Gerade in Krisenzeiten wie jetzt, stellt sich auch die Frage nach der Sicherheit der Versorgung. Im Folgenden dazu einige Gedankenanstöße und ein aktueller Fall.
Für die zivilrechtliche Wirksamkeit muss jede betriebliche Altersversorgung eines Geschäftsführers – auch eine einfache Direktversicherung – von der Gesellschafterversammlung beschlossen werden (z. B. im Dienstvertrag oder durch einen späteren Gesellschafterbeschluss). Und das gilt nicht nur für die Zusage selbst, sondern auch für die Verpfändung bzw. die Einräumung von Bezugsrechten. Gerade im Insolvenzfall der GmbH ist die zivilrechtliche Wirksamkeit / Unwirksamkeit das Einfallstor für den Insolvenzverwalter!
Zivilrechtliche Wirksamkeit von Versorgungszusagen beachten
Wechselt ein Angestellter in eine Geschäftsführerposition im gleichen Unternehmen oder wechselt er in einem Konzern von einem Geschäftsführerposten auf den anderen, so ist insbesondere auf die zivilrechtliche Wirksamkeit von Versorgungszusagen, die „gedanklich“ aus dem Angestelltenverhältnis oder Vorposten „fortgeführt“ werden, zu achten. Diese müssen im neuen Dienstvertrag „verankert“ werden. Das gilt auch für die Einräumung von Bezugsrechten / Pfandrechten (OLG Stuttgart, 16.6.2016, 7 U 35/16).
Das Betriebsrentengesetz (BetrAVG) kann ein arbeitsrechtliches Schutzschild für den Geschäftsführer sein. Denn auch er kann in den persönlichen Geltungsbereich des BetrAVG fallen, falls er keine Unternehmerstellung hat. Der Bundesgerichtshof hat dazu gerade eine Art „Vademecum“ erstellt, aus dem sich erkennen lässt, wann und vor allem wann nicht ein Gesellschafter-Geschäftsführer durch das Betriebsrentengesetz und damit durch den PSV geschützt ist. In dem entschiedenen Fall verlor der Betroffene einen großen Teil seiner schon laufenden Betriebsrente, weil der Schutz nur teilweise vorhanden war (BGH, Urteil vom 1.10.2019; II ZR 386/17)!
Der Schutz durch das BetrAVG muss jedes Mal, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse ändern, gesondert geprüft werden. Das Zahlen von Beiträgen an den PSV ist kein Indiz für Insolvenzschutz!
Und nun ein Fall aus der Praxis. Es ging in diesem Fall nicht um die Insolvenz des Unternehmens, sondern um eine Privatinsolvenz des Alleingesellschafters einer GmbH. Fraglich war, ob der Insolvenzverwalter die Kündigung der Direktversicherung und deren Verwertung verlangen konnte oder ob die Direktversicherung des Allein-GGF in der Privatinsolvenz vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt ist (OLG Braunschweig, Urteil vom 4.9.2019, 11 U 116/18).
Der Alleingesellschaft und Geschäftsführer (Allein-GGF) der GmbH hatte eine Zusage über eine Direktversicherung erhalten. Die GmbH war Versicherungsnehmerin, der Allein-GGF war versicherte Person. Ihm wurde nach dem Versicherungsschein ein unwiderrufliches Bezugsrecht ohne Vorbehalt eingeräumt. Der Allein-GGF war in der Privatinsolvenz und das Amtsgericht hatte einen Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter wollte den Direktversicherungsvertrag kündigen und den Rückkaufswert (ca. 17.000 Euro) zur Masse ziehen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens könne er die Rechte der versicherten Person in Anspruch nehmen, dazu gehöre auch die Kündigung der Direktversicherung. Das lehnte die GmbH (unter Führung des Allein-GGF) ab: Das Kündigungsrecht stände allein der Versicherungsnehmerin, der GmbH, zu; die versicherte Person mit unwiderruflichem Bezugsrecht habe keinen Anspruch auf Kündigung.
Das Urteil war für den insolventen Allein-GGF bitter. Er musste – so das Urteil – die Kündigung durch den Insolvenzverwalter hinnehmen. Dieser Teil seiner Altersversorgung war also hinfällig.
