Erwerbsbiografien sind heute nicht mehr linear. Im 1. Teil wurde bereits der Umgang bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis thematisiert. Nun folgt der zweite Teil, in dem es um ruhende Arbeitsverhältnisse geht.
Von der Lehre bis zur Rente bei einem Arbeitgeber? Das wird immer seltener. Berufliche Interessen verschieben sich, das Privatleben hat manchmal Vorrang. So kommt es zu beruflichen Auszeiten für Eltern, oder für diejenigen, die sich ein Sabbatical gönnen wollen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist den allermeisten Menschen mittlerweile wichtiger als hohe Gehälter – einfach mal das Arbeitsverhältnis ruhen lassen! Aber was passiert dann mit der bAV-Anwartschaft? Welche Möglichkeiten gibt es, die Versorgungsanwartschaften „unfallfrei“ durch die Zeit eines ruhenden Arbeitsverhältnisses zu bekommen? Darum soll es nachfolgend am Beispiel einer Direktversicherung gehen.
Ruhendes Arbeitsverhältnis – was ruht und was nicht?
Wenn das Arbeitsverhältnis ruht, sind die Arbeitsvertragsparteien von ihren Hauptpflichten, also von der Arbeitsleistung einerseits und der Entgeltzahlung andererseits befreit. Das gilt allerdings nicht für die Nebenpflichten, wie z. B. der Verschwiegenheit oder Wettbewerbsverbote. Diese bestehen auch im ruhenden Arbeitsverhältnis fort. Diese Verpflichtungen ruhen also nicht.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, ob das Ruhen zu den Zeiten der Betriebszugehörigkeit zählt oder nicht. Das ist z. B. für die Frage entscheidend, wann eine arbeitgeberfinanzierte Zusage unverfallbar wird. Zählt für die Frist nach § 1b BetrAVG ein ruhendes Arbeitsverhältnis mit, oder beginnt die Frist nach dem Ruhen von neuem?
§ 1b BetrAVG stellt dabei darauf ab, ob das Arbeitsverhältnis bzw. die Zusage beendet wurde oder nicht. Da, wie gezeigt, das Arbeitsverhältnis weiter besteht, und „nur“ die Hauptleistungspflichten entfallen, zählen auch Zeiten eines ruhenden Arbeitsverhältnisses für die Berechnung der Unverfallbarkeit mit. Das bedeutet dann auch, dass bei einer Zusage mit einer Anknüpfung an die Dienstzeit regelmäßig dahingehend zu verstehen ist, dass auf die Betriebszugehörigkeit, also Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses, zu verstehen ist.
Gründe für ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses
Gründe für ein „Ruhen“ des Arbeitsverhältnisses gibt es viele. Ein wichtiger gesetzlicher Grund ist z. B. die Elternzeit. Wie sich eine bAV auf die Höhe des Elterngeldes auswirkt, können Sie hier nachlesen. Aber auch die Pflegezeit, der Bezug von Kurzarbeiter- oder Krankengeld gehören in diese Kategorie. Aber ein „Ruhen“ kann auch vertraglich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden, beispielsweise eine unbezahlte Urlaubszeit. Die Folgen für die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung sind, egal ob das Ruhen auf einem gesetzlichen oder vertraglichen Grund beruhen, dieselben. Die Hauptleistungspflichten sind ausgesetzt und damit schuldet der Arbeitgeber auch keine Versorgungsbeiträge, was in den Zusagen auch regelmäßig so vereinbart ist.
Mögliche Reaktionen bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis
Und wie geht man jetzt mit der Anwartschaft in Zeiten eines ruhenden Arbeitsverhältnisses um?
1. Möglichkeit: Fortführung mit eigenen Beiträgen (Direktversicherung)
Der Arbeitnehmer ist auch berechtigt, bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis, die Direktversicherung mit eigenen Beiträgen über den Arbeitgeber fortzuführen (§ 1a Abs. 4 BetrAVG).
Das hat entscheidende Vorteile. Einmal wird dadurch verhindert, dass sich die Versorgungsanwartschaft reduziert und zum anderen auch, dass Versorgungsleistungen entfallen, was insbesondere bei Einschluss einer Absicherung vor Berufsunfähigkeit den entscheidenden Ausschlag geben kann oder auch sollte.
Teil der Wahrheit und damit auch Teil einer Beratung ist dabei aber auch, dass Leistungen, die auf der privaten Fortführung beruhen, in der Leistungsphase nach § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V als Versorgungsbezug grundsätzlich sozialversicherungspflichtig sind. Denn der Arbeitgeber bleibt nach wie vor Versicherungsnehmer und für die Beitragsfreiheit ist zwingend der Versicherungsnehmerwechsel auf den Arbeitnehmer erforderlich.
2. Möglichkeit: Stundung und Nachzahlung
Eine weitere Möglichkeit besteht in der Stundung der Beiträge. Dabei kommt es aber sehr auf die jeweiligen Versicherungsbedingungen an, die man vorher prüfen sollte. Charmant bei dieser Möglichkeit ist, dass die Nachzahlung durch § 3 Nr. 63 Satz 4 steuerlich, aber nicht sozialversicherungsrechtlich, flankiert ist.
Für jedes Dienstjahr, in dem das Arbeitsverhältnis ruhte (maximal für 10 Jahre), können 8 % der BBG GRV West nachgezahlt werden. Das sind in 2021 immerhin 68.160 Euro. Für 2022 kommt es durch das Absinken der BBG- West dann zu einem reduzierten Volumen von 67.680 Euro.
Auch hier gilt: Im Rahmen der Beratung nicht nur die steuerliche Wohltat, sondern auch die weniger erfreuliche sozialversicherungsrechtliche Seite kommunizieren.
3. Möglichkeit: Beitragsfreistellung
Wird weder von der Stundung noch von der Fortführung mit eigenen Beiträgen Gebrauch gemacht, bleibt nur noch die Beitragsfreistellung und eine Wiederinkraftsetzung zu den im Versicherungsvertrag genannten Bedingungen. Eine Besonderheit besteht für das „Ruhen“ aufgrund einer Elternzeit. Dann gilt nämlich § 212 VVG mit der Folge, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer innerhalb von drei Monaten nach der Beendigung der Elternzeit verlangen kann, dass die Versicherung zu den vor der Umwandlung vereinbarten Bedingungen fortgesetzt wird.