Die Frage, ob und wann die sogenannte Fünftel-Regelung, also die ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG, in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) angewendet werden kann, gehört zu den Klassikern vor den Finanzgerichten. In einem aktuell entschiedenen Fall ging es um die Auszahlung von Kapitalleistungen der bAV über mehrere Veranlagungszeiträume (BFH-Urteil vom 15. Dezember 2022, VI R 19/21).
Im Kern geht es bei diesen Klagen immer um die Einkommensteuererklärung des Leistungsempfängers, der die Ermäßigung nach § 34 EStG vom Finanzamt erstreiten muss.
Der Fall vor dem Bundesfinanzhof (vereinfacht)
Geklagt hatte die ehemalige Mitgesellschafterin einer GmbH, die am 21.12.1999 von ihrem Unternehmen eine Pensionszusage erhalten hatte. Mit Nachtrag vom 29.6.2015 wurde vereinbart, dass die zugesagte Altersrente zum 31.8.2015 wertgleich in ein „Alterskapital“ in Höhe von 543.000 Euro umgewandelt wird. Die ehemalige Mitgesellschafterin schied zum vereinbarten Pensionsalter am 31.12.2016 aus der GmbH aus.
Die GmbH zahlte das „Alterskapital“ jedoch nicht wie in dem Nachtrag zur Pensionszusage vereinbart in einem Betrag, sondern leistete wie folgt:
- 22.2.2017 Teilzahlung in Höhe von 64.290,40 Euro
- 21.4.2017 weitere Teilzahlung in Höhe von 214.621,25 Euro
- Am 13.4.2017: GmbH führt 183.970,00 Euro Lohnsteuer und 10.118,35 Euro Solidaritätszuschlag an ihr Betriebsstättenfinanzamt ab
Insgesamt wurden nur 473.000 Euro im Streitjahr 2017 auf das „Alterskapital“ der Klägerin entrichtet.
In 2018 zahlte die GmbH weitere 55.000 Euro und in 2019 den Restbetrag von 15.000 Euro.
Die ehemalige Mitgesellschafterin beantragte für 473.000 Euro die Fünftelregelung anzuwenden, was das Finanzamt mit dem Argument ablehnte, dass das „Alterskapital“ nicht als Einmalzahlung bezogen wurde. Auch vor dem Finanzgericht hatte die Klägerin kein Glück, worauf sie beim Bundesfinanzhof Revision einlegte.
So urteilte der BFH:
Der BFH stellte in diesem Urteil sehr anschaulich das Regel-Ausnahme Verhältnis der Fünftel-Regelung dar.
Die Regel: Wann die Fünftel-Regelung anwendbar ist
Die Voraussetzungen für die Anwendung der Fünftelregelung sind zum einen eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit und zum anderen „Zusammenballung“ der Einkünfte. Beim „Alterskapital“ handelte es sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, die eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG darstellen.
Es fehlte aber nach Ansicht der Richter an dem Tatbestandsmerkmal einer zusammengeballten Arbeitslohnzahlung. Denn außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG werden nur bejaht, wenn
- die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und
- durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen.
Danach liegen typischerweise keine außerordentlichen Einkünfte vor, wenn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen gezahlt wird. Zwar können sich auch bei einer Zahlung in zwei (oder mehr) Veranlagungszeiträumen Belastungen ergeben, diese müssen aber in Kauf genommen werden.
Die Ausnahmen: Wann die Fünftel-Regelung doch anwendbar ist
Der BFH zeigt in seinem Urteil auch die Ausnahmen vom Grundsatz, dass nur einmalige Zuflüsse als außerordentlich anerkannt werden auf:
1. Ausnahme:
Es wird nur eine geringfügige Teilleistung ausgezahlt und die ganz überwiegende Leistung wird in einem Betrag ausgezahlt. Die Teilzahlungen müssen sich im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen wobei die Nebenleistung nur geringfügig sein darf. Eine geringfügige Nebenleistung liegt dann vor, wenn sie nicht mehr als 10 % der Hauptleistung beträgt, was im zu entscheidenden Fall nicht gegeben war. Die in 2018 und 2019 zugeflossenen Teilbeträge des „Alterskapitals“ in Höhe von insgesamt 70.000 Euro sind keine geringfügigen Nebenleistungen der im Streitjahr erfolgten Zahlungen in Höhe von 473.000 Euro. Das Verhältnis beläuft sich auf 14,80 %.
Im Übrigen findet sich die Möglichkeit der Anwendung der Fünftelregelung bei Teilkapitalauszahlung auch im BMF-Schreiben vom 18.3.2022 in Randziffer 147.
2. Ausnahme:
Die Zahlung wurde von vornherein in einer Summe festgesetzt und nur wegen ihrer ungewöhnlichen Höhe und der besonderen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen auf zwei Jahre verteilt. Zwar wurde die Zahlung des „Alterskapitals“ ursprünglich in einer Summe vereinbart und auf die Auszahlungsmodalität in drei Veranlagungszeiträumen hatte die ehemalige Gesellschafterin keinen Einfluss. Dies rechtfertigt nach Ansicht der Richter aber keine abweichende Beurteilung. Die Tarifbegünstigung des § 34 EStG knüpft an die Progressionsbelastung durch grundsätzlich in einem Veranlagungszeitraum zusammengeballt zugeflossene Einnahmen und nicht daran an, ob die Modalitäten des Zuflusses vereinbart waren oder dem Zahlungsempfänger aufgezwungen wurden.
3. Ausnahme:
Der Zahlungsempfänger ist dringend auf den Bezug einer Vorauszahlung angewiesen. Dafür sah das Gericht keine Anhaltspunkte.
4. Ausnahme:
Es werden neben der Hauptleistung in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt. Auch dafür sah das Gericht keinerlei Anhaltspunkte.
Fazit:
Der BFH zeigt sehr anschaulich, wie das Regel-Ausnahme Verhältnis bei der Fünftel-Regelung funktioniert. Dies sollte bei der Auszahlung von Kapitalleistungen, die sich über mehrere Veranlagungszeiträume erstrecken sollen, unbedingt beachtet werden.