Die geförderte private Altersvorsorge soll nach dem Willen der Bundesregierung grundlegend reformiert werden.
Wie eine Reform aussehen könnte, war Prüfauftrag der Fokusgruppe private Altersversorgung, der neben den Bundesministerien der Finanzen, Wirtschaft, Arbeit- und Soziales auch Vertreter des Verbraucherschutzes (Stiftung Warentest und vzbv), der Sozialpartner (BDA und DGB), der Versicherungswirtschaft (GDV) sowie der Arbeitsgemeinschaft betrieblichen Altersversorgung (aba) und der Wissenschaft angehörten.
Und da die betriebliche Altersversorgung durch die private Altersversorgung tangiert wird, wurde der Abschlussbericht mit Spannung erwartet. Dieser liegt seit dem 18.7.2023 vor und wird voraussichtlich am 26.7.2023 in das Kabinett eingebracht. Die Umsetzung soll dann in 2024 erfolgen.
Wesentliche Empfehlungen der Fokus-Gruppe
1. Prüfauftrag der Fokusgruppe:
Die Fokus-Gruppe hatte den Auftrag, einerseits die Möglichkeit eines öffentlich verantworteten Fonds zu prüfen, der ein kostengünstiges und effektives Angebot unterbreitet und abgewählt werden kann. Und andererseits die gesetzliche Anerkennung privater Produkte zu prüfen, die eine höhere Rendite als Riester-Verträge ermöglichen.
2 . Zielgruppen:
Förderung der unteren Einkommensgruppen, junger Menschen und Personen mit Kindern durch gezielte ergänzende Zulagen. Und auch an die bAV wurde in der Fokus-Gruppe gedacht. Denn die Geringverdienerförderung nach § 100 Einkommensteuergesetz soll verbessert werden. Und die Förderung der privaten Altersvorsorge soll auch in der betrieblichen Altersversorgung nutzbar sein (§ 82 Absatz 2 EStG).
3. Einfachheit
Für die Einfachheit ist nach Auffassung der Fokus-Gruppe ein leicht verständliches Produktdesign zentral.
4. Fördersystematik:
Die Fokusgruppe empfiehlt, an einem System, bei dem
- untere Einkommensgruppen,
- junge Menschen und
- Eltern von Kindern oder
- jungen Erwachsenen in Ausbildung
besonders hohe Förderquoten erreichen auch für neue Konzepte der privaten Altersvorsorge im Grundsatz festzuhalten.
Sinnvolle Möglichkeiten sind hierbei:
- besser nachvollziehbare Zulageformen,
- eine vereinheitlichte Kinderzulage,
- ein Ausbau des Berufseinsteigerbonus
- sowie eine Anpassung des Höchstbetrags, in dem der Sonderausgabenabzug auf vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung begrenzt wird
- Auch sollte der förderberechtigte Personenkreis auf Selbstständige ausgeweitet werden, sobald eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (mit Möglichkeit eines Opt-Out) für diese Gruppe besteht.
5. Rendite, Risiken und Garantien:
Um höhere Renditen für die Altersvorsorge in der Ansparphase zu erzielen, ist neben geringeren Kosten eine mit entsprechenden Chancen und Risiken verbundene realwertorientierte Kapitalanlage (insbesondere Aktien, aber auch Beteiligungen und Immobilien) sinnvoll. Künftig soll daher zusätzlich auch ein förderfähiges und zertifiziertes Altersvorsorgedepot zugelassen werden, in dessen Rahmen in Fonds, aber auch in andere geeignete realwertorientierte Anlageklassen investiert werden kann. Gerade bei einem langem Vorsorgezeitraum bergen Garantien den Nachteil, dass sie Anbieter vorrangig zu einer sicherheitsorientierten Anlage verpflichten und dadurch geringere Renditechancen bieten („implizite Kosten der Garantien“).
Die Garantieanforderung bei Fondsprodukten sowie reinen fondsgebundenen Versicherungsprodukten sollte daher entfallen. Die verpflichtende Beitragserhaltungszusage bei klassischen versicherungsförmigen und hybriden Produkten in der Ansparphase sollte reduziert werden. Es sollen aber auch weiterhin Produkte mit Garantien angeboten werden können.
