Die Herausforderungen in der Vorsorge bleiben hoch – auch für die bAV? Experten diskutieren die neue Gemengelage und betonten wichtige Impulse für die betriebliche Altersversorgung.
Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH, war Gast der Expertenrunde beim diesjährigen Roundtable des HR-Magazins „Personalwirtschaft“. Diskutiert wurden die Herausforderungen, die die bAV – angesichts der vielseitigen Rahmenbedingungen – zu meistern hat. Unter anderem ging es um die Gestaltung des Arbeitgeber-Zuschusses, den erhöhten Druck bei der Anpassungsprüfung und die Neubewertung von Garantien.
Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Roundtable:
AG-Zuschuss: Benefit oder Pflichterfüllung?
Verschiedene Studien haben bereits die Bedeutung einer attraktiven bAV-Lösung für die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern analysiert. Hierüber herrschte unter den Experten am runden Tisch auch Einigkeit.
Doch Vorsicht ist geboten. Denn nicht jede bAV wird als Benefit wahrgenommen. „Wenn ein Arbeitgeber nur 15 % Zuschuss zahlt, dann ist das kein Benefit mehr, sondern nur die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben“, gab beispielsweise Tobias Bailer, geschäftsführender Gesellschafter der Pension Solution Group, zu bedenken und bekam viel Zuspruch. Eine Entgeltumwandlung ohne nennenswerte Matching-Beiträge des Arbeitgebers wird kritisch gesehen. Auch Dr. Henriette Meissner plädierte für mehr Engagement der Unternehmen, damit möglichst viele Beschäftigte von einer betrieblichen Altersversorgung profitieren. „Wir als Anbieter und Berater sind gefordert, die arbeitgeberfinanzierte Versorgung wieder in den Vordergrund zu stellen“, so Dr. Meissner. „Im Mittelstand ist die Sensibilisierung für höhere Zuschüsse erfreulich gestiegen“, betonte Lars Hinrichs, Partner bei Deloitte Legal. Matching-Beiträge von bis zu 50 % je nach Betriebszugehörigkeit seien keine Seltenheit.
„Wir als Anbieter und Berater sind gefordert, die arbeitgeberfinanzierte Versorgung wieder in den Vordergrund zu stellen.“
Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH
Mehr Rendite, weniger Garantien
Die Niedrigzinsphase führte dazu, dass die Beitragsgarantien nur durch geringe Renditen möglich waren. Das hat zu einem Umdenken geführt. Immer mehr Unternehmen wenden in ihren Pensionsplänen ein kapitalmarktorientiertes Zinsmodell an, um die Risiken von Garantien abzufedern und gleichzeitig die Renditechancen zu erhöhen. „Kapitalmarktorientierte Systeme sind der absolute Trend“, stellt Hanne Borst, Leiterin des Geschäftsbereichs Retirement bei Willis Towers Watson fest. „Der Markt ist sehr progressiv geworden“, ergänzt Lars Hinrichs. Selbst Produkte mit einer 80-Prozent-Garantie seien erfolgreich am Markt platziert worden.
Dieser Paradigmenwechsel zeigt sich auch in dem 2018 von der Politik ins Spiel gebrachte Sozialpartnermodell, das auf reinen Beitragszusage ohne Garantieleistungen basiert. Dr. Henriette Meissner dazu: „Die Grundidee des Sozialpartnermodells, sich auf Assets in den rentierlichen Anlageklassen zu fokussieren, ist richtig. Dies geht nur, wenn von dem deutschen Dogma der 100-Prozent-Garantie abgegangen wird.“
Anpassungsprüfung
Wie gehen Arbeitgeber angesichts hoher Inflationsraten mit der Pflicht zur Anpassungsprüfung (§ 16 BetrAVG) um? Bieten sich Alternativen zum Verbraucherpreisindex an, oder ist sogar ein Aussetzen möglich? Dr. Henriette Meissner mahnte zur Vorsicht: „Die arbeitsrechtlichen Hürden sind sehr groß, wenn man aus wirtschaftlichen Gründen die Anpassungsprüfung aussetzen oder umstellen möchte. Der einfache Verweis auf die Energiekrise reicht nicht.“ Auch der Wechsel von der VPI-Entwicklung zur Nettolohnanpassung ist mit Hürden und aufwendigen Prüfungen verbunden. Eine Herausforderung ist zum Beispiel die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmergruppen. „Wir warnen vor der Verallgemeinerung, auf die Nettolohnanpassung zu gehen“, sagt Lars Hinrichs.
bAV-Erfolgsfaktoren: Information und Transparenz
Die bAV ist erklärungsbedürftig. Deshalb reicht es nicht aus, ein gutes Betriebsrentenmodell zu entwickeln, sondern es muss auch richtig kommuniziert werden, damit es in der Breite wirksam wird. Transparenz ist ein Erfolgsfaktor der bAV, die Digitalisierung ein zentraler Hebel dafür. Davon ist auch Joachim Bangert überzeugt: „Wir glauben an eine einfache und zeitgemäße Kommunikation, um zu erklären, wie es funktioniert und was es bringt.“ Auf einen weiteren Aspekt weist Tobias Bailer hin: „Die bAV muss Bestandteil der Unternehmenskultur werden, sonst sollte man die Finger davon lassen, einen neuen Pensionsplan zu platzieren.“
Auch hier waren sich alle Expertinnen und Experten des Roundtable einig: Die Unternehmensleitung sollte deutlich machen, dass ihr ein hoher Verbreitungsgrad wichtig ist. Das heißt zum einen, mit einer guten Kommunikationsstrategie den Mehrwert der bAV in den Mittelpunkt zu stellen. Zum anderen müssen Ressourcen in HR zur Verfügung gestellt werden – während des Projektes, aber auch für die Folgeprozesse danach. Die bAV muss sichtbar sein, dann kann sie ihr Potenzial für die Mitarbeitenden und für das Unternehmen voll ausspielen.
Der Roundtable erschien als „Special“ in der Ausgabe 01/2023 der Personalwirtschaft. Das gesamte Gespräch lesen Sie hier.