Der Wissenschaftliche Beirat hat in seiner neuesten Stellungnahme zu einem neuen Anlauf für die kapitalgedeckte Rente durch eine Riester-Reform wichtige Argumente für die Vorsorge-Diskussion aufbereitet. Teil 2 und die Sache mit der Beitragsgarantie.
Dass Beitragsgarantie und Anlage am Aktienmarkt (in der Stellungnahme des Beirats: Kapitalanlagemarkt) nicht zusammengehen und in Zeiten des Niedrigzinses zu geringen Renditen führen, ist auch in die Überlegungen des Beirats eingeflossen.
In seiner Gesamtbetrachtung spricht sich daher der Beirat dafür aus, dass es bei einer verpflichtenden Teilnahme in der zukünftigen Ausgestaltung der kapitalgedeckten Rente keine Beitragsgarantie mehr geben soll.
Die Überlegungen des Beirats decken sich im Wesentlichen mit den Argumenten, die in den letzten Jahren in der Finanzdienstleistungsbranche für eine moderne Altersvorsorge vorgebracht wurden.
Die Überlegungen des Beirats sind wie folgt.
1. Moderne Geldanlage ist Trumpf
Bei einer Verpflichtung zur Teilnahme sollte also garantiert werden, dass die veranlagten Mittel nach den Grundsätzen und Erkenntnissen der modernen Portfoliotheorie investiert werden. Eine wichtige Determinante für die Mischung aus Risiko und Ertrag der veranlagten Mittel ist die Entscheidung darüber, ob die Beiträge der Anleger einer Beitragsgarantie unterliegen. Diese Garantie vonseiten der privaten Anbieter ist zentraler Bestandteil der Riester-Rente und umfasst die geleisteten Beiträge sowie die Zulage, sie gilt hingegen nicht für das schwedische Modell.
Vorteil: Schutz vor Kursverlusten kurz vor der Rente
Eine Beitragsgarantie schützt die Anleger vor den Schwankungen des Kapitalmarkts, insbesondere vor signifikanten Kursverlusten. Solche Kursverluste sind insbesondere dann problematisch, wenn sie sich kurz vor dem Eintritt in das Rentenalter ereignen. Man stelle sich als Beispiel einen Anleger vor, der bei Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Frühjahr 2022 in Rente gegangen wäre und am schwedischen Modell partizipiert hätte. In diesem Fall hätten die Ersparnisse durch die Kursrückgänge an den internationalen Kapitalmärkten deutliche Verluste erfahren – ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, in dem der Anleger die Ersparnisse benötigt.
Eine Beitragsgarantie hätte diese Verluste auf den Umfang der zuvor erzielten Kursgewinne reduziert. Die eingezahlten Beiträge wären in jedem Fall geschützt gewesen.
Nachteil: Garantien sind Renditeverhinderer
Auch wenn diese Beitragsgarantie auf den ersten Blick wünschenswert erscheinen mag, weist sie mehrere gravierende Nachteile auf.
Der größte Nachteil liegt darin begründet, dass eine Beitragsgarantie Investitionen in renditeträchtigen Anlageklassen deutlich erschwert und damit gerade in Zeiten anhaltender Niedrigzinsen Renditechancen auslässt.
Zu dieser Erkenntnis passt die Beobachtung, dass bei den Riester-Renten in den letzten Monaten neben die zurückbleibende Nachfrage ein schwindendes Angebot tritt. Mehrere Finanzdienstleister haben angekündigt, keine weiteren Riester-Renten verkaufen zu wollen. Sie argumentieren, dass die vollständige Beitragsgarantie der Verträge in Zeiten anhaltender Niedrigzinsen einen immer größeren Anteil von Investitionen in renditeträchtigen Anlageklassen wie etwa Aktien erfordert, was es zunehmend schwieriger macht, eine solche Garantie zu geben.
Langfristige Anlagen brauchen keine Beitragsgarantien
Das Eintreten für die Beitragsgarantie verkennt auch die langfristige Perspektive bei der Vermögensbildung für das Rentenalter. Hierbei handelt es sich um Investitionsphasen von mehreren Jahrzehnten, für die die empirische Kapitalmarktforschung für die Vergangenheit zwar mitunter große Schwankungen, aber fast durchgehend höhere Renditen bei Investitionen in Aktien über diejenigen in Staatsanleihen und anderen Schuldverschreibungen dokumentiert. Die Beitragsgarantie weist in der Extrapolation der Erfahrungen aus der Vergangenheit also erhebliche Opportunitätskosten auf, gerade über lange Zeiträume.
Selbst in einem System ohne Beitragsgarantien wären Vorkehrungen denkbar, die die Risiken für die Anleger reduzieren könnten. So könnten ab einem bestimmten Zeitpunkt vor dem Eintritt in das Rentenalter, zum Beispiel fünf Jahre vorher, die Ersparnisse sukzessive in Staatsanleihen und Schuldverschreibungen umgeschichtet werden, um so die Kursrisiken beim Eintritt in das Rentenalter niedrig zu halten. Zudem könnten trotz einer weitreichenden Standardisierung der Anlageprodukte individuelle Präferenzen der Anleger bei der Konzeptionierung der Portfolios berücksichtigt werden, insbesondere bei der Allokation zwischen Anlageklassen mit verschiedenen Risiken.
Fazit:
Das sind gute Argumente, die die Finanzdienstleistungsbranche schon seit längerem vorbringt. Moderne Portfolios, automatische Umschichtungen in Lebenszyklusmodellen, mehr Aktienanteil in fondsgebundenen Lebensversicherungen sind längst – außerhalb der staatlich geförderten Produkte – erfolgreich gelebte Praxis.
Willkommen im realen Leben.
Vielleicht sollte der Beirat künftig auch das Angebot von reduzierten Beitragsgarantien anstelle von 100 %-Garantien und die entsprechenden Studien des ifa-Instituts (z. B. Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse) miteinbeziehen, damit die Überlegungen auf der Höhe der Zeit sind.
Lesen Sie einen weiteren Beitrag zu den Überlegungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium zur Altersvorsorge hier.
Die Überlegungen des Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium zur Altersvorsorge haben viele Learnings für die Beratung. Mehr dazu finden Sie im Teil1.