2. Die Förderung der Niedrigverdiener nach § 100 EStG (Rz362-368)
Die Regelungen zum neuen BAV-Förderbeitrag umfassen immerhin 7 Seiten des neuen BMF-Schreibens. Denn immerhin handelt es sich um einen komplett neuen Fördertatbestand. Die Regelungen sind teilweise sehr komplex. Insbes. die Lohnbuchhaltung wird hier sehr sorgfältig arbeiten müssen, damit der Förderbetrag auch dauerhaft gewährleistet ist.
Hinweis: Es gilt grundsätzlich: Nur wenn sämtliche Fördervoraussetzungen nach § 100 EStG vorliegen, greift der BAV-Förderbeitrag des § 100 EStG und sind die Beiträge zugleich auch steuerfrei gestellt nach § 100 Abs. 6 EStG (Rz 363h). Es sind also die folgenden Punkte penibel abzuprüfen, einzuhalten und zu dokumentieren. Es sei auch darauf hingewiesen, dass die Sozialversicherungsfreiheit des Arbeitgeberbeitrags nach § 100 EStG von der Steuerfreiheit abhängt (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV).
2.1. Der Arbeitgeberbegriff knüpft an § 38 Abs. 1 EStG an (Rz 362a und 362c):
- Der Arbeitgeber muss dem Grunde nach zum Lohnsteuerabzug verpflichtet sein.
- Darunter fallen inländische Arbeitgeber sowie
- ausländische Verleiher und
- in den Fällen der Arbeitnehmerentsendung das in Deutschland ansässige Unternehmen, das den Arbeitslohn für die geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt.
2.2. Abwicklung des Förderbeitrags (Rz 362a-b und 362d):
- Arbeitgeber dürfen vom Gesamtbeitrag der einzubehaltenden Lohnsteuer einen Teilbetrag des Arbeitgeberbeitrags zur kapitalgedeckten Altersversorgung, also den BAV-Förderbeitrag, entnehmen und bei der nächsten Lohnsteueranmeldung gesondert absetzen.
- Ist keine Lohnsteuer einzubehalten oder ist die vom Arbeitgeber einzubehaltende Lohnsteuer geringer als der BAV-Förderbetrag, kommt es mit der Lohnsteuer-Anmeldung zu einer Erstattung durch das Betriebsstättenfinanzamt.
- Bei einem Arbeitgeberwechsel im Laufe des Jahres kann jeder Arbeitgeber den BAV-Förderbeitrag jeweils bei zum Höchstbetrag ausschöpfen.
2.3. Voraussetzungen für den BAV-Förderbeitrag auf Seiten des Arbeitnehmers (Rz 362, 362f-k und 362o und 363-363a)
- Erstes Dienstverhältnis (Lohnsteuerklasse I-V) oder bei pauschal besteuertem Arbeitslohn eine Erklärung des Arbeitnehmers, dass es sich um ein erstes Dienstverhältnis handelt.
- Als Dienstverhältnis zählt auch ein ruhendes Arbeitsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitslohn (z. B. Elternzeit / Pflegezeit / Bezug von Krankengeld).
- Zu dem begünstigten Personenkreis gehören alle Arbeitnehmer nach § 1 LStDV. Es ist unerheblich, ob eine Pflichtversicherung in der GRV vorliegt. D.h. der Förderbeitrag ist grundsätzlich auch bei beherrschenden GGF, geringfügig Beschäftigten und bei berufsständisch Versicherten anwendbar (z. B. weil diese aufgrund einer Teilzeittätigkeit die Einkommensvoraussetzungen erfüllen).
- Der Arbeitslohn muss im Inland dem Lohnsteuerabzug unterliegen. Auf die Art der Steuerpflicht des Arbeitnehmers kommt es nicht an (unbeschränkt oder beschränkt). Eine Förderung ist allerdings ausgeschlossen für Arbeitnehmer, die ausschließlich nach DBA steuerfreien Arbeitslohn beziehen. Die Förderung ist jedoch möglich für Arbeitnehmer, bei denen aufgrund eines DBA der Lohnsteuerabzug im Inland begrenzt ist, z. B. Grenzgänger aus der Schweiz.
- Es gelten die in § 100 Abs. 3 Nr. 3 EStG aufgeführten Einkommensgrenzen. Maßgebend ist der jeweilige Lohnabrechnungszeitraum, in dem der Beitrag geleistet wird, es ist explizit nicht auf einen voraussichtlichen Jahresarbeitslohn hochzurechnen. Spätere Änderungen der Verhältnisse, z .B. aufgrund schwankendem oder steigendem Arbeitslohn, sind unbeachtlich (Rz 362f-g und 362o).
