Ob Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung den Mindestlohnanspruch erfüllen können oder nicht, war schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes (MiloG) nicht eindeutig geklärt. Nun hat das Bayrische OLG sich in einem kuriosen Fall dazu geäußert.
Zum Hintergrund
Der gesetzliche Mindestlohn ist immer wieder mal „Spielball“ politischer Diskussionen. Dabei geht es gar nicht mehr darum, ob ein gesetzlicher Mindestlohn sinnvoll ist oder nicht, sondern um dessen Höhe. Zum 1.7.2021 wurde der gesetzliche Mindestlohn auf 9,60 Euro angehoben und soll weiter in zwei Schritten erhöht werden.
- Schritt 1: Vom 1.1.2022 bis 30.6.2022 beträgt der gesetzliche Bruttomindestlohn 9,82 Euro
- Schritt 2: Vom 1.7.2022 bis 31.12.2022 beträgt der gesetzliche Bruttomindestlohn 10,45 Euro
Damit ist aber noch nicht geklärt, durch welche Leistungen des Arbeitgebers der Mindestlohnanspruch erfüllt werden kann. Das Mindestlohngesetz spricht in § 1 Abs. 1 und 2 lediglich von einem Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts (Abs. 1) und nennt einen Euro-Betrag (Abs. 2). Das lässt einen für die Frage, ob durch Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung der Mindestlohnanspruch erfüllt werden kann, zunächst einmal ratlos zurück. Zwar ist in der Gesetzesbegründung zum Mindestlohnanspruch (BT-Drucksache 18/1558, Seite 35) wie folgt zu lesen:
„Die Vorschrift des Satzes 1 bestimmt deshalb, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam sind. Satz 1 lässt eine Entgeltumwandlung nach dem Betriebsrentengesetz unberührt; sie bleibt weiterhin möglich.“
Gesetzesbegründung zum Mindestlohnanspruch (BT-Drucksache 18/1558, Seite 35)
Daraus wurde vielfach (voreilig) geschlossen, dass durch Entgeltumwandlung der Mindestlohn sanktionslos unterschritten werden kann, ohne aber zu bedenken, dass es sich nicht um einen Gesetzestext, sondern nur um eine Gesetzesbegründung handelte.
Der Fall vor dem Bayrischen Oberlandesgericht
Vor diesem Problem, nämlich durch welche Leistungen ein Arbeitgeber den Mindestlohnanspruch erfüllt, stand auch das Bayrische Oberlandesgericht in seinem Urteil vom 26.11.2020, 201 ObOWi 1381/20.
Im zu entscheidenden Fall wurde die Mutter bzw. Ehefrau zweier OHG-Gesellschafter im Umfang von monatlich 43,33 Stunden beschäftigt. Aber statt Lohnzahlungen erhielt sie eine Sachleistung in Form der Überlassung eines Pkws und eine betriebliche Altersversorgung, die auch dann geleistet worden wäre, wenn sie gar keine Arbeitsleistung erbracht hätte.
Sachleistungen können den Mindestlohnanspruch nicht erfüllen
Das Gericht hat der Gewährung der Überlassung des PKW als Sachleistung zur Erfüllung des Mindestlohnspruchs eine Absage erteilt und stellte auf den Wortlaut des Gesetzes ab, der von „Zahlung“ spricht und einen Euro-Betrag nennt. Beides spricht nach Auffassung der Richter gegen die Möglichkeit, durch eine Sachleistung den Mindestlohnanspruch zu erfüllen.
Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung können den Mindestlohnspruch erfüllen, wenn sie im Austauschverhältnis Leistung gegen Arbeit stehen.
Bei der Frage, ob die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung den Mindestlohnanspruch erfüllen können, holte das Gericht ein wenig weiter aus und ging davon aus, dass alle im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis stehenden Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet sind, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Dabei ging das Gericht darauf ein, wann dies nicht der Fall ist, und nannte in diesem Zusammenhang das EuGH-Urteil vom 7.11.2013, C-522/13, bei dem es um die Frage ging, ob durch vermögenswirksame Leistungen der Mindestlohnanspruch erfüllt werden kann.
Der EuGH urteilte, dass es sich bei Vermögenswirksamen Leistungen um ein durch öffentliche Mittel gefördertes sozialpolitisches Ziel handelt. Daher können sie für die Anwendung der Richtlinie 96/71 auch nicht als Komponente des üblichen Verhältnisses zwischen der Arbeitsleistung und der hierfür vom Arbeitgeber zu erbringender finanzieller Gegenleistung angesehen werden. Entscheidend ist für die Erfüllung des Mindestlohnanspruchs demnach, ob eine Leistung im Gegenseitigkeitsverhältnis steht.
Und genau dies war im Fall des Bayrischen Oberlandesgerichts, bei der konkret gewährten betrieblichen Altersversorgung, die völlig unabhängig von einer Arbeitsleistung erbracht wurde, nicht der Fall. Diese schied also ebenso wie die Sachleistung zur Erfüllung des Mindestlohnanspruchs aus.
Man könnte nun im Umkehrschluss davon ausgehen, dass der Mindestlohnanspruch durch Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung erfüllt werden kann, weil die Beitragsleistung in Abhängigkeit von der Arbeitsleistung steht.