Die Klägerin, eine Betriebsrentnerin, bezieht zwei Betriebsrenten und wollte klären, wie denn der neue Freibetrag auf die beiden Betriebsrenten aufzuteilen ist.
Die Betriebsrentnerin klagt gegen die Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen aus der Kapitalleistung einer Lebensversicherung. Aktuell werden bei ihr zwei Betriebsrentenleistungen verbeitragt:
Im Jahr 2016 zahlte ein Lebensversicherer auf der Grundlage eines von dem Arbeitgeber abgeschlossenen Direktversicherungsvertrages ca. 14.000 Euro an die Klägerin aus. Aus einer Kapitalleistung wird ein fiktiver monatlicher Zahlbetrag ermittelt. Dabei wird so getan, als würde die Kapitalleistung über 10 Jahre verteilt (120 Monate). Dieser fiktive monatliche Zahlbetrag betrug in diesem Fall ca. 115 Euro. Das lag unter der sogenannten Freigrenze nach § 226 Abs. 2 SGB V (alte Fassung vor dem 1.1.2020). Die Betriebsrentnerin zahlte daher keine Beiträge an ihre Gesetzliche Krankenversicherung.
Doch dann kam eine zweite Betriebsrentenleistung hinzu und die Freigrenze wurde überschritten. Mit der Wirkung, dass nun die gesamte Leistung verbeitragt wird: Mit Wirkung ab Juli 2017 – seit diesem Zeitpunkt bezieht die Klägerin zusätzlich eine Hinterbliebenen-Betriebsrente – setzten die Kranken- und die Pflegekasse der Klägerin, die Beklagten, monatliche Beiträge aus der Kapitalleistung fest.
Dagegen klagte die Betriebsrentnerin: Sie wandte ein, die Verbeitragung sei unverhältnismäßig und sie sei unvorhersehbar gewesen.
(Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 29.01.2020 – S 6 KR 2676/18, nicht rechtskräftig, Pressemitteilung)
Die Klage vor dem Sozialgerichts Karlsruhe hatte teilweise Erfolg.
Für die Verbeitragung bis zum 1.1.2020 gingen die Richter davon aus, dass die Beitragserhebung zu Recht erfolgt sei. Die Beitragspflicht von Leistungen aus Direktversicherungen sei höchstrichterlich geklärt und die Einwände der Klägerin, die Verbeitragung sei unverhältnismäßig und sie sei unvorhersehbar gewesen, griffen nicht durch.
Allerdings sieht die Sachlage ab 1.1.2020 anders aus. Ab diesem Zeitpunkt sei die Klage teilweise begründet, soweit sie sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur GKV für die Zeit ab dem 1. Januar 2020 richte. Der müsse ab 1.1.2020 berücksichtigt werden.
Begründung
Da es sich bei Beitragsbescheiden um sog. Dauerverwaltungsakte handle, seien auch nach Bescheiderlass eintretende Rechtsänderungen bei der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Vorliegend sei dies die Regelung des § 226 Abs. 2 Satz 2 SGB V, die seit dem 1. Januar 2020 für Renten der betrieblichen Altersvorsorge, wozu auch die Kapitalleistung zähle, einen Freibetrag von 1/20 der monatlichen Bezugsgröße vorsehe.
Und das Gericht äußerte sich auch gleich dazu, wie der Freibetrag bei mehreren Betriebsrenten anzuwenden sei.
Denn es sei gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, wie der Freibetrag zu verteilen sei, wenn ein GKV-Versicherter wie die Klägerin mehrere Betriebsrenten gleichzeitig beziehe. Daher sei die Vorschrift des § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB IV entsprechend anzuwenden, die bei Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze wegen des Zusammentreffens von Einkommen aus verschiedenen Versicherungsverhältnissen die verhältnismäßige Minderung der einzelnen Einkünfte anordne. Nach diesem Maßstab sei der Freibetrag verhältnismäßig auf die beiden Betriebsrenten aufzuteilen.
Die Folge
Aus der Kapitalleistung seien daher ab dem 1. Januar 2020 GKV-Beiträge nur noch in Höhe von 8,66 Euro statt wie bisher knapp 17 Euro geschuldet. Ob die verhältnismäßige Anrechnung des Freibetrages auf mehrere Betriebsrenten kraft Gesetzes eintrete oder einen vorherigen Antrag voraussetze, könne dahinstehen, weil die Klägerin in der mündlichen Verhandlung jedenfalls einen entsprechenden Antrag gestellt habe.
Das ist ein klassisches Eigentor der betroffenen Krankenkasse. Die verhältnismäßige Aufteilung ist nämlich sowohl für die Krankenkasse wie die betroffene Zahlstelle besonders aufwändig. Daher hat der GKV-Spitzenverband in seinen Rundschreiben zur Umsetzung des neuen Freibetrags empfohlen, dass der Freibetrag zunächst auf eine Betriebsrente angewandt wird und ein verbleibender Restbetrag dann auf die nächste Betriebsrente übertragen wird.
Dazu soll bis zum 1.10.2020 das Zahlstellenmeldeverfahren und die entsprechenden Datensätze angepasst werden (GKV-Rundschreiben u. a. vom 20.12.2019 – 2019/734, 19.2.2020 – 2020/096, Grundsätze Zahlstellen-Meldeverfahren vom 13.2.2020 und Verfahrensgrundsätze zum Zahlstellen-Meldeverfahren vom 18.3.2020).