Das neue Jahr bringt wieder Neuerungen und Chancen in der betrieblichen und privaten Altersvorsorge mit sich. Ein Überblick
Fachkräftemangel
Das alte Jahr geht. Der Fachkräftemangel bleibt. Denn der große Aderlass, weil die Generation Babyboomer in Rente geht, setzt sich weiter fort. In den nächsten 15 Jahren werden rund 30% der Erwerbstätigen, das sind 12,9 Mio Personen in Rente gehen. Da in Deutschland bekanntermaßen nicht genug Nachwuchs da ist, sind Arbeitgeber gezwungen ihre Attraktivität zu erhöhen: Eine arbeitgeberfinanzierte Betriebsrente, andere betriebliche Benefits stehen plötzlich im Fokus.
Babyboomer
Auch die Babyboomer sind eine große Zielgruppe, die kompetente Beratung braucht. Denn häufig stellt sich bei den nun sukzessive fällig werdenden Versorgungen, sei es privat oder betrieblich, die Frage Kapital oder Rente? Oder es handelt sich z.B. bei „alten“ Direktversicherungen überhaupt um Kapitalversicherungen, deren Investition Beratungsbedarf auslöst. Gleichzeitig fallen Sparbeiträge weg. Insgesamt muss die Altersvorsorge und die Lebensplanung für den dritten Lebensabschnitt ganzheitlich neu bedacht und geregelt werden. Das gilt für normale Arbeitnehmer, aber auch für die Generation Gesellschafter-Geschäftsführer. Für die dort häufig anzutreffenden Pensionszusagen bedarf es passgenauer Lösungen.
Hinzuverdienstgrenzen
Und für normale Arbeitnehmer erhöht sich jetzt sogar der Beratungsbedarf. Denn Apropos Fachkräftemangel und Beratung rentennaher Jahrgänge: Zum 1.1.2023 werden die Hinzuverdienstgrenzen für Bezieher einer vorgezogenen Altersrente ganz entfallen und für Bezieher von Erwerbsminderungsrenten deutlich angehoben werden. Das regelt das 8. SGB-IV-Änderungsgesetzes, das am 1.12.2022 im Bundestag verabschiedet wurde, und begründet das damit, dass durch die damit einhergehende Flexibilität beim Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ein Beitrag geleistet werden kann, dem bestehenden Arbeits- und Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Gedacht ist diese Regelung also dafür, dass vorgezogene Rentner und Rentnerinnen einen Anreiz zur Weiterarbeit haben. Aber wie das so mit staatlicher Planwirtschaft ist, dürfte es de facto nochmals attraktiver für Arbeitnehmer werden, eine Vollrente vor der Regelaltersrente in Anspruch zu nehmen und weiter zu arbeiten. Wer z.B. nach 45 Jahren als besonders langjährig Versicherter seine Rente abschlagsfrei beziehen kann (z.B. 1960 geborene = 64 Jahre und 4 Monate) oder nach § 187a SGB VI seine Abschläge ausfinanziert hat, bezieht dann z.B. seine abschlagsfreie Rente plus Gehalt in Voll- oder Teilzeit …. und natürlich auch die Betriebsrente, die nach § 6 BetrAVG ja bei einer Vollrente wegen Alters auf Verlangen des Rentners zu zahlen ist.
Und auch das kann in Zeiten von hoher Inflation besonders attraktiv sein, wenn nämlich z.B. bei Pensionszusagen der Arbeitgeber die Anpassungsprüfungspflicht nach Kaufkraftverlust erbringen muss. Während nämlich der Anwärter aufgrund der Inflation jährlich einen Wertverlust seiner Anwartschaft ohne Ausgleich hinnehmen muss, wird dieser Inflationsverlust dem Betriebsrentner nach § 16 Abs. 1 und 2 BetrAVG alle drei Jahre ausgeglichen. Das kann auch schnell Abschläge durch den vorzeitigen Bezug ausgleichen.
