Zwei Beispiele zeigen, dass zwischen Gesetzgebung und deren Auslegung, der Arbeitgeber oft auf der Strecke bleibt. Um nicht weiter zu verunsichern, muss nachgebessert werden.
Die Anpassungsprüfungspflicht behinderte lange Jahre die betriebliche Altersversorgung (bAV). Unternehmen wollten keine unkalkulierbaren Risiken mit Blick auf eine jahrzehntelange Kaufkraftanpassung der Rentenleistungen eingehen. Selbst Direktversicherungen wurden nur als Kapitalzusagen erteilt. Als der Gesetzgeber – endlich – dieses Hindernis erkannte, schuf er – so dachte man – durch die sogenannten Escapeklausel in dem neuen Abs. 3 des Anpassungsprüfungsparagrafen 16 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) ab 1999 Abhilfe.
Für Pensionskasse und Direktversicherungen galt (auch für vor dem 01.01.1999 erteilte Zusagen), dass die Anpassungsprüfungspflicht komplett entfällt, wenn die auf den Rentenbestand entfallenden Überschussanteile ab Rentenbeginn ausschließlich zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden und zur Berechnung der garantierten Leistung der im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) festgesetzte Höchstrechnungszins zur Berechnung der garantierten Leistung nicht überschritten wurde.
Ein Aufatmen ging durch die Versorgungswelt! Die Neuregelung 1999 hatte zwar einen kleinen Schönheitsfehler, nämlich, dass viele regulierte Pensionskassen mit Genehmigung der BaFin einen höheren Rechnungszins verwendeten. Aber man glaubte, dass die Neuregelung analog anzuwenden sei, da die BaFin-Genehmigung die Belange der Versicherten ausreichend wahren würde.
Ansicht des Pensionssenats überrascht
Pustekuchen: Mit Urteil vom 30.09.2014 (3 AZR 612/12) urteilte der Pensionssenat ganz formalistisch. Da der Wortlaut der Escapeklausel nicht 100 % erfüllt sei, müsse der Arbeitgeber nach § 16 Abs. 1 BetrAVG den Kaufkraftverlust ausgleichen.
Doch Rettung nahte. Aufgrund der Vielzahl der betroffenen Arbeitgeber strich der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie vom 21.12.2015 die strittige Bezugnahme auf den Höchstrechnungszins. Das, so dachte man, decke auch die Vergangenheit vor dem 01.01.2016 ab.
Nächster Akt: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass die Neuregelung der Anpassungsprüfung erst für Stichtage ab dem 01.01.2016 greift.
Es droht: Die Nachbesserung der Nachbesserung
Nun erwägt das Bundesarbeitsministerium wohl eine Nachbesserung der Nachbesserung. Eines ist aber jetzt schon sicher: Die tiefgreifende Verunsicherung der betroffenen Arbeitgeber!
Ein zweites Beispiel für die Behinderung der Verbreitung der bAV ist das Urteil des BAG zur versicherungsvertraglichen Lösung vom 19.05.2016 (3 AZR 794/14).
War man seit Jahrzehnten davon ausgegangen, dass es genüge, wenn der Arbeitgeber – auch in kollektiven Regelungen, wie einer Betriebsvereinbarung – den Arbeitnehmer schon sehr früh darüber informiert, dass die versicherungsvertragliche Lösung zur Anwendung kommt, entschied der Pensionssenat, dass dies nur wirksam bei Ausscheiden gegenüber jedem einzelnen Arbeitnehmer gemacht werden könne.
Dies stellt nicht nur die Praxis der letzten vier Dekaden infrage und führt zur Nachhaftung bei fast jeder Zusage, sondern trifft auch in der betrieblichen Praxis auf fast unüberwindbare Schwierigkeiten: Denn nicht nur der Arbeitnehmer muss informiert werden, es muss auch der Zugang der Information nachgewiesen werden und der Nachweis muss noch 30 Jahre nach Eintritt des Versorgungsfalles zweifelsfrei bewiesen werden können.
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz sollte Abhilfe schaffen
Es war im Zuge der Verhandlungen des Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) zu hören, dass das Bundesarbeitsministerium Abhilfe schaffen will. Und vollkommen zu Recht. Trifft dieses Urteil doch zwei Durchführungswege, die vor allem im Mittelstand sehr weit verbreitet sind: Die Pensionskasse und die Direktversicherung.
Es zeigt sich immer wieder, dass im Widerstreit zwischen Gesetzgebung und Auslegung der Gesetze durch die Judikative der Arbeitgeber auf der Strecke bleibt. Der Gesetzgeber ist gefordert, hier möglichst schnell Schaden abzuwenden.
Leider haben sich die Hoffnungen nicht erfüllt. Mit dem BRSG werden diese bekannten Altfälle nicht korrigiert. Der kollektive Ansatz der Vorsorge bleibt aber vom Grundsatz her gut und richtig und kann, gut gemacht, zu einer weiteren Verbreitung der Altersvorsorge hervorragend beitragen.