Immer wieder wird für kleinere Betriebsrenten die Freigrenze in § 226 SGB V ins Spiel gebracht. In Einzelfällen wird damit sogar für die Betriebsrente geworben. Doch hier heißt es: aufgepasst.
Die Verbeitragung ihrer Betriebsrente ist vielen ein Dorn im Auge, wie die jüngste Anhörung zu diesem Thema einmal wieder deutlich macht. Immer wieder wird dabei für kleinere Betriebsrenten die Freigrenze in § 226 SGB V ins Spiel gebracht. In Einzelfällen wird damit sogar für die Betriebsrente geworben. Doch hier heißt es aufgepasst.
Im Gesetz heißt es dazu: „Die nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu bemessenden Beiträge sind nur zu entrichten, wenn die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches übersteigen“. Der fragliche Betrag beläuft sich im Jahr 2018 auf 152,25 EUR und bedeutet, dass im Falle einer Kapitalabfindung bis 18.270 EUR komplett sozialversicherungsfrei sind.
Das hört sich gut an, doch welche Einnahmen fasst das Gesetz unter diese Freigrenze?
Die gute Nachricht: Nicht Arbeitseinkommen und auch nicht Zahlungen der gesetzlichen Rente. Die schlechte Nachricht sind die beiden Kategorien, die vollständig unter die Freigrenze fallen:
- Der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge): Das sind vor allem andere Betriebsrenten, aber auch Leistungen der berufsständischen Versorgung, beamtenrechtliche Versorgungen und Renten der Landwirte. Mit anderen Worten sind mehrere Leistungen der betrieblichen Altersversorgung – auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig – werden sie zusammengerechnet. Und bei Kapitalleistungen wird die Leistung über 120 Monate verteilt und zählt auch bei der Berechnung der Freigrenze mit. Das ist wichtig, weil z.B. Direktversicherungen oft in kleineren Verträgen abgeschlossen wurden und diese nicht alle in einem Zeitpunkt fällig werden. Dann wird von der Krankenkasse kumuliert und die Freigrenze (dazu gleich noch mehr) entfällt. Das gilt übrigens auch, wenn die erste Zahlung schon vor einigen Jahren als Kapitalzahlung geleistet wurde und die 120 Monate noch nicht verstrichen sind.
- Arbeitseinkommen: Das meint Einkommen aus einer nebenberuflich ausgeübten Selbstständigkeit. Nun meint man, dass das relativ selten der Fall ist. Doch hierunter sind z.B. auch die Einnahmen aus Photovoltaik zu fassen – und die gibt es, z.B im ländlichen Raum sehr häufig. Gerade wurde in meinem Städtchen den Bürgern eine Beteiligung an der hiesigen Windkraftanlage angeboten – auch das sind nebenberufliche Einnahmen aus einem Gewerbebetrieb. Beschäftigt man sich also näher mit den Einnahmen, die unter die Freigrenze fallen, sieht man sehr schnell, dass diese Freigrenze nur greift, wenn nicht mehrere Einnahmen aus Betriebsrenten oder gar anderen nebenberuflichen Einnahmen zusammenfallen – auch zeitlich versetzt. Das haben viele nicht im Blick und verlassen sich zu Unrecht darauf, dass sie keine Beiträge zahlen müssen.
Und dann ist da noch die Sache mit der Freigrenze. Ein Cent mehr als ein Zwanzigstel der Bezugsgröße und sie entfällt vollständig! Da wird die Dynamik von Betriebsrenten durchaus auch einmal zum Bumerang. Dann nämlich, wenn durch Anpassung nach § 16 BetrAVG die Freigrenze überschritten wird und ein kleiner Eurobetrag die volle Beitragspflicht, die deutlich mehr kostet als die Erhöhung bringt, auslöst. Diese Konsequenz droht auch in dem Fall, dass eine zweite Betriebsrente ‑ auch wenn sie noch so klein ist ‑ hinzukommt. Diese nicht seltenen Fallkonstellationen zeigen den erhöhten Erklärungsbedarf auf. Das Unverständnis manch eines Betriebsrentners, der den Unterschied zwischen Freigrenze und Freibetrag nicht verstehen will oder kann, ist hier vorprogrammiert.
Wer also mit der Freigrenze „wirbt“ und sie ins Schaufenster stellt, hat schnell mit Zitronen gehandelt. Prima, wenn es mit der Freigrenze klappt, aber das Zähneklappern ist groß, wenn sie überschritten wird.
Fazit
Die Freigrenze ist ein durchaus komplexes Vehikel. Sie kann in Einzelfällen die erhoffte Beitragsfreiheit bringen, doch kann diese auch mit dem Hinzukommen neuer Einnahmen oder Erhöhung bestehender Einnahmen entfallen.
Entschärft werden könnte diese Problematik durch das Umwandeln der Freigrenze in einen Freibetrag – idealerweise inhaltlich und der Höhe nach korreliert mit dem neuen Freibetrag für freiwillige zusätzliche Altersversorgung in der Grundsicherung. Diese Diskussion ist zumindest schon in der Politik angekommen. Denn wenn man die betriebliche Altersversorgung fördern will, hilft die als Bestrafung empfundene Verbeitragung kleinerer Betriebsrenten nur wenig.