Freigrenze / Freibetrag
Apropos Betriebsrente: zum 1.1.2023 wird die Freigrenze / Freibetrag für Betriebsrentner nach einer „Nullrunde“ wieder angehoben von 164,50 Euro auf 169,75 Euro (für Kapitalzahlungen von 19.740 Euro auf 20.370 Euro). Gleichzeitig steigen allerdings auch die Zusatzbeiträge bei vielen Krankenversicherungen.
Bürgergeld
Durch die Einführung des Bürgergeldes springt die Regelbedarfsstufe 1 ab 2023 von bisher 449 Euro pro Monat auf 502 Euro pro Monat. Das hat positive Auswirkungen auf die Anrechnung von Leistungen einer freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung (bAV, Riester, Basisrente, freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung) auf die Grundsicherung im Alter. Ab 1.1.2023 sind nicht mehr max. 224,50 Euro, sondern bis 251 Euro anrechnungsfrei (§ 82 Abs. 4 SGB XII). Die genaue Regelung finden Sie hier. Dass sich Vorsorge und betriebliche Altersvorsorge auch bei Niedrigverdienern, die in die Grundsicherung fallen könnten, lohnt, ist leider ein viel zu gut gehütetes Geheimnis. Denn damit lohnt sich z.B. eine arbeitgeberfinanzierte Betriebsrente, z.B. gegenfinanziert für den Arbeitgeber über den Förderbetrag nach § 100 EStG, auch für Niedrigverdiener.
Sozialversicherung
Überhaupt: Die Rechengrößen der Sozialversicherung steigen zum 1.1.2023 wieder. Einen schönen Überblick finden Sie hier.
Übrigens: Basisrenten sind ab dem 1.1.2023 voll abziehbar!
Pensionszusagen
Überraschung bei manchem Arbeitgeber, die Pensionszusagen mit Rückdeckungsversicherungen bilanzieren: Zum Bilanzstichtag 31.12.2022 ist der neue IDW-Rechnungslegungshinweis „Handelsrechtliche Bewertung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus rückgedeckten Direktzusagen (IDW RH FAB 1.021)“ für die Handelsbilanz anzuwenden. Da stehen Gespräche zwischen Unternehmen, Steuerberater/Wirtschaftsprüfer und dem Gutachter zu den möglichen Vorgehensweisen an. Mehr dazu hier https://www.bavheute.de/bav-praxis/rueckgedeckte-pensionszusagen-wie-aktuare-die-vorlagen-der-wirtschaftspruefer-jetzt-interpretieren/. Wohl dem, der eine vollständig kongruent rückgedeckte BOLZ hat.
Minijobber
Eine neue Facette kommt bei den Minijobbern hinzu. Durch die Glättung des vormals „harten“ Übergangs zum Midijob entfiel schon ab dem 1.10.2022 das bisherige Argument für die sog. Minijob-(Betriebs)rente. Wir erklären Ihnen hier (https://www.bavheute.de/bav-praxis/die-minijob-rente-ist-tot-es-lebe-der-midijob/) worum es geht und rechnen nach.
BAG-Urteil zu Kapital und Rente
Nach der Neubesetzung des Vorsitzes des sogenannten Pensionssenates am BAG wird es am 17.1.2023 zu wahrscheinlich wegweisenden Urteilen rund um das Thema Kapital oder Rente kommen. Wichtige Fragen also für die mögliche Ausgestaltung von Zusagen.
Fachdialog Betriebsrenten
Last but not least: Das BMAS hat den Fachdialog Betriebsrenten eröffnet und will Verbesserungen zur Verbreitung der bAV 2023 gesetzlich voranbringen. Im Fokus wird voraussichtlich das Lieblingsprojekt des BMAS, das Sozialpartnermodell, stehen, aber es ist mit einer „Garnitur“, die der bAV insgesamt weiterhilft, zu rechnen. Wir werden das auf bAVheute 2023 hier, wie gewohnt, kommentieren. Das BMF leitet parallel dazu die gerade gegründete Fokusgruppe zur privaten Altersvorsorge, wo es u.a. um die Prüfung der Themen Bürgerfonds, Opting-Out und Fördermöglichkeiten gehen wird. Auch da wird es spannend bleiben.
Stay tuned – wir werden auch 2023 berichten!