6. Kosten:
Die Fokusgruppe empfiehlt zur Senkung von Kosten, Produkt- und Bürokratieanforderungen zu vereinfachen und durch einfache und kostengünstige Wechselmöglichkeiten den Wettbewerb zwischen Anbietern in der Ansparphase sowie vor der Auszahlungsphase zu stärken. Abschlusskosten könnten in laufende Kosten auf die gesamte Vertragslaufzeit umgerechnet werden. Ferner könnte auf Abschlusskosten beim Wechsel von Altersvorsorgeprodukten und Anbietern verzichtet werden. Zudem sollte das Angebot der Eigenheimrenten- Förderung („Wohn-Riester“) nicht mehr verpflichtend vorgegeben werden, sondern nur noch optional sein. Bestehende Optionsmöglichkeiten in den geförderten Produkten (z. B. Absicherung der Berufsunfähigkeit) sollten zugunsten einer stärkeren Vereinheitlichung reduzieren werden.
7. Zertifizierungsverfahren:
Die Ausgestaltung eines erweiterten Zertifizierungsverfahrens für die Zulassung aller privaten förderfähigen Altersvorsorgeprodukte sollte ausgearbeitet und umgesetzt werden. Durch ein solches Verfahren könnte in transparenter Form sichergestellt werden, dass qualitative und quantitative Kriterien (u. a. Risikodiversifikation, Kosten, Garantien) berücksichtigt werden.
8. Transparenz, Digitalisierung und Beratung:
Die Produktinformationen sowohl für die Anspar- als auch für die Auszahlungsphase sollten über eine unabhängige, digitale und kostenlos zugängliche Vergleichsplattform in verständlicher Form bereitgestellt werden.
Die Ausweisung der Kosten sollte den europäischen Standards der „Packaged Retail and Insurance-based Investment Products“ (PRIIPs)-Verordnung entsprechen.
Die dafür notwendigen Informationen sollten von den Anbietern zur Verfügung gestellt werden müssen. Darüber hinaus sollte sowohl zu Beginn der Ansparphase als auch vor Beginn der Auszahlungsphase eine zusätzliche unabhängige und individuelle Altersvorsorgeberatung erfolgen. Es sollte auch die elektronische Übersendung zulässig sein, sofern das gewünscht ist. Zur Information der Altersvorsorgenden kann auch das Angebot der säulenübergreifenden „Digitalen Rentenübersicht“ beitragen, die seit Jahresmitte 2023 verfügbar ist.
9. Auszahlungsphase:
Um mehr Flexibilität in der Verwendung der privaten Altersvorsorge und befristet höhere Auszahlungsbeträge zu ermöglichen, könnte auf eine verpflichtende, in der Höhe konstante oder steigende Absicherung des Langlebigkeitsrisikos z. B. ab der Regelaltersgrenze verzichtet werden, und höhere Teilauszahlungen sowie Auszahlungspläne ohne Restverrentung könnten ermöglicht werden. Dabei sollte die Länge der Auszahlungsphase so bemessen sein, dass sie in der Regel einen hohen Anteil der erwarteten Rentenzeit abdeckt. Die Fokusgruppe empfiehlt zudem, die Möglichkeiten der kompletten Auszahlung von Altersvorsorgevermögen zu Beginn der Auszahlungsphase für eine selbstgenutzte Immobilie zu ermöglichen.
Zudem sollte die Möglichkeit geschaffen werden, das gesamte Altersvorsorgevermögen zu Beginn des Ruhestands dafür zu nutzen, den Vollrentenbezug der gesetzlichen Altersrente aufzuschieben oder andere Leibrenten (möglicherweise auch über den Erwerb von Entgeltpunkten in der Gesetzlichen Rentenversicherung) zu erwerben.
10. Riester-Bestand:
Eine neue geförderte private Altersvorsorge, sollte im Rahmen des rechtlich Möglichen auch den aktuellen Riester-Bestand aufnehmen können, wobei bestehende Verträge nur im Konsens zwischen den Vertragspartnern geändert werden können.
11. Öffentlich verantworteter Fonds:
Das Modell eines öffentlich verantworteten Fonds mit Abwahlmöglichkeit sollte nicht weiterverfolgt werden.