Der Wissenschaftliche Beirat hat in seiner neuesten Stellungnahme zu einem neuen Anlauf für die kapitalgedeckte Rente durch eine Riesterreform wichtige Argumente für die Vorsorge-Diskussion aufbereitet. Teil 4 und der Schutz staatlicher Fonds vor Missbrauch.
Eine wichtige Frage, wenn es zu „Staatsfonds“ kommt, ist, wie diese vor dem Zugriff des allzeit „gierigen“ Staates geschützt werden können. Also die sogenannte „Governance“, d.h. ein System von Regeln und Organisation, das dazu dient, dass die angelegten Mittel bestmöglich im Interesse der Anleger angelegt und vor dem Einfluss von Partikularinteressen geschützt werden. Je besser die Governance, also das Vertrauen der Anleger in die Vorsorgelösung, umso höher die Attraktivität der Altersvorsorge.
Die Governance muss viele Aspekte beachten
[Die Governance] umfasst insbesondere die Fragen,
- wer die veranlagten Mittel verwaltet,
- wer an den Kapitalmärkten investiert und
- wie der Fonds institutionell abgesichert werden kann, so dass die angesparten Mittel nicht zweckentfremdet werden können.
Staatsfonds oder private Anbieter der Altersversorgung?
Ein Kapitalmarktfonds kann im Grundsatz sowohl von privaten Finanzdienstleistern als auch vom Staat angeboten werden. In Deutschland können Riester-Renten aktuell nur bei privaten Unternehmen abgeschlossen werden. In Schweden sind die Kapitalmarktfonds hingegen sowohl bei Unternehmen als auch beim Staat erhältlich.
Der Vorteil eines staatlichen Fonds besteht darin, dass Sorgen zerstreut werden, Anleger würden bei der Anlage übervorteilt oder wären von einem Zahlungsausfall betroffen. Umgekehrt besteht bei einem staatlichen Fonds das Risiko, dass dieser für vorsorgefremde politische Ziele instrumentalisiert wird. Damit würde das Risiko von Fehlinvestitionen steigen mit entsprechenden Vermögens- und Vertrauensverlusten bei den Anlegern. [Die Forschung] betont indes, dass eine staatlich betriebene Mittelanlage zu geringeren Kosten durch Skaleneffekte, ausbleibende Aufwendungen für Marketing und Vertrieb sowie eine Verhinderung von Marktmacht bei privaten Anbietern führen kann.
Grundsätzlich sind verschiedene Möglichkeiten der Ausgestaltung denkbar: Der Staat könnte ausschließlich private Anbieter mit der Vermögensverwaltung beauftragen und diesen transparente Regeln setzen, innerhalb derer sie die Verwaltung durchführen könnten. Diese Regeln müssten eine Zertifizierung von Anlagen umfassen. Falls die kapitalgedeckte Rente auf die Grundsicherung im Alter angerechnet wird, hätten anderenfalls diejenigen, die erwarten, in die Grundsicherung zu fallen, einen Anreiz, besonders riskante Portfolios zu wählen. Denn nur mit den damit verbundenen möglichen hohen Gewinnen könnten sie eine Aussicht haben, mehr als die Grundsicherung im Alter zu erhalten … .
Der Staat könnte auch selbst als Vermögensverwalter auftreten, den Anlegern aber die Möglichkeit lassen, auf private Verwalter auszuweichen (opt out). Auch in diesem Fall müsste der Staat die privaten Anbieter regulieren und Informationen zum regulatorischen Rahmen zur Verfügung stellen, um der Bevölkerung eine informierte Entscheidung über Anlageoptionen zu ermöglichen. Schließlich könnte der Staat als alleiniger Anbieter auftreten, also keine privaten Anbieter zulassen.
Empfehlung des Beirats: privat und staatlich im Wettbewerb
Der Beirat spricht sich dafür aus, dass die Verwaltung des Anlagevermögens, dem schwedischen Vorbild folgend, sowohl von einem staatlichen Anbieter als auch von regulierten, privaten Anbietern durchgeführt werden sollte (opt out). Und er empfiehlt der Politik enge Grenzen für einen staatlichen Anbieter zu setzen:
Gleichzeitig betont der Beirat, dass der Verfolgung politischer Interessen bei der Gestaltung des Portfolios enge Grenzen gesetzt sein müssen. Die politische Un- abhängigkeit eines staatlichen Anlageverwalters muss sichergestellt werden, zum Beispiel durch eine verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit vergleichbar zur Bundesbank. Im Zentrum muss das Interesse der Anleger an einem verlässlichen Vermögensaufbau stehen (Unabhängigkeit der staatlichen Vermögensverwaltung).
Neue Lösungen brauchen Vertrauen
Der Beirat schreibt dem Bundesfinanzministerium ins „Stammbuch“, dass der Schlüssel für einen Neustart im Vertrauen der Versorgten liegen wird. Zum einen muss der Riesterbestand geschützt werden, zum anderen müssen die eher Aktien-aversen Deutschen auf die Solidität der neuen Angebote und die Finanzmarktaufsicht vertrauen können.
Zum anderen setzt die Überwindung der im internationalen Vergleich zurückhaltenden Partizipation der Bevölkerung in Deutschland an Kapitalmärkten voraus, dass es einen hohen Grad von Vertrauen in die neu angebotenen Fonds und in die Funktionsweise der Kapitalmärkte geben muss. Dies stellt hohe Anforderungen an die mit der Vermögens- verwaltung beauftragte Institution. Unabhängig von der institutionellen Ausgestaltung des Fonds selbst müsste gewährleistet sein, dass Kapitalmärkte und Aufsicht in Deutschland weiter gestärkt werden, um die Mittel effizient und mit langfristig attraktiven Renditechancen anlegen zu können. Die negativen Erfahrungen aus dem Platzen der Dotcom-Blase zu Beginn des neuen Jahrtausends10, mit dubiosen Anbietern in Graubereichen des Kapitalmarktes und mit dem Wirecard-Fall zeigen die dauerhafte Bedeutung guter Kapitalmarktregulierung.
Fazit
Gerade der auch in der Politik gern gezogene Vergleich mit Schweden oder Großbritannien zeigt, dass private Anbieter den Wettbewerb auch für staatliche Lösungen sicherstellen. Allerdings sollten dann auch für alle gleiche Bedingungen herrschen und nicht durch die „Hintertür“ subventioniert werden. Denn ein starker Kapitalmarkt, den der Beirat ja auch fordert, setzt auch einen insgesamt starken Markt und kein Monopol voraus.