Hier die Leitsätze des Oberlandesgerichts:
- Ist die Übertragung des Kündigungsrechts bezüglich eines Rentenversicherungsvertrages vom Versicherungsnehmer auf einen unwiderruflich bezugsberechtigten Dritten nicht feststellbar, so verbleibt das Kündigungsrecht beim Versicherungsnehmer; dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des Dritten kann aber aus dem Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung ein Anspruch auf Kündigung des Rentenversicherungsvertrages gegen den Versicherungsnehmer zustehen.
- Ist einem Dritten bezüglich eines Lebensversicherungsvertrages ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden, so gehört der Rückkaufswert im Falle einer Insolvenz des Dritten zur Insolvenzmasse, soweit dem nicht die Pfändungsschutzvorschriften entgegenstehen.
- Ist der Dritte Allein- oder Mehrheitsgesellschafter des Versicherungsnehmers, so kann er sich nicht auf die Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge (BetrAVG) berufen.“
Der GmbH als Versicherungsnehmerin steht zwar das Kündigungsrecht zu, aber es greift auch bei einer Privatinsolvenz der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung. Und dort liegt für einen beherrschenden oder Alleingesellschafter-Geschäftsführer der Hase im Pfeffer. Das OLG berücksichtigt nämlich bei der „interessengerechten Auslegung“, ob die GmbH als Versicherungsnehmerin einer Kündigung zustimmen muss, zwei Argumente: Die Direktversicherung könne die Betriebstreue des Arbeitnehmers (versicherte Person) belohnen und sichern. Bei einem Allein-GGF, der letztlich unternehmerisch tätig ist, ist dieses Argument obsolet. Auch sozialpolitische Erwägungen, die das BAG (Urteil vom 26.4.2018, 3 AZR 586/16) gegen eine Kündigungspflicht des Unternehmens ins Feld geführt hatte, greifen hier nicht, da der Allein-GGF eben keine Arbeitnehmerstellung hat, die dem Schutz des BetrAVG unterliegt.
Das Oberlandesgericht prüfte auch, ob ein Kündigungsausschluss nach § 168 Abs. 3 VVG vorlag. Das sind zwei Fallkonstellationen: Der Versicherungsnehmer hat eine Verwertung vor dem Eintritt in den Ruhestand unwiderruflich ausgeschlossen (maximal in der Höhe des Verwertungsverbots für Ansprüche auf Altersversorgung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, 750 Euro pro vollendetes Lebensjahr mit den dort angegebenen Höchstgrenzen);
Ein wirksam vereinbarter Verwertungsausschluss nach § 851c ZPO (u. a. keine Auszahlung vor dem 60. Lebensjahr, Ausschluss des Kapitalwahlrechts).
Das war ersichtlich auch nicht der Fall.
Auch die Pfändungsvorschriften nach § 850b 1 Nr. 4 ZPO (Lebensversicherungen nur für den Todesfall) und § 850 Abs. 3b ZPO (Pfändung von Rentenzahlungen) waren nicht anwendbar, da es sich um Erlebensfallversicherungen handelte und der Insolvenzverwalter nicht die (künftigen) Rentenzahlungen verlangte, sondern den Rückkaufswert. Und genau der Rückkaufswert ist durch die Vorschriften der ZPO (§ 850 Abs. 3b und § 850 i ZPO) nicht geschützt. Auch die Verfügungsbeschränkungen des BetrAVG (§ 2 Abs. 2 S. 4-7) greifen nicht, weil der Allein-GGF nicht unter den Schutz des BetrAVG fällt.
Alle Schutzmöglichkeiten entfielen in diesem Fall für den Allein-GGF. Zum einen, weil er kein Arbeitnehmer war, zum anderen, weil die Schutzmöglichkeiten der ZPO nicht rechtzeitig versicherungsvertraglich vereinbart waren. Die Gründe des OLG greifen im Übrigen immer dann, wenn der GGF eine Unternehmerstellung hat.
Das Urteil zeigt, dass eine gute Beratung auch die Fragestellungen, die die Gestaltung des Versicherungsvertrags betreffen, miteinbeziehen sollte. Der Betroffene muss dann für sich entscheiden, ob er die „Unbequemlichkeiten“ des ZPO-Schutzes, wie den Ausschluss einer vorzeitigen Kündigung oder des Kapitalwahlrechts für eine Verbesserung seiner Rechtsposition im Falle einer Insolvenz in Anspruch nehmen möchte. Und wie das OLG praxisnah ausführt, folgt in vielen Fällen auf die Insolvenz der GmbH auch die Privatinsolvenz, weil häufig Mehrheits- oder Allein-GGF Bürgschaften für „ihre“ GmbH übernehmen.