Erbittert streiten seit einigen Jahren Betriebsrentner von Pensionskassen darum, dass ihre Betriebsrente alle drei Jahre nach Entwicklung des Verbraucherpreisindex angepasst werden (§ 16 Abs. 1–2 BetrAVG). Bei diesem Streit um die Anpassungsprüfungspflicht berufen sich die Pensionskassen bisher auf die Ausnahmeregelung nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG. Dort ist zu lesen:
„Die Verpflichtung nach Absatz 1 entfällt, wenn … die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 oder über eine Pensionskasse im Sinne des § 1b Abs. 3 durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden.“
Schon zweimal wurde vom Gesetzgeber diese Passage „nachgebessert“. Nun richtet sich die Klage eines Betriebsrentners darauf, was genau erfüllt sein muss, damit der Arbeitgeber von der Verpflichtung, alle drei Jahre zu prüfen und anzupassen, befreit ist. Dabei geht es um viel Geld und vor allem um hohen Aufwand, den die einzelnen Arbeitgeber betreiben müssten, wenn sie alle drei Jahre tatsächlich überprüfen müssen. Denn dann würden die Überschüsse nicht immer die Anpassung nach Kaufkraft decken.
Die Differenz müsste vom Arbeitgeber getragen werden. Alle Rentner wären alle drei Jahre anzuschreiben, die Richtigkeit einer Anpassung nach Kaufkraft würde zum wahrscheinlich häufigsten Streitpunkt vor den Arbeitsgerichten im Bereich der Betriebsrenten. Nun hatte das BAG (Urteil vom 10.12.2019, 3 AZR 122/18, Pressemitteilung) zu entscheiden.
Die Klägerin (Betriebsrentnerin) stand seit April 1983 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten (Arbeitgeber). Im November 1983 erteilte der Arbeitgeber eine Versorgungszusage, die über den Bankenversicherungsverein (BVV), eine Pensionskasse, durchgeführt wurde.
Die Klägerin bezieht seit Oktober 2011 vom BVV eine Betriebsrente in Höhe von 920,07 Euro brutto monatlich. Mit ihrer am 12. Februar 2016 eingegangenen Klage hat sie deren Anpassung zum 1. Oktober 2014 begehrt. Die Beklagte hat eine Anpassung unter Hinweis auf § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG wegen der Absicherung über die Pensionskasse des BVV abgelehnt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Revision vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts war teilweise erfolglos, weil die Klägerin ihre Forderung falsch berechnet hatte. Im Übrigen führte die Revision zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht.
Dabei geben die höchsten Richter dem Landesarbeitsgericht Leitlinien für die Entscheidung mit:
Das Betriebsrentengesetz sieht in § 16 Abs. 3 Nr. 2 vor, dass die grundsätzliche Pflicht des Arbeitgebers, im Abstand von drei Jahren zu prüfen, ob die Betriebsrente anzupassen ist, entfällt, wenn die Versorgung über eine Pensionskasse durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden.
Die in dieser Ausnahmevorschrift genannten Voraussetzungen müssen aufgrund einer unabdingbaren vertraglichen Regelung bei Beginn der Betriebsrentenleistung rechtlich feststehen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, da es sich bei der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Pensionskasse um einen Vertrag zugunsten Dritter handelt, der nicht ohne Zustimmung der Betriebsrentner geändert werden darf.
Des Weiteren muss bei Eintritt des Versorgungsfalls durch die vertraglichen Regelungen sichergestellt sein, dass eventuelle Überschussanteile weder dem Arbeitgeber noch der Pensionskasse zustehen. Ob die Überschussanteile jeweils entsprechend den versicherungsrechtlichen Vorgaben angemessen und auch sonst richtig berechnet sind, betrifft nicht die Anwendung der betriebsrentenrechtlichen Ausnahmebestimmung, sondern das Verhältnis zwischen Betriebsrentner und Pensionskasse.
Zudem muss bei Eintritt des Versorgungsfalls sichergestellt sein, dass die für die Überschussbeteiligung notwendige Abgrenzung der Versicherungsbestände verursachungsorientiert im Sinne des Versicherungsrechts erfolgt und auch bleibt.
Änderungsklauseln in Versorgungsverträgen stehen den vorgenannten Erfordernissen nicht entgegen, da sie strukturelle Veränderungen nicht decken. Dazu gehören auch Neuabgrenzungen des Versicherungsbestandes, die dem Gesichtspunkt der Verursachungsorientierung nicht hinreichend gerecht werden. Ferner muss bei Rentenbeginn gewährleistet sein, dass die Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden.
Hierfür ist erforderlich, dass dauernde und ggf. vorübergehende Rentenerhöhungen in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen. Der Anteil der nur befristeten Erhöhung der Betriebsrente darf nicht unangemessen hoch sein; diese Grenze ist bei einem Anteil von 25 % eingehalten. Die den Betriebsrentnern aus den Überschussanteilen gewährten Leistungen müssen zudem betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes darstellen; Sterbegeld gehört nicht dazu.
Aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts steht noch nicht fest, ob die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind. Das wird nun vom zuständigen Landesarbeitsgericht in Hessen (Urteil vom 17. Januar 2018, 6 Sa 183/17) anhand der vom BAG aufgestellten Kritieren zu prüfen sein.
Und der dritte Senat fügt noch ein Postscriptum an: Im Rechtsstreit wurde auch die Vereinbarkeit der zu § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG erlassenen Übergangsregelung in § 30c Abs. 1a BetrAVG mit Verfassungs- und Unionsrecht problematisiert. Dazu musste der Senat beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens keine Stellung nehmen. D. h. auch hier bleibt noch ein Türchen für betroffene Betriebsrentner. Denn die Übergangsregelung, die auch Altfälle miteinbezieht, ist durchaus strittig.
Das Urteil ist für alle Pensionskassen, aber auch für alle Direktversicherungsverträge von hoher Bedeutung. Es wird zum ersten Mal „ausbuchstabiert“, wann ein Arbeitgeber auf die Ausnahme- und Vereinfachungsregelung nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG bauen kann.