Das Bundeskabinett hat am 30. August 2023 den Regierungsentwurf für das „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ (Wachstumschancengesetz) beschlossen. Etwas später als geplant aber immerhin.
Der Entwurf soll Wachstumschancen schaffen und Standortbedingungen verbessern. Die Verabschiedung durch den Bundestag ist für den 10. November 2023 geplant. Die Zustimmung durch den Bundesrat für den 15. Dezember 2023.
Im Regierungsentwurf finden sich auch Passagen für die private und betriebliche Altersversorgung. Neben den guten Absichten dient der Entwurf auch dazu den Anforderungen des Bundesfinanzhofes zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung zumindest teilweise nachzukommen (BFH Urteil vom 19. Mai 2021; X R 20/19 und X R 33/19).
Nachfolgend die wichtigsten Passagen für die Besteuerung von privater und betrieblicher Altersversorgung:
1. Besteuerungsanteil von Basisrenten steigt später (§ 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 3 EStG-E)
Grundsätzlich werden die Leistungen der Basisrenten nachgelagert mit dem persönlichen Steuersatz versteuert. Das bedeutet, dass Bezieher einer Basisrente auch im Alter eine Steuererklärung abgeben müssen. Dabei folgt der steuerpflichtige Anteil einer jährlichen Staffelung. Bei einem Renteneintritt im Jahr 2023 liegt der zu versteuernde Anteil bei 83 Prozent. Bis zum Jahr 2040 steigt dieser auf 100 %.
Durch den Regierungsentwurf wird der Anstieg auf 100 % erst 2058 erfolgen (§ 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 3 EStG-E). Damit sinkt die steuerliche Belastung der Neurentner ab 2023.
2. Abfindung von Kleinstbetragsrenten aus einem Basisrentenvertrag ist während der Auszahlungsphase möglich (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG-E)
Auszahlungen zur Abfindung einer Kleinbetragsrente zu Beginn der Auszahlungsphase sind bereits nach geltendem Recht zulässig. Die Abfindung von Kleinbetragsrenten soll nun, wie schon bei Riesterverträgen, während der Auszahlungsphase möglich sein, wenn aufgrund eines Versorgungsausgleichs die Kleinbetragsgrenze erreicht oder unterschritten wird (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG-E).
3. Freibetrag für Leistungen aus Pensionszusagen und Unterstützungskassen wird später auf 0 € abgeschmolzen (§ 19 Abs. 2 Satz 3 EStG-E)
Bei Versorgungsbezügen aus Pensionszusagen und Unterstützungskassen sieht § 19 Abs. 2 Satz 3 einen Freibetrag vor, der jedes Jahr geringer ausfällt. Für 2023 liegt dieser noch bei 1.020 Euro um dann stufenweise bis 2040 auf 0 Euro abgeschmolzen zu werden. So jedenfalls die Rechtslage 2023. Das Wachstumschancengesetz sieht hier eine Streckung der Abschmelzung auf 0 Euro erst ab 2058 vor (§ 19 Abs. 2 Satz 3 EStG-E). Dies hat zur Folge, dass die Prozentsätze und damit die steuerliche Entlastung für rentennahe Jahrgänge ab 2023 leicht höher als bisher ausfallen.
4. Altersentlastungsbetrag für Leistungen aus gesetzlicher Rente und betrieblicher Altersversorgung wird später auf 0 Euro abgeschmolzen (§ 24a Satz 5 EStG-E)
Was für den Freibetrag im Rahmen des § 19 EStG gilt, gilt im Prinzip auch für den Altersentlastungsbetrag des § 24a EStG. Der Entlastungsbetrag beläuft sich 2023 noch auf 646 Euro und wird nach bisheriger Rechtslage bis 2040 auf 0 Euro abgeschmolzen. Auch hier sieht der Regierungsentwurf eine Streckung auf 2058 vor (§ 24a Satz 5 EStG-E).
