit. Denn auch das beste Lohnabrechnungsprogramm ist abhängig davon, dass man die richtigen Daten „einfüttert“. Und wir wünschen auch viel Spaß damit, im Betrieb zu kommunizieren, warum die einen 15 % erhalten, andere etwas weniger und wieder andere überhaupt nichts.
Hinweis für die Praxis:Insbesondere die besten Fachkräfte bekommen aufgrund der Grundkonstruktion des § 1a Abs. 1a BetrAVG einen geringeren oder keinen Zuschuss. Das ist in der Praxis von Unternehmen im anhaltenden Fachkräftemangel häufig nicht erwünscht.
Da der Arbeitgeber bei Arbeitnehmern, die unterhalb der BBG Kranken verdienen, immer noch rund 5 % Sozialversicherungsersparnis hat, ist die probate und einfache Lösung in der Praxis pauschal allen Arbeitnehmern 15 % Arbeitgeberzuschuss zu geben. Genau gerechnet „kostet“ die einfache Lösung auch kaum etwas.
Hier die Vorteile auf einen Blick:
- Die gesetzliche Vorgabe wird auf jeden Fall für alle Arbeitnehmer erfüllt und noch vorhandene gesetzliche Unklarheiten bereiten bei zukünftigen gesetzlichen bzw. gerichtlichen Klarstellungen keine Probleme;
- keine Risiken durch nicht rechtzeitige Anpassungen der Zuschüsse bei „spitzer“ Abrechnung der Zuschüsse (Verjährungsfrist, Verzugszinsen, Überschreiten des VAZ, Anpassung der Police durch Versicherung u.v.a.m.);
- deutliche Minderung des Gesamtaufwands für die Lohnbuchhaltung (keine Überprüfung, Umstellung, Nachberechnung und Abgrenzung nötig);
- keine Diskussionspotenziale in der Belegschaft aufgrund unterschiedlicher Zuschusshöhen;
- einheitliche, vereinfachte Kommunikation an die Belegschaft und geringerer Pflege- und Anpassungsaufwand der Informationsunterlagen.
Einfach gesagt: Einheitlich geregelt, ist sicher geregelt!
3. Arbeitsrechtliche „Nebenwirkungen“
Zwei Hinweise seien für die Gespräche mit den Firmen und die Umsetzung erlaubt:
Zum einen sind Personaler und Lohnabrechnungen häufiger der – irrigen – Meinung: „Kleine Fehler machen ja nichts. Wenn uns etwas „durchrutscht“, können wir das ja mit der nächsten Lohnabrechnung korrigieren“. Das ist aber nicht nur aufwendig, sondern zeigt auch, dass hier in „Geld“ gedacht wird. Doch dem Arbeitnehmer wird bei einem defizitären Zuschuss nicht etwa Geld geschuldet, sondern Versorgungsleistung. Das heißt, es entsteht eine Einstandspflicht des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG. Und die verjährt bekanntlich erst 30 Jahre nach Eintritt des Versorgungsfalles.
Kluge Arbeitgeber sehen jetzt schon den Administrationsaufwand und geben grünes Licht für die pauschale Weitergabe in allen Fällen. Da die gesetzliche Pflicht aber erst nach dem 01.01.2019 bzw. 01.01.2022 greift, greift für diese arbeitgeberfinanzierte Lösung auch ganz bzw. teilweise nicht die sofortige gesetzliche Unverfallbarkeit. Das kann bei Pensionsfonds sogar den gesetzlichen Insolvenzschutz mindern. Und lässt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Falle einer Insolvenz „im Regen stehen“.
Hinweis für die Praxis:Bei einer pauschalen und einfachen Weitergabe der Sozialversicherungsersparnis sollte immer zumindest eine vertragliche Unverfallbarkeit, „insoweit“ keine gesetzliche Unverfallbarkeit besteht, eingeräumt werden. Musterunterlagen sollten auf diese Klausel überprüft werden.
Fazit
Die Neuregelung des § 1a Abs. 1a BetrAVG stellt Berater und Firmen vor große Herausforderungen. Eine pauschale Weitergabe der Sozialversicherungsersparnis unter Beachtung der Risiken und Nebenwirkungen rät sich dringend an.