- Bei Teilzeitbeschäftigten und geringfügig Beschäftigten, bei denen die Lohnsteuer pauschal erhoben wird, wird auf das pauschal besteuerte Arbeitsentgelt abgestellt.
- Wichtig: Steuerfreie Lohnbestandteile, sonstige Bezüge nach § 39b Abs. 3 EStG, Sachbezüge, die unter die 44-Euro-Freigrenze oder den Rabattfreibetrag fallen nach § 8 Abs. 2 S. 11 und Abs. 3 EStG) oder nach §§ 37 a, 37b, 40, 40b EStG pauschal besteuerter Arbeitslohn bleiben bei der Prüfung der Einkommensgrenze unberücksichtigt.
- Aber: Ergibt sich z. B. aufgrund einer Lohnsteuer-Außenprüfung nachträglich eine Änderung des Arbeitslohns mit der Folge, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des BAV- Förderbetrags im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum nicht erfüllt sind, sind die entsprechenden Lohnsteuer-Festsetzungen zu ändern. Denn die Lohnsteuer-Anmeldungen stehen als Steueranmeldungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (Rz 362g und 363g).
Hinweis: Im Lohnkonto ist nach § 4 Abs. 2 Nr. 7 LStDV das Vorliegen der Voraussetzungen für den Förderbetrag nach § 100 des Einkommensteuergesetzes zu dokumentieren.
2.4. BAV-Förderbeitrag nur für zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag in Mindesthöhe (Rz 362 l-n und 362o)
- Es muss sich um einen vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachten Beitrag zur bAV handeln. Eigenbeiträge des Arbeitnehmers, arbeitnehmerfinanzierte Beiträge des Arbeitnehmers sind nicht förderfähig.
- Die zusätzlichen Beiträge können aufgrund eines Tarifvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder auch aufgrund einer einzelvertraglichen Regelung erbracht werden.
- Die Förderung setzt voraus, dass der Arbeitgeber einen Mindestbetrag i. H. v. 240 Euro im Kalenderjahr geleistet hat. Wird der jährliche Mindestbetrag aus Gründen nicht erreicht, die zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des BAV- Förderbetrags nicht absehbar waren, beispielsweise weil der Arbeitgeber einen Monatsbetrag leistet und der Arbeitnehmer unerwartet aus dem Unternehmen ausscheidet, bevor der Mindestbetrag erreicht werden kann, ist der BAV-Förderbetrag nicht rückgängig zu machen (s. § 100 Abs. 4 Satz 1 EStG; Rz 362n und o).
Hinweis: Kann der Mindestbeitrag i.H.v. 240 Euro durch Kündigung des Arbeitnehmers nicht mehr erreicht werden, z. B. bei Monatszahlung, so kann der BAV-Förderbeitrag ab dem nächsten Zahlungszeitpunkt seit Bekanntwerden der Kündigung nicht mehr in Anspruch genommen werden (Beispiel 3 in Rz 362q). Es spricht in der Praxis vieles dafür, den Arbeitgeberbeitrag als Jahresbeitrag zu leisten.
- Nicht begünstigt ist der Sicherungsbeitrag des Arbeitgebers nach § 23 Abs. 1 BetrAVG (Sozialpartnermodell), wenn er dem einzelnen Arbeitnehmer gutgeschrieben bzw. zugerechnet wird. Fraglich ist, ob der Sicherungsbeitrag, der – wie im Regelfall üblich – zum Aufbau eines kollektiven Puffers genutzt wird, dann BAV-förderfähig nach § 100 EStG ist?
Hinweis: Die steuersystematische Einordnung der Beiträge des Arbeitgebers nach § 1a Abs. 1 und § 23 Abs. 2 BetrAVG unter die „Finanzierungsanteile des Arbeitnehmers“ (Rz. 304) hat zur Folge, dass steuerlich gesehen, diese Finanzierungsanteile nicht unter die arbeitgeberfinanzierten Anteile gezählt werden, die ggf. bei Niedrigverdienern die steuerliche Förderung nach § 100 EStG auslösen (Rz 362m). Vermögenswirksame Leistungen sind regelmäßig Entgeltbestandteile des Arbeitnehmers § 2 Abs. 7 5. VermBG. Eine „Umwidmung“ in betriebliche Altersversorgung ist also keine arbeitgeberfinanzierte Versorgung und löst damit auch nicht die Förderung nach § 100 EStG aus.
2.5. Weitere Voraussetzungen auf Seiten des Versorgungsträgers / der Tarifgestaltung des Vertrages (Rz 362e, 363a1 und 363b)
- Es müssen die Beiträge an eine Direktversicherung, eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds geleistet werden.