5. Riester: Kreis der Förderberechtigten wird ab 1.1.2024 erweitert (§ 10a Abs. 1a Satz 1 EStG)
Durch das Jahressteuergesetz 2022 (BGBl. I S. 2294) wurde in § 10a Absatz 1a EStG das Verfahren bei Personen vereinfacht, die wegen der Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei inländischen gesetzlichen Rentenversicherungsträgern dem förderberechtigten Personenkreis angehören. Nach der bisherigen Rechtslage stehen Steuerpflichtige, die Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI) in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung nur aufgrund eines fehlenden oder eines noch nicht beschiedenen Antrags bislang nicht angerechnet bekommen haben, einem Pflichtversicherten in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung gleich. Voraussetzung ist, dass der Zulagenberechtigte die Kinderzulage für ein Kind, für das gegenüber dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten/ Lebenspartner Kindergeld festgesetzt worden ist, bei seinem Anbieter beantragt; und das Kind im Beitragsjahr das vierte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Durch das Wachstumschancengesetz soll die Gleichstellung eines Steuerpflichtigen mit in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten auch auf die Fälle erstreckt werden, bei denen der Steuerpflichtige die Kinderzulage nicht selber beantragt, sondern diese auf seinen Ehegatten übertragen hat. Gleiches gilt auch bei der Übertragung der Kinderzulage zwischen Lebenspartnern einer Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz
6. Riester: Wegfall der unmittelbaren und mittelbaren Zulageberechtigung werden miteinander künftig verknüpft (§ 90 Abs. 3 Satz 6 EStG-E)
Fällt die Zulageberechtigung des unmittelbar Förderberechtigten, (z. B. wegen einer Ablehnung der Kindererziehungszeiten), weg und wird dessen Zulage zurückgefordert, fällt auch die mittelbare Zulageberechtigung für den Ehegatten weg und dessen Zulage wird ebenfalls zurückgefordert. Gleiches gilt auch bei Lebenspartnern einer Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz.
7. Riester: Entfallen Schriftformerfordernis § 89 Abs. 1a Satz 2 EStG-E
Dazu Entfallen bisherige Schriftformerfordernisse (Einwilligung zur Datenübermittlung gegenüber Besoldungsstellen, der Zulagen und Dauerzulagenantrag sowie die Änderungsanzeige und die Bestätigungsanzeige, §§ 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 89 und 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3c EStG-E). Gemäß § 89 Abs. 1a Satz 2 EStG-E muss künftig der Anbieter die ZfA unterrichten, sollte er Kenntnis über eine Änderung der Verhältnisse erlangen.
8. Riester: Vereinfachung für Anbieter durch Entfallen der Meldepflicht für den Fall der mittelbaren Zulageberechtigung wenn keine Altersvorsorgebeiträge geleistet worden sind
Nach bisheriger Rechtslage müssen Anbieter nach § 10a Abs. 5 Satz 3 EStG als mitteilungspflichtige Stelle auch unter Angabe der Vertragsdaten die Höhe der im jeweiligen Beitragsjahr zu berücksichtigenden Altersvorsorgebeiträge sowie die Zulage- oder die Versicherungsnummer nach § 147 SGB VI an die zentrale Stelle zu übermitteln.
Die Übermittlung muss auch dann erfolgen, wenn im Fall der mittelbaren Zulageberechtigung keine Altersvorsorgebeiträge geleistet worden sind (§ 10a Abs. 5 Satz 3 EStG).
Durch das Wachstumschancengesetz wird § 10a Abs. 5 Satz 3 EStG gestrichen. Also die Pflicht der Anbieter, im Fall der mittelbaren Zulageberechtigung stets einen Datensatz zu übermitteln, auch wenn keine Altersvorsorgebeiträge geleistet wurden, um den in der Günstigerprüfung anzusetzenden Zulageanspruch in zutreffender Höhe zu ermitteln.
9. Fünftelungsregelung: Vereinfachung für Arbeitgeber (§ 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG-E)
Der Fünftelungsregelung liegt, stark vereinfacht, das Prinzip zugrunde, dass bei Zufluss außerordentlicher Einkünfte aufgrund mehrjähriger Tätigkeiten in einem Veranlagungszeitraum diese zu Abmilderung der Steuerbelastung fiktiv auf 5 Jahre verteilt werden (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 1. Halbsatz EStG).
Dies kommt u.a. bei Kapitalauszahlung von Pensions- oder Unterstützungskassenversorgungen zur Anwendung. Nach bisheriger Rechtslage kann die Fünftelungsregelung bereits bei der Berechnung der Lohnsteuer berücksichtigt werden. Das erfordert aber komplizierte Berechnungsschleifen im Programmablaufplan für die maschinelle Lohnsteuerberechnung der Arbeitgeber.
Das Wachstumschancengesetz sieht nun vor, dass Arbeitgeber ab 1.1.2024 davon entlastet werden indem sie die Fünftelungsregelung nicht mehr im Rahmen der Lohnsteuer berücksichtigen müssen. Das ist nun Sache der (ehemaligen) Arbeitnehmer im Rahmen der Veranlagung.