In der betrieblichen Altersversorgung ist bei den mittelbaren Durchführungswegen der Arbeitgeber der Versicherungsnehmer (bei einer Unterstützungskasse die Unterstützungskasse selbst). Sehr häufig unterschreibt dabei den Versicherungsvertrag oder den Gruppenvertrag ein Bevollmächtigter des Unternehmens, bei einer juristischen Person ist dies sogar zwingend so. Oft ergibt sich dabei die Handlungsvollmacht aus dem Handelsregister, doch das muss nicht zwingend der Fall sein, z.B. wenn der Unterschreibende „nur“ Handlungsvollmacht hat. In einem Fall vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, 12.1.2017, 7 U 63/16, rkr nach Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BGH) ging es nun um die Frage, ob und wann ein Handlungsbevollmächtigter zivilrechtlich wirksam unterschreiben darf.
Der Fall:
Das Unternehmen ist aus dem produzierenden Gewerbe und hatte zum maßgeblichen Zeitpunkt ca. 60 Arbeitnehmer. Eine von der Firma beauftragte Versicherungsmaklerin legte dem Unternehmen im September 2009 einen Kollektivversicherungsvertrag über eine betriebliche Altersversorgung (Direktversicherung) vor und führte zwei Informationsveranstaltungen für die Arbeitnehmer*innen in den Räumlichkeiten der Firma durch. Dieser Kollektivversicherungsvertrag wurde von der Personalleiterin, die den Titel Head of Personnel & Finance trug, mit dem Zusatz „i.V.“ und unter Vorlage der Handlungsvollmacht unterschrieben und an das Versicherungsunternehmen zurückgesandt. Auf Grundlage dieses Vertrages wurden 15 Arbeitnehmer*innen angemeldet und erhielten ihre Versicherungspolicen mit einer Widerrufsbelehrung. Das Unternehmen leitete die aufgrund einer Entgeltumwandlung einbehaltenen Lohnbestandteile dem Versicherer vertragsgemäß weiter.
Das Arbeitsverhältnis der Personalleiterin endete zum 31.3.2014 mit einem Vergleich, nach dem vorher eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde und die Personalleiterin Kündigungsschutzklage erhob. Der Personalleiterin war Handlungsvollmacht erteilt worden. Strittig war allerdings deren Umfang.
Das Unternehmen schrieb im September 2014 das Versicherungsunternehmen an und teilte mit, dass die Beitragszahlungen für die Versicherungsverträge ohne Rechtsgrund erfolgt seien, da die Verträge nicht vom Geschäftsführer unterzeichnet worden seien. Das Unternehmen forderte das Versicherungsunternehmen zur Auskunft über die Höhe der bezahlten Beiträge und zur Rückzählung dieser Beiträge auf. Es ging um rund 67.000 Euro. Darüber hinaus widerrief sie die Verträge gem. § 8 VVG a.F., da eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht nicht erfolgt sei.
Dies wollte der Versicherer nicht gelten lassen. Es kam zur Klage.
Das Urteil:
Das Oberlandesgericht stellte sich auf die Seite des Unternehmens. Das Versicherungsunternehmen muss die geleisteten Beiträge zurückzahlen. Die Leitsätze sind folgende:
- Der Abschluss eines Kollektivversicherungsvertrags (Direktversicherung) durch einen Teamleiter eines mittelständischen Unternehmens ist nicht durch eine privatschriftlich erteilte Handlungsvollmacht gedeckt.
- § 54 HGB ermächtigt jedenfalls bei mittelständischen Unternehmen den Handlungsbevollmächtigten nicht zu Geschäften im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung.
- Aus der bloßen Bezeichnung eines Mitarbeiters als Leiter der Personal- und Finanzabteilung kann ein Erklärungsempfänger keine Bevollmächtigung durch das betroffene Unternehmen im Rahmen einer Duldungsvollmacht ableiten.
Das Arbeitsrecht war nicht Gegenstand des Urteils. Arbeitsrechtlich ist das Urteil wahrscheinlich ein nachhaltiger Pyrrhus-Sieg für das Unternehmen: Denn auch nach der Aufhebung der Versicherungsverträge bleibt das Unternehmen aus dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis heraus (Zusage) zur Zahlung der in Aussicht gestellten Versorgung verpflichtet.