- Es muss sich um eine kapitalgedeckte Altersversorgung handeln. Werden von Seiten des Versorgungsträgers sowohl Umlagen als auch Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren erhoben, gehören letztere nur dann zu den begünstigten Aufwendungen, wenn eine getrennte Verwaltung und Abrechnung beider Vermögensmassen erfolgt (Trennungsprinzip).
- Der Tarif muss eine Auszahlung in Form einer Rente oder eines Auszahlungsplanes vorsehen.
Hinweis: Die Möglichkeit, anstelle einer lebenslangen Altersversorgungsleistung eine Kapitalauszahlung zu wählen, steht der Förderung nach § 100 EStG nicht entgegen. Wird das Kapitalwahlrecht jedoch ausgeübt, so unterliegt die Kapitalzahlung der vollen Besteuerung nach § 22 Nr. 5 S. 1 EStG.
- Der Vertrag, in den die arbeitgeberfinanzierte Versorgung fließt, muss ungezillmert sein.
Hinweis: Es ist davon auszugehen, dass bei der Lohnsteuerprüfung auch die tariflichen Voraussetzungen des Vertrages geprüft werden. Eine entsprechende Dokumentation sollte also zum Lohnkonto genommen werden (z. B. die Bedingungen des Versicherungsvertrages).
2.6. Umgang mit Altfällen – bestehende Arbeitgeberfinanzierung vor dem 1.1.2017 (Rz 362u-z)
- In Fällen, in denen der Arbeitgeber bereits im Jahr 2016 einen zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung geleistet hat, ist der jeweilige BAV-Förderbetrag auf den Betrag beschränkt, den der Arbeitgeber über den bisherigen Beitrag hinaus leistet (§ 100 Abs. 2 Satz 2 EStG).
- Für die Begrenzung des BAV-Förderbetrags bei bereits bestehenden Versorgungsvereinbarungen wird auf das Referenzjahr 2016 abgestellt. Dadurch greift bei einer erst ab 2017 bestehenden betrieblichen Altersversorgung (z. B. Neueinstellung in 2017) die Begrenzung des § 100 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht. Dies gilt entsprechend für alle Erhöhungen der zusätzlichen Arbeitgeberbeiträge ab 2017.
Hinweis: Das BMF-Schreiben enthält dazu einige Rechenbeispiele. Dabei wird nicht erwähnt, ob die schon bestehende arbeitgeberfinanzierte Versorgung den übrigen Voraussetzungen der BAV-Förderfähigkeit genügen muss, also z. B. ungezillmerte Tarife, nur Kapitaldeckung oder auch die Auszahlungsform nach § 100 Abs. 3 Nr. 4 EStG. M.E. greifen die Rechenbeispiele nur, wenn auch die bestehende Versorgung schon diese Voraussetzungen erfüllt.
2.7. Rückabwicklung des BAV-Förderbeitrags bei verfallbaren Anwartschaften (Rz 363c-363e).
Es handelt sich um arbeitgeberfinanzierte Versorgung, die grundsätzlich den Unverfallbarkeitsfristen des BetrAVG unterliegt, falls vertraglich nichts anderes vereinbart ist. Daher regelt das BMF-Schreiben die Anwendung der Rückgewährung des Förderbeitrages nach § 100 Abs. 4 S. 2-4 EStG für den Fall, dass der Arbeitgeber im Falle von verfallbaren Anwartschaften ganz oder teilweise eine Rückzahlung der Beiträge erhält. Werden z. B. bei einer Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung alle Beiträge für den kollektiven Risikobeitrag verbraucht und erfolgt daher keine Rückzahlung an den Arbeitgeber, so ist insoweit auch keine Rückgewährung des BAV-Förderbeitrags nötig. Technisch erfolgt die Rückgewährung des BAV-Förderbetrages über die Lohnsteuer-Anmeldung für den Lohnzahlungszeitraum, in dem die Rückzahlung zufließt. Der zurück zu gewährende Förderbetrag ist der an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführenden Lohnsteuer hinzuzurechnen.
2.8. Verhältnis der Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG und § 100 EStG zueinander (Rz 363i-368)
Die Steuerfreiheit nach § 100 Abs. 6 EStG hat Vorrang gegenüber der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 EStG. Ein über den förderfähigen Höchstbetrag nach § 100 Abs. 6 EStG hinaus gezahlter zusätzlicher Arbeitgeberbeitrag ist somit in der Regel nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei, sofern das entsprechende Volumen des § 3 Nr. 63 EStG noch nicht anderweitig ausgeschöpft wurde. Bei der Lohnabrechnung ist zuerst der Förderbeitrag nach § 100 Abs. 6 EStG anzusetzen.