Das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) will verfassungskonform nach entsprechenden Beschlüssen des BVerfG zum 1.7.2023 Abschläge bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung nach Anzahl der Kinder umsetzen. Die Umsetzung müssen die Arbeitgeber für die aktiven Arbeitnehmer und die Zahlenstellen im Falle von Betriebsrentnern kurzfristig gewährleisten.
Im Fall von Betriebsrenten und der gesetzlichen Rente sollte laut Referentenentwurf dabei die Melde-, Erfassungs- und Prüfaufwände auf die Zahlstellen und die Betroffenen (Betriebs-)Rentner abgewälzt werden. Nach massiven Protesten der Praxis schlägt nun die Regierung im Kabinettsentwurf, der am 5.4.2023 verabschiedet werden soll, eine deutlich einfachere und digitale Abwicklung vor.
Hier die Highlights aus dem Regierungsentwurf für Zahlstellen (S. 20–21, Gesetzesbegründung S. 79 ff.):
1. Wie bisher: Es bleibt bei der Beitragsreduktion ab dem 2. bis zum 5. Kind i.H.v. 0,25 % (§ 55 Abs. 3 S. 4 SGB XI-E). Der Beitragssatz für Arbeitgeber beträgt immer 1,7 %.
2. Neu: Es sind nur Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres berücksichtigungsfähig (§ 55 Abs. 3 Satz 4 SGB XI-E).
Es gelten somit ab 1.7.2023 folgende Beitragssätze:
Anzahl der Kinder | Höhe des allgemeinen PV-Beitrages | Arbeitnehmer-Anteil |
0 | 4,00 %** | 2,3 % |
1 | 3,40 % (lebenslang)** | 1,7 % |
2* | 3,15 %** | 1,45 % |
3* | 2,90 %** | 1,2 % |
4* | 2,65 %** | 0,95 % |
≥ 5* | 2,40 %** | 0,7 % |
** Rentner erhalten keinen Zuschuss der GRV zu ihrem Beitrag, zahlen also den vollen Gesamtbeitrag.
3. Neu: Es soll ein möglichst effizientes, schnelles, digitales Verwaltungsverfahren bis spätestens zum 1.7.2023 zur Erhebung und zum Nachweis der Kinderzahl entwickelt werden (der Gesetzesentwurf spricht davon, dass bis zum 1.7.2023 von den Ministerien Vorschläge erarbeitet werden sollen). Federführung: Bundesgesundheitsministerium und Bundesarbeitsministerium im Einvernehmen mit zwei weiteren Ministerien (§ 55 Abs. 3 S. 7 SGB XI-E):
„Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen und ein möglichst effizientes, schnelles und digitales Verwaltungshandeln zu gewährleisten, wird das Bundesministerium für Gesundheit gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren und für Heimat sowie dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der Kinder bis spätestens zum 1. Juli 2023 entwickeln.“
4. Wie bisher: Die Betriebsrentner können auch gegenüber den Zahlstellen direkt den Nachweis führen (§ 55 Abs. 3 S. 6 SGB XI-E): „Die Elterneigenschaft sowie die Angaben zu den Kindern sind in geeigneter Form gegenüber der beitragsabführenden Stelle, von Selbstzahlern gegenüber der Pflegekasse, nachzuweisen, sofern diesen die Angaben nicht bereits aus anderen Gründen bekannt sind.“
5. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen gibt Empfehlungen, welche Nachweise der Kindereigenschaft geeignet sind (§ 55 Abs. 3 S. 8 SGB XI-E). Dem Vernehmen nach wird das Rundschreiben zur Elterneigenschaft vom 7.11.2017 kurzfristig in überarbeiteter Form zur Verfügung stehen.
6. Wie bisher: Rückerstattung durch Zahlstellen weiter nötig: Es bleibt bei dem Inkrafttreten der Abschlagsregelung zum 1.7.2023 und einer Übergangsfrist bis zum 31.12.2023. Wird der Kindsnachweis bis zum 31.12.2023 erbracht, wird dieser rückwirkend zum 1.7.2023 berücksichtigt. Überzahlte Beiträge sind rückzuerstatten (§ 55 Abs. 3 S. 10 SGB XI-E).
7. Teilweise neu: Die Zahlstellen müssen die zuviel abgeführten Beiträge, baldmöglichst, spätestens bis zum 31.12.2024 erstatten. Für den Übergangszeitraum gilt: Eine Verzinsung der Erstattung gemäß § 27 Abs.1 SGB IV entfällt bei Erstattungen bis zum 31.12.2023 (§ 55 Abs. 3 S. 11 SGB XI-E).
Hinweise für die Praxis:
- Es fehlt ein wenig der Glaube, dass in Deutschland mehrere Ministerien bis zum 1.7.2023 ein digitales(!), zentrales Verfahren zur Abfrage der Kinder auf die Beine stellen. Ein Zugriff auf die Daten der Familienkasse, eine dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) unterstellte Finanzbehörde des Bundes, die das Kindergeld festsetzt und auszahlt, könnte da helfen. Im Bereich des öffentlichen Dienstes/öffentlichen Rechts kommen allerdings wohl noch ca. 8.000 dezentrale Familienkassen hinzu. Die Begrenzung des Abschlags auf die Vollendung des 25. Lebensjahres – analog zum Kindergeld – deutet jedenfalls in diese Richtung.
- Vor diesem Hintergrund müssen sich wohl Zahlstellen darauf einrichten, dass Betriebsrentner sich direkt, wie im Gesetz weiterhin vorgesehen, an diese wenden und es sollten entsprechende Prozesse schon jetzt eingerichtet werden.
- Sehr ärgerlich ist, dass es beim Übergangszeitraum bleibt, in der die Abschläge rückwirkend zu gewähren sind und es damit zu erheblichen Aufwand bei den Zahlstellen kommen kann. Die Abwicklung, wenn der Betriebsrentner erst ab dem 31.12.2023 seine Nachweise erbringt, ist deutlich einfacher, weil dann der Beitragsabschlag erst recht nun für die Zukunft greift.
- Gut ist, dass für die Rückerstattungsverfahren ein Zeitraum bis zum 31.12.2024 vorgesehen ist und es zumindest für den Zeitraum des Rückwirkens bis zum 31.12.2023 keine Verzinsung nach SGB gibt. Das spart dann wirklich viel Zusatzaufwand für Kleinstbeträge. Ein Gleichlauf beider Fristen wäre allerdings für die Praxis sachgerechter und einfacher zu handhaben.
Mit der Verabschiedung im Kabinett beginnt nun das Gesetzgebungsverfahren. Die Zeit drängt allerdings. Denn der 1.7.2023 steht quasi schon vor